UUnterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Handreichung für Lehrpersonen:
Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten
Klassen 9 – 13
Markus Nielbock
22. Januar 2019
Zusammenfassung
Künstliche Satelliten eignen sich als anwendungsnahe Beispiele, um die Wirkung der Gravitationauf ihre Bahn näher zu erläutern. Dieses Arbeitsmaterial behandelt dazu exemplarisch den Orbitder Internationalen Raumstation (ISS) um die Erde. In einfachen Rechnungen und Darstellungenerfahren die Schülerinnen und Schüler, wie Bahnen künstlicher Satelliten zustande kommen undwelche charakteristischen Geschwindigkeiten dabei auftreten. Sie vergleichen ihre Ergebnisse zur ISSmit denen von geostationären Satelliten und entdecken Anwendungen dieses besonderen Orbits.
Lernziele
Die Schülerinnen und Schüler • berechnen Satellitenorbits anhand von vereinfachten Annahmen, • wenden Gleichungen der Mechanik mit mehreren Variablen an, • können erläutern, welche Kräfte auf die ISS und die Astronauten wirken, die stabile Orbitserzeugen. Materialien • • Stift • Taschenrechner • Lineal • Papier • Smartphone oder Computer mit Internetverbindung für Videos und Recherchen (optional)
Stichworte
Raumstation, ISS, Orbit, Satelliten, Gravitation, Zentrifugalkraft, Zentripetalkraft
Dauer
180 Minuten
Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 1 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Hintergrund
Künstliche Satelliten
Seit dem Start von Sputnik am 4. Oktober 1957 werden regelmäßig künstliche Satelliten und Sondenins Weltall gebracht. Ihre Funktionen sind mit der Zeit immer komplexer geworden. Die Daten derWetter- und Navigationssatelliten sind heute allgegenwärtig. Zudem helfen Erdbeobachtungssatelli-ten bei der Bewältigung wichtiger Aufgaben wie Katastrophenmanagement und Klimaüberwachung.
Abbildung 1:
Nachbau des Sputnik 1 (NASA, https://nssdc.gsfc.nasa.gov/planetary/image/sputnik_asm.jpg ). Die Internationale Raumstation
Die Internationale Raumstation (Abb. 2) ist ein internationales Projekt mit derzeit 15 beteiligtenNationen (ESA 2013; Garcia 2018a). Sie dient als wissenschaftliches Forschungslabor für Fragestel-lungen, deren experimentelle Untersuchung durch den Einfluss der Gravitation auf der Erde erschwertwird.
Abbildung 2:
Die ISS im Jahre 2011 (Bild: NASA).
Neben der Materialforschung und biologischen Studien spielt auch die Medizin eine wichtige Rolle.Der Einfluss der Mikrogravitation führt zu Symptomen, die Krankheitsbildern auf der Erde ähneln.Daher hofft man, Erkenntnisse in der kontrollierten Umgebung der Raumstation zu erlangen, dieauch bei der Erforschung der Krankheiten helfen und Therapien den Weg ebnen. Ein weiterer Grundbesteht darin, langfristige Missionen innerhalb des Sonnensystems vorzubereiten.
Seite 2 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Seit 1998 wird die ISS aufgebaut (Loff 2015) und mittels einzelner Module (Abb. 3) ständig erweitert(Zak 2017). Ihr Betrieb ist bis mindestens 2024 vorgesehen, wahrscheinlich aber sogar bis 2028möglich (Sputnik 2016; Ulmer 2015). Die gesamte Struktur hat eine Masse von 420 t. Sie ist 109 mlang, 73 m breit (Garcia 2018b) und 45 m hoch (ESA 2014). Auf einer Bahnhöhe von etwa 400 kmbenötigt die ISS für eine Erdumrundung ungefähr 92 Minuten (Howell 2018).
Abbildung 3:
Die Module der ISS im Juni 2017 (Bild: NASA).
Satellitenbahnen
Bahnen von künstlichen Erdsatelliten werden im wesentlichen durch drei Größen bestimmt. Das sinddie Höhe über der Erdoberfläche, die Inklination und die Exzentrizität. Die Inklination ist der Winkelder die Bahn gegenüber dem Erdäquator einnimmt. Die Exzentrizität gibt an, wie sehr die Bahn voneinem Kreis abweicht.
Abbildung 4:
Ellipsen mit unterschiedlichen Exzentrizitäten (Bild: NASA/R. Simmon).
Alle Bahnen von Erdsatelliten sind sogenannte Ellipsen, wobei der Kreis ein Spezialfall einer Ellipseist, deren Exzentrizität Null ist (Abb. 4). Die Bahn der ISS hat eine sehr geringe Exzentrizität, d. h.
Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 3 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit sie ist nahezu perfekt kreisförmig. Sehr exzentrische Orbits verwendet man nur für spezielle Anwen-dungen. Bahnen mit großer Exzentrizität findet man jedoch oft bei Kometen. Das sind natürlicheObjekte, die vom Rand des Sonnensystems in die Nähe der Sonne wandern.Die Höhen der Orbits über dem Erdboden teilt man grob in vier Bereiche ein (Tab. 1).
Tabelle 1:
Liste von Orbits nach Höhe über der Erde (Ichoku 2009).
Abkürzung Bezeichnung Übersetzung Höhe (km)LEO Low Earth Orbit Niedriger Erdorbit 180 – 2000MEO Mid Earth Orbit Mittlerer Erdorbit 2000 – 35780GSO Geosynchronous Orbit Erdsynchroner Orbit im Mittel 35786GEO Geostationary Orbit Geostationärer Orbit 35786HEO High Earth Orbit Hoher Erdorbit > Abbildung 5:
Orbit der Internationalen Raumstation über der Erde. Die Höhe des Orbits ist im selben Maßstab wieder Erddurchmesser eingezeichnet (Bild: M. Nielbock/HdA/NASA).
Um zu verstehen, wie die Bahnhöhe der ISS und ihre Bahngeschwindigkeit zusammenhängen, werdeneinige Grundkenntnisse der Mechanik benötigt, die nachfolgend dargestellt werden.
Himmelsmechanik
Die Himmelsmechanik beschreibt die Bewegung von Himmelskörpern – sowohl natürliche als auchkünstliche – durch mathematische und physikalische Gesetze. Sie ist eine Spezialdisziplin der klassi-schen Mechanik. Die Bewegungen von Himmelskörpern entsprechen meistens periodischen Bahnenvon Kreisen oder Ellipsen, manchmal auch Parabeln und Hyperbeln. Die häufig in der Schule genutz-ten kartesischen Koordinaten sind eher für geradlinige Bewegungen geeignet. Bewegungen entlangeiner Kurve können in solch einem System rasch kompliziert werden. Ein Beispiel für geradlinige,gleichförmige Bewegungen wird im nachfolgenden Video gezeigt, in dem die italienische AstronautinSamantha Cristoforetti in der ISS mit einigen Bällen jongliert.How Mass and Gravity Work in Space - Classroom Demonstration (Englisch, Dauer: 9:19 min) https://youtu.be/Vl6Mrhgum2c
Seite 4 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Kreisbewegungen werden in der kartesischen Darstellung wegen den auftretenden, variierenden Win-keln schnell kompliziert. Stattdessen bieten sich ebene oder sphärische Polarkoordinaten an. Hierverwendet man neben Strecken auch Winkel. So durchläuft ein Satellit während eines komplettenUmlaufs einen Winkel von π bzw. ◦ . Das Beispiel in Abb. 6 erläutert, wie ein Punkt sowohl inkartesischen als auch in Polarkoordinaten beschreiben werden kann. Er hat die kartesischen Koor-dinaten x = 4 und y = 3 . Derselbe Punkt lässt sich jedoch dadurch Beschreiben, dass man seinenAbstand vom Koordinatenursprung r sowie den Winkel bezüglich einer Richtung – hier die x-Achse– angibt. Hier wird als Winkel ϕ angegeben. Damit ist derselbe Punkt erneut eindeutig bestimmt. ϕy x
00 1 2 3 4 51234 r Abbildung 6:
Illustration der Beziehung zwischen kartesischen Koordinaten und Polarkoordinaten (Grafik: M. Niel-bock/HdA). Da r das Rechteck, das durch x und y erzeugt wird, in zwei rechtwinklige Dreiecke aufteilt, gilt: yr = sin ϕ (1) xr = cos ϕ (2) yx = tan ϕ (3) r = x + y (4)In diesem Beispiel mit x = 4 und y = 3 finden wir somit: r = p + 3 = √
16 + 9 = √
25 = 5 ϕ = arctan 34 = 0 , , ◦ Rotiert der Punkt in einem Kreis um den Koordinatenursprung, bleibt r konstant, und ϕ definiertdie Position auf der Bahn. Mit kartesischen Koordinaten sind beide Koordinaten variabel und überWinkelfunktionen miteinander verknüpft.Laut erstem newtonschen Axiom behält ein Körper seinen Bewegungszustand ohne äußere Kraftein-wirkung bei, d. h. sowohl seine Geschwindigkeit als auch seine Richtung. Bei einer Kreisbewegung Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 5 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit handelt es sich um einen Vorgang, bei dem ein Objekt durch eine ständig wirkende Kraft von seinergeradlinigen Bewegung auf eine entsprechende Bahn gezwungen wird.Im Falle von Satelliten ist das die Gravitation. Sie wirkt senkrecht zur Bewegungs- bzw. Geschwindig-keitsrichtung. Solch eine Kraft wird Zentripetalkraft genannt. Sie übt eine Zentripetalbeschleunigungauf den Satelliten aus. Dabei wird allerdings nicht der Betrag der Geschwindigkeit verändert, sondernlediglich die Richtung. Da diese Kraft permanent wirkt, ergibt sich eine periodische Kreisbewegung.
Zentripetalbeschleunigung – mit Skalaren
Eine einfache Darstellung für die plausible mathematische Ableitung der Zentripetalbeschleunigungist über die Grundgleichungen der Mechanik sowie ein rechtwinkliges Dreieck möglich (Abb. 7). rϕ v bs ∆r
Abbildung 7:
Einfache Darstellung zur Herleitung der Zentripetalbeschleunigung durch den Vergleich einer geradlinigenBewegung mit einer Kreisbewegung (Grafik: M. Nielbock/HdA).
Ohne äußere Krafteinwirkung bleibt die Bewegung in Richtung von v geradlinig. Daher legt derSatellit die Strecke s = v · ∆t zurück. Wirkt jedoch eine Kraft auf den Satelliten ein, wird v zurBahngeschwindigkeit der resultierenden Kreisbewegung, die senkrecht zur Kraftwirkung verläuft. Dieentsprechende Winkelgeschwindigkeit ist ω . Daher legt der Satellit in diesem Fall die Strecke desKreisbogens b zurück. b = ϕ · r = ω · ∆t · r = ω · r · ∆t = v · ∆t (5)Der Wegunterschied ∆r zwischen s und b wird durch die zusätzliche Beschleunigung a hervorgerufen.Der Betrag der Geschwindigkeit ändert sich dadurch nicht. Somit kann man für ∆r schreiben: ∆r = 12 a · ∆t (6)Damit bekommt man ein rechtwinkliges Dreieck mit den folgenden Seitenlängen: r (7) s = v · ∆t (8) r + ∆r = r + 12 a · ∆t (9) Seite 6 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Hinweis! Dies ist nur eine Näherung, denn tatsächlich sind s = r · tan ϕ und b = r · ϕ nicht gleichlang. Da am Ende jedoch ϕ → angenommen wird, ist die Differenz zwischen s und b beliebig kleinund geht für den Grenzübergang gegen Null. Daraus folgt mit dem Satz von Pythagoras: r + ( v · ∆t ) = (cid:18) r + 12 a · ∆t (cid:19) (10) ⇔ r + v · ∆t = r + 2 · r · a · ∆t + (cid:18) a · ∆t (cid:19) (11) ⇔ v · ∆t = r · a · ∆t + 14 a · ∆t (12) ⇔ v = r · a + 14 a · ∆t (13)Nun soll aber nicht v für ein beliebiges ϕ sondern am Startpunkt der Bewegung ermittelt werden. Dasheißt, ϕ wird sehr klein. Man kann hier auch argumentieren, dass die Wirkdauer der Beschleunigungsehr kurz gewählt werden muss, weil man sonst über eine zu große Zeitdauer mittelt. Somit wirdauch ∆t klein. Für ∆t → verschwindet der hintere Term. Es bleibt die Zentripetalbeschleunigung: v = r · a (14) ⇔ a = v r = ω · r (15) Zentripetalbeschleunigung – mit Vektoren (für Fortgeschrittene)
Will man dies auf etwas höherem Niveau herleiten, benötigt man Vektoren und hier insbesonderedie Darstellung durch Einheitsvektoren. Bei der Transformation einer allgemeinen Bewegung vonkartesischen in Polarkoordinaten tauchen neue Terme auf, die die Kreisbewegungen von Orbitsanschaulich beschreiben. Zentralkräfte wie die durch die Gravitation hervorgerufene Zentripetalkraftwerden offensichtlich. Solche Zentralkräfte sind es, die gemäß dem Newtonschen Prinzip
Actio =Reactio eine sich gleichförmig bewegende Masse von ihrer geraden Bahn ablenken. Die Masse wirdständig in Richtung des Kraftzentrums beschleunigt und auf eine Kreisbahn gezwungen.Abbildung 8 zeigt die Bewegung eines Massenpunkts m , wobei er mit der Bahngeschwindigkeit ~v t um eine Achse dreht, die über die Winkelgeschwindigkeit ~ω definiert ist. Um nun die Bewegungvon m zu beschreiben, bieten sich anstatt den kartesischen Koordinaten Polarkoordinaten an. DasKoordinatensystem hat in dieser Darstellung seinen Ursprung am Anfang des Ortsvektors ~r , der vomZentrum der Drehbewegung ausgeht. Neben dem Abstand | ~r | des Massenpunkts m vom Koordina-tenursprung hat dieses Koordinatensystem die Koordinate ϕ . Will man nun in diesen Koordinatendie Geschwindigkeit von m errechnen, muss man den Ortsvektor nach der Zeit ableiten. ~v = ˙ ~r = dd t ~r = dd t ( r · ~e r ) (16)Hier ist ~e r der Einheitsvektor in r -Richtung. Mit der Produktregel folgt: ~v = ˙ r · ~e r + r · ˙ ~e r (17) = v r · ~e r + r · ˙ ~e r (18) Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 7 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit ~v t ~r~ω mϕ Abbildung 8:
Vektordarstellung der Rotation eines Massenpunkts m in einem Inertialsystem mit dem Ortsvektor ~r ,dem Geschwindigkeitsvektor der Rotation ~v t und dem Vektor der Rotation ~ω (Grafik: M. Nielbock/HdA). Somit sieht man, dass die Geschwindigkeit von m in zwei Komponenten zerfällt. Die erste istdie Radialkomponente, die eine Geschwindigkeit in Richtung des Ortsvektors darstellt. Die wirdbei reinen Rotationsbewegungen jedoch vernachlässigt. Hinzu kommt eine Komponente mit einerzeitlichen Ableitung von ~e r . Um zu verstehen, was diese zeitliche Ableitung bedeutet, betrachte manAbb. 8. Bei einer Rotation mit ~ω bewegt sich m in der Rotationsebene auf einem Kreis.Die einzige Änderung, die ~e r vollziehen kann, ist seine Richtung. Der Betrag eines Einheitsvektorskann sich nicht ändern. Aber er kann sich drehen. Die Differenz der Richtungen von ~e r zwischenzwei Zeitpunkten kann man wiederum durch einen Vektor ~∆e r darstellen (Abb. 9) mit: ~∆e r = ~e r ( t + ∆t ) − ~e r ( t ) (19) ~∆e r ~e r ( t ) ∆ϕ~e r ( t + ∆t ) Abbildung 9:
Drehung des Einheitsvektors ~e r um ~∆e r innerhalb von ∆t in Richtung des Einheitsvektors ~e ϕ (Grafik:M. Nielbock/HdA).Seite 8 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst In Kooperation mit
In guter Näherung kann man für kleine Änderungen von ∆t bzw. ∆ϕ die Beziehungen zwischendiesen Vektoren wie in Abb. 9 als rechtwinkliges Dreieck darstellen. Da ~∆e r in einem rechten Winkelzu ~e r steht, verläuft er in Richtung des Einheitsvektors der ϕ -Koordinate, also ~e ϕ . Somit kann manansetzen: ~∆e r = α · ~e ϕ (20)Den Betrag α von ~∆e r erhält man durch die Beziehungen in einem rechtwinkligen Dreieck. | ~∆e r || ~e r | = tan ( ∆ϕ ) (21) ⇔ α · | ~e ϕ || ~e r | = tan ( ∆ϕ ) (22) ⇔ α = tan ( ∆ϕ ) (23)Damit lässt sich die Frage beantworten, was der Betrag der zeitlichen Änderung des Einheitsvektorsin r -Richtung ist. | ˙ ~e r | = ~∆e r ∆t (cid:12)(cid:12)(cid:12)(cid:12)(cid:12) ∆t → = tan ( ∆ϕ ) ∆t (cid:12)(cid:12)(cid:12)(cid:12) ∆t → (24)Für kleine ∆ϕ gilt tan ( ∆ϕ ) = ∆ϕ . Somit folgt: | ˙ ~e r | = tan ( ∆ϕ ) ∆t (cid:12)(cid:12)(cid:12)(cid:12) ∆t → = ∆ϕ∆t (cid:12)(cid:12)(cid:12)(cid:12) ∆t → = ˙ ϕ (25)Dadurch erhält man mit Gl. 18: ~v = v r · ~e r + r · ˙ ϕ · ~e ϕ (26) = v r · ~e r + r · ω · ~e ϕ (27)Das ist das erwartete Ergebnis, denn r · ω ist nichts anderes als der Betrag der Tangentialgeschwin-digkeit ~v t , also | ~v t | = v t . In anderen Worten: Bei einer Drehbewegung dreht sich der Massenpunkt m mit einer Bahn- bzw. Tangentialgeschwindigkeit ~v t um den Kreismittelpunkt. Dabei ist der Betragdieser Geschwindigkeit das Produkt aus der Winkelgeschwindigkeit ω und dem Kreisradius r .Als nächstes wird nun die Beschleunigung in Polarkoordinaten berechnet. ¨ ~r = ˙ ~v = dd t ( ˙ r · ~e r ) + dd t ( r · ˙ ϕ · ~e ϕ ) (28) = ¨ r · ~e r + ˙ r · ˙ ~e r + ˙ r · ˙ ϕ · ~e ϕ + r · (cid:0) ¨ ϕ · ~e ϕ + ˙ ϕ · ˙ ~e ϕ (cid:1) (29) = ¨ r · ~e r + ˙ r · ˙ ϕ · ~e ϕ + ˙ r · ˙ ϕ · ~e ϕ + r · ¨ ϕ · ~e ϕ + r · ˙ ϕ · ˙ ~e ϕ (30) = ¨ r · ~e r + (2 · ˙ r · ˙ ϕ + r · ¨ ϕ ) · ~e ϕ + r · ˙ ϕ · ˙ ~e ϕ (31)Es ergeben sich also Terme, die sowohl in radialer als auch in tangentialer Richtung wirken. Es bleibtnun noch, ˙ ~e ϕ zu ermitteln. Der Ansatz für die Lösung besteht darin, dass aus Abb. 9 ersichtlichist, dass ∆~e r und damit ~e ϕ stets senkrecht auf ~e r steht. ~e ϕ vollzieht also die Drehung von ~e r um ∆ϕ mit. Daher befindet sich auch ˙ ~e ϕ bzw. ~∆e ϕ senkrecht auf ˙ ~e r , also senkrecht auf ~e ϕ und somitparallel zu − ~e r (Abb. 10). Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 9 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit ~e ϕ ( t ) ~e r ( t ) ∆ϕ~∆e ϕ ~e r ( t + ∆t ) ~e ϕ ( t + ∆t ) Abbildung 10:
Drehung des Einheitsvektors ~e ϕ um ~∆e ϕ in Richtung des Einheitsvektors − ~e r (Grafik: M. Niel-bock/HdA). In Anlehnung an Gl. 20 kann man schreiben: ~∆e ϕ = β · ( − ~e r ) (32)Hier gilt wegen der gleichförmigen Drehung: β = α = ∆ϕ (33)Daraus folgt: ˙ ~e ϕ = ~∆e ϕ ∆t = − ∆ϕ · ~e r ∆t = − ˙ ϕ · ~e r (34)Eingesetzt in Gl. 31 erhält man: ¨ ~r = ¨ r · ~e r + (2 · ˙ r · ˙ ϕ + r · ¨ ϕ ) · ~e ϕ − r · ˙ ϕ · ˙ ~e r (35) = (cid:0) ¨ r − r · ˙ ϕ (cid:1) · ~e r + (2 · ˙ r · ˙ ϕ + r · ¨ ϕ ) · ~e ϕ (36) Tabelle 2:
Beschleunigungsterme, die bei allgemeinen Bewegungen ausgedrückt in Polarkoordinaten auftreten können.
Term mathematischer Ausdruck RichtungRadialbeschleunigung ¨ r positive r -RichtungZentripetalbeschleunigung r · ˙ ϕ negative r -RichtungCoriolisbeschleunigung · ˙ r · ˙ ϕ positive ϕ -Richtung (tangential)Eulerbeschleunigung r · ¨ ϕ positive ϕ -Richtung (tangential)Somit spaltet sich die Gesamtbeschleunigung ausgedrückt in Polarkoordinaten in Terme auf, wiesie in Tab. 2 dargestellt sind. Die gesuchte Zentripetalbeschleunigung weist also zum Zentrum derKreisbewegung. Es gilt dieselbe Beziehung wie in Gl. 15. Damit wird der Bahnradius festgelegt,der sich mit der Bahngeschwindigkeit eines Objekts einstellt. Da die Zentripetalbeschleunigung von Seite 10 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Satelliten durch die Gravitationsbeschleunigung hervorgerufen wird, lässt sich für jedes v t bzw. ω ein dazu assoziierter Bahnradius berechnen. Umgekehrt folgt aus einer vorgegebenen Bahnhöheeines Satelliten die Bahngeschwindigkeit, die erreicht werden muss, um eine konstante Kreisbahn zuerreichen und einzuhalten. Analogie: Kanonenkugel
Eine Satellitenbahn ist tatsächlich ein Spezialfall eines Wurfs parallel zur Erdoberfläche. Wenn manvon einem hohen Berg eine Kanone abfeuert, hängt die erreichte Weite von der Geschwindigkeitab, auf die man die Kugel horizontal – also parallel zur Erdoberfläche – beschleunigt. Am Endewird sie aber unweigerlich zu Boden fallen. Ist die Geschwindigkeit jedoch groß genug, reicht dieErdbeschleunigung nicht mehr aus, um die Kugel auf eine ausreichend große Geschwindigkeit zumErdboden hin abzulenken. Die Kugel fällt somit ständig um die Erde herum (Bahnen C und D inAbb. 11).
BCD EA
Abbildung 11:
Ein Gedankenexperiment mit einer horizontal abgeschossenen Kanonenkugel, die bei genügend großerAnfangsgeschwindigkeit um die Erde kreist (Bild: Brian Brondel ( https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Newton_Cannon.svg ), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode ). Zentrifugalkraft
Dies waren Betrachtungen, die sich auf einen äußeren Beobachter eines sich bewegenden Objektsbeziehen. Begibt man sich in das System des bewegten Objekts, so nimmt man die eigene Bewegungnicht wahr. Ohne äußere Referenzpunkte lässt sich nicht beurteilen, ob man sich bewegt oder nicht.Und selbst mit solchen Punkten lässt sich nicht ohne weiteres sagen, ob sich die Punkte bewegenoder man sich selbst bewegt. Allerdings treten innerhalb eines beschleunigten Bezugssystems Kräfteauf, die scheinbar keine erkennbare Ursache haben. Diese werden offenbar, wenn man das beschleu-nigte System von Außen betrachtet. Von dort sind diese sogenannten Scheinkräfte ein Resultat derMassenträgheit des beschleunigten Objekts.Ein mitbewegter Beobachter erfährt eine Beschleunigung, die ihn radial nach außen drängt. Tatsäch-lich liegt aber eine Beschleunigung hin zum Zentrum der Kreisbewegung vor, die Zentripetalbeschleu-
Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 11 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit nigung. Vom Betrag sind Zentripetal- und Zentrifugalbeschleunigung identisch. Sie wirken jedochin entgegengesetzte Richtungen. Auf eine mathematische Herleitung der Zentrifugalbeschleunigungwird hier verzichtet. Nach der Transformation der Koordinaten von einem äußeren, feststehendenKoordinatensystem in des beschleunigte Referenzsystem sind die mathematischen Berechnungensehr ähnlich wie bei der Ableitung der Zentripetalkraft. Eine ausführliche Herleitung findet manbeispielsweise in dem folgenden Video.Scheinkräfte/Corioliskraft/Zentrifugalkraft/Beschleunigendes Bezugssystem (Dauer: 24:14 min) https://youtu.be/1kpea6vhy2g
Aus dem beschleunigten, d. h. rotierenden Bezugssystem heraus lässt sich ebenfalls eine Beziehungzur anziehenden Gravitation herstellen. Das Argument lautet demnach, dass die Zentrifugalkraft füreine bestimmte Bahngeschwindigkeit in einem zu berechnenden Abstand vom Gravitationszentrumdie wirkende Schwerkraft kompensiert. Es stellt sich ein Kräftegleichgewicht bzw. Schwerelosigkeitein. Es gilt daher: ~F zf = − ~F g (37) ⇒ (cid:12)(cid:12)(cid:12) ~F zf (cid:12)(cid:12)(cid:12) = (cid:12)(cid:12)(cid:12) − ~F g (cid:12)(cid:12)(cid:12) (38) ⇔ F zf = F g (39) Bahnhöhe und Bahngeschwindigkeit von künstlichen Satelliten
Da die Zentrifugalkraft und die Zentripetalkraft vom Betrag gleich sind, ist die Berechnung des Ver-hältnisses von Bahngeschwindigkeit, Bahnhöhe und gravitierender Zentralmasse äquivalent, obwohlder argumentative Ansatz jeweils ein anderer ist. Man erhält also: F g = F z (40) ⇔ G · M · mr = m · v r (41) ⇔ G · Mr = v (42) ⇒ v = r G · Mr (43)Für diese Beziehung gilt die Identität der Zentripetalkraft mit der Erdgravitation für einen Mas-sepunkt m , der sich im freien Fall befindet. Äquivalent heben sich die Gravitationskraft und dieZentrifugalkraft gegenseitig auf. Allerdings wirkt die Gravitationskraft weiter. Das folgende Videothematisiert dies ebenfalls:Die drei kosmischen Geschwindigkeiten – Astrophysik (Dauer: 7:44 min) https://youtu.be/-2o8_JvniDM Gleichung 43 lässt sich nun beliebig für verschiedene Satelliten anwenden, um ihre Bahnparameterauf ihrem Orbit um die Erde zu bestimmen.
Seite 12 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Zusätzliche Einflüsse auf die Bahn der ISS
Die bisherigen Betrachtungen gehen von idealen Voraussetzungen aus. In Wirklichkeit ist die Physikder Satellitenbahnen viel komplexer.Das Schwerefeld der Erde ist nicht homogen. Das bedeutet, dass die Gravitation entlang einer Bahngleichbleibender Höhe leicht schwankt. Das wirkt sich auf den realen Orbit der ISS aus. So sindweder die Bahnhöhe noch die Geschwindigkeit exakt konstant.Weiterhin befinden sich in 400 km Höhe über der Erde noch einige Luftteilchen der Atmosphäre.Durch die Reibung bremsen sie die ISS und andere Satelliten. Daher nimmt die Geschwindigkeitder ISS mit der Zeit langsam ab und die Raumstation sinkt langsam. Deswegen nutzt man dieTriebwerke der angedockten Raumschiffe regelmäßig, um die Bahngeschwindigkeit und die Bahnhöhezu korrigieren.
Sonderfall geostationäre Bahn
Eine Reihe von Satelliten erfüllen Aufgaben, bei denen es notwendig ist, dass sie von einem gegebenenOrt auf der Erde stets sichtbar sind. So scheinen viele Telekommunikationssatelliten am Himmelstill zu stehen. Nur so kann eine starre Ausrichtung beispielsweise auf Fernsehsatelliten gewährleistetwerden. Solche Satelliten werden auch für die Kommunikation zwischen der ISS und der Erde benutzt(Campbell 2015).
Abbildung 12:
Der Wettersatellit MSG-1 bei der Integration in die Trägerrakete (Bild: ESA/CNES-Service OptiqueCSG).
Aber auch Wettersatelliten (Abb. 12), die stets dieselbe Region auf der Erde überwachen, befindensich relativ zur Erdoberfläche immer an derselben Position (DWD 2018). Die Bahn solcher Satellitenwird geostationärer Orbit genannt (Abb. 13).Charakteristisch daran ist, dass die Umlaufperiode der Satelliten derjenigen der Rotation der Erdegleicht. Die Rotationsperiode der Erde beträgt 23 Stunden 56 Minuten und 4,099 Sekunden undwird siderischer Tag genannt. Er unterscheidet sich vom bürgerlichen Tag, der sich an der Positionder Sonne am Himmel orientiert. Da die Erde während eines Jahres um die Sonne umläuft, ist eretwas länger.
Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 13 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Äquator geostationäre Bahn ω Satellit
Abbildung 13:
Position eines geostationären Satelliten über dem Erdäquator (nicht maßstäblich, Bild: M. Niel-bock/HdA; ESA/ATG medialab).
Mit Gl. 43 und den Beziehungen ω = 2 · πT (44) v = ω · r = 2 · π · rT (45)kann man den Bahnradius r ermitteln, der sich aus der Rotationsperiode T der Erde ergibt. DieBahnhöhe h folgt aus der Differenz zwischen dem Bahnradius r und dem äquatorialen Erdradius r E = 6378 km. Man erhält: h = r − r E = r G · M E · T · π − r E = 35786 km (46) Seite 14 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Aktivität:
Vorbereitung für Lehrpersonen
Wägen Sie den Schwierigkeitsgrad der Erläuterung der Zentripetalkraft bzw. der Zentrifugalkraftgemäß der Gruppe aus Schülerinnen und Schülern her. Leiten Sie daran angepasst diese Kräftezusammen mit den Schülerinnen und Schülern ab. Die Motivation kann verbessert werden, indemSie bereits am Anfang darauf hinweisen, dass Sie Kreisbewegungen wie die der Raumstation im Detailerfassen und mathematisch analysieren wollen. Daraus wird schnell ersichtlich, dass Bewegungen inkartesischen Koordinaten wenig sinnvoll sind, da sie eher an geradlinige Bewegungen angepasst sind.Kreisbewegungen haben dagegen ein Symmetriezentrum, das als Koordinatenursprung dient.Stellen Sie entsprechende Arbeitsblätter und die in den Aufgaben vorgeschlagenen Videos bereit.Falls Sie sie projizieren möchten, benötigen Sie zumindest einen Computer mit Internetzugang undeinen Bildschirm bzw. einen Projektor mit Leinwand.
Thematische Einführung (Vorschlag)
Für eine atmosphärische und thematische Einführung bieten sich stimmungsvolle Videos wie dasfolgende an, welches einen Blick von der Internationalen Raumstation auf die Erde wirft.4K Video from the ISS, April 2016 (Dauer: 1:06 min und 1:37 min) https://svs.gsfc.nasa.gov/30771
Beim Schauen dieses Videos werden einige Fragen aufgeworfen. Aus welchem Grund fliegt die ISSum die Erde? Warum bleibt sie nicht einfach immer am selben Punkt über der Erde stehen? So wäresie doch einfacher zu erreichen. Was könnte der Grund für die Geschwindigkeit sein, die die ISS zueinem bestimmten Augenblick besitzt? Wovon hängt die Wahl der Geschwindigkeit ab? Stellen Siediese Fragen zur Diskussion.Geben Sie zu bedenken, was mit einem Stein passiert, den man senkrecht in die Luft wirft. Ver-gleichen Sie diesen Vorgang mit dem waagerechten Wurf, wie er in den Hintergrundinformationenbeschrieben wird. Als Erklärungsansatz können auch – mit leichten Abstrichen – folgende Videosdienen.How Mass and Gravity Work in Space - Classroom Demonstration (Englisch, Dauer: 9:19 min) https://youtu.be/Vl6Mrhgum2c
Kreisbewegung - Warum fallen Satelliten nicht zurück auf die Erde? (Dauer: 5:33 min) https://youtu.be/yOZnTmFWwJE
Aufgaben
Die Aufgaben umfassen folgende Themen: • Geschwindigkeit der ISS • Umlaufdauer der ISS • Fragen zum Verständnis von Satellitenbahnen • geostationäre Bahn Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 15 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Tabelle 3:
Wichtige physikalische Größen und ihre Werte.
Größe Formelzeichen Zahlenwert und EinheitGravitationskonstante G , · − m kg · s Erdmasse M E , · kg Mittlerer Erdradius r E , · m Äquatorialer Erdradius r E , · m Bürgerlicher Tag T b s Siderischer Tag T s , s Für die Bearbeitung der Aufgaben sind die Angaben in Tab. 3 hilfreich. Der siderische Tag orientiertsich am scheinbaren Lauf der Sterne (lat. sidus) am Himmel. Die tatsächliche Position der Erderelativ zu den Sternen verändert sich dabei praktisch nicht. Daher entspricht der siderische Tagder Rotationsperiode der Erde. Der bürgerliche Tag orientiert sich am täglichen Sonnenlauf. Imzeitlichen Mittel erscheint die Sonne alle 24 Stunden wieder in derselben Richtung am Himmel. Weildie Erde neben ihrer Rotation zudem während eines Jahres ein Mal um die Sonne läuft, verschiebtsich die scheinbare Position der Sonne gegenüber den Sternen langsam. Die Erde muss daher nochein wenig weiter rotieren, damit die Sonne wieder in derselben Richtung wie am Vortag erscheint.Daher ist der siderische Tag etwas kürzer als der bürgerliche Tag.
1. Die Bahn der ISS
Die Erde zieht alle Objekte durch ihre Gravitation an. Das gilt auch für die ISS. Wirft man einenStein hoch, fällt er herunter. Ebenso fallen Gegenstände aus großen Höhen zu Boden. Diskutieremit deinen Mitschülerinnen und Mitschülern, warum das mit der ISS nicht geschieht, obwohl siedoch von der Erde angezogen wird.
2. Wie hoch ist die Geschwindigkeit der ISS?
Die ISS umrundet die Erde auf einer Kreisbahn. Auf sie wirken verschiedene Kräfte ein. Dies sindinsbesondere die Gravitationskraft F g und die Zentripetalkraft F z . F g = G · M · mr (47) F z = m · v r (48)Trage die auf die ISS wirkenden Kräfte in Abb. 14 ein.Betrachte die Kräfteverhältnisse, die die ISS auf einer stabilen Bahn halten. Zeige, dass mit Gl. 40hieraus eine Bestimmungsgleichung für die Kreisbahngeschwindigkeit folgt. v = r G · Mr (49)Berechne hieraus die Bahngeschwindigkeit der ISS unter der Annahme, dass sie sich 400 km über derErdoberfläche befindet. Beachte, dass sich Gl. 49 auf den Bahnradius bezüglich des Erdmittelpunktsbezieht. Bedenke, dass in den Gleichungen die Strecken in Metern angegeben werden müssen.Recherchiere, z. B. auf , wie gut dieser Wert mit den veröffentlichtenDaten übereinstimmt. Seite 16 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit v rM E Abbildung 14:
Modell des Orbits der ISS.
3. Wie lange braucht die ISS für eine Erdumkreisung?
Zwischen der Bahngeschwindigkeit v , und dem Bahnradius r gilt folgende Relation. v = 2 · π · rT (50)Benutze Gl. 50, um zu berechnen, wie lange die ISS für eine Umrundung der Erde benötigt. Nimmerneut eine Bahnhöhe von 400 km an. Wie viele Umrundungen schafft die ISS am Tag?
4. Geostationäre Satelliten (Bonusaufgabe für Fortgeschrittene)
Wir haben gesehen, dass die ISS, wie viele andere Erdsatelliten, die Erde mit hoher Geschwindigkeitmehrmals am Tag umrundet. Eine besondere Gruppe von Satelliten umkreist die Erde über demÄquator genau synchron mit der Erddrehung. Dieses sind die geostationären Satelliten. Geostationärbedeutet, dass diese Satelliten relativ zu einem Beobachter auf der Erde am Himmel still zu stehenscheinen.
Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 17 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Recherchiere einige geostationäre Satelliten und beschreibe ihre Funktion.Die Beziehung zwischen Umlaufzeit und Erdrotation stellt sich für einen bestimmten Bahnradius ein.Berechne den Radius, die Höhe der Bahn sowie die Geschwindigkeit von geostationären Satelliten.Beachte, dass die Rotationsdauer der Erde etwas kürzer als ein gewöhnlicher Tag ist und siderischerTag genannt wird. Verwende dazu die Gleichungen 49 und 50, um zunächst den Bahnradius zubestimmen.
5. Natürliche Satelliten (Bonusaufgabe für Fortgeschrittene)
Auch natürliche Satelliten wie der Erdmond gehorchen denselben Gesetzmäßigkeiten. Berechne mitder Lösung aus Aufgabe 4 die Entfernung des Mondes von der Erde. Der Mond benötigt für einenUmlauf um die Erde die Zeit (d: bürgerliche Tage): T M = 27 , d (51) Seite 18 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Lösungen:
1. Die Bahn der ISS
Wie auch schon zuvor kann man dieses Phänomen mit dem freien Fall um die Erde als auch mitdem Gleichgewicht zwischen Gravitationskraft und Zentrifugalkraft erklären. In beiden Erklärungenist die Geschwindigkeit der ISS die Ursache.
2. Wie hoch ist die Geschwindigkeit der ISS?
Die Herleitung entspricht der von Gl. 43. Daraus folgt: v = r G · Mr = s G · M E r E + h = s , · − m kg · s · , · kg km + 400 km = 7672 , ms = 7 , kms = 27621 kmh
3. Wie lange braucht die ISS für eine Erdumkreisung?
Mit Gl. 45 kann man eine Beziehung zwischen der Bahngeschwindigkeit v und der Umlaufperiode T herstellen. Daraus folgt: v = 2 · π · rT = r G · M E r (52) ⇔ T = 4 · π · r G · M E (53) ⇒ T = 2 · π · s r G · M E (54)Hinweis! Gl. 53 entspricht dem 3. Keplerschen Gesetz. ⇒ T = 2 · π · s ( r E + h ) G · M E = 2 · π · vuut (6371 km + 400 km ) , · − m kg · s · , · kg = 5544 , s = 92 , min
4. Geostationäre Satelliten
Typische Funktionen von geostationären Satelliten sind die Erdbeobachtung und die Fernerkundungsowie die Analyse des Wetters. Weitere Anwendungsgebiete sind Kommunikation und Fernsehen.
Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 19 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Die Höhe der Bahn wird in Gl. 46 hergeleitet. Die Geschwindigkeit von geostationären Satellitenlässt sich durch die Beziehung aus Gl. 45 ermitteln. v = 2 · π · rT s = 2 · π · ( r E + h ) T s = 2 · π · (6378 km + 35786 km )86164 , s = 3 , kms
6. Natürliche Satelliten
Mit Gl. 53 und durch Einsetzen der Zahlenwerte erhält man: r = r G · M E · T · π = 383180 km Seite 20 Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Literatur
Campbell, Ashley (2015).
SCaN Homepage . NASA. URL: (besucht am 17. 09. 2018).DWD (2018).
Wetter und Klima - Deutscher Wetterdienst - Geostationäre Satelliten . DWD -Deutscher Wetterdienst. URL: (besucht am 17. 09. 2018).ESA (2013).
International Space Station legal framework . European Space Agency. URL: (besucht am 16. 07. 2018).– (2014).
ISS: International Space Station . European Space Agency. URL: (besucht am 13. 07. 2018).Garcia, Mark (2018a).
20 Years Ago: Space Station Partners Sign Intergovernmental Agreement .NASA. URL: (besucht am 16. 07. 2018).– (2018b).
International Space Station Facts and Figures . NASA. URL: (besucht am 13. 07. 2018).Howell, Elizabeth (2018).
International Space Station: Facts, History & Tracking . Space.com.URL: (besuchtam 13. 07. 2018).Ichoku, Charles (2009).
Catalog of Earth Satellite Orbits . NASA Earth Observatory. Unter Mitarb.von Paul Przyborski. URL: https://earthobservatory.nasa.gov/Features/OrbitsCatalog (besucht am 04. 09. 2018).Loff, Sarah (2015).
Dec. 6, 1998, International Space Station Assembly Begins . NASA. URL: (besucht am 18. 07. 2018).Sputnik (2016).
ISS’ Life Span Could Extend Into 2028 - Space Corporation Energia Director . URL: https : / / sputniknews . com / russia / 201611151047447591 - russia - iss - rsc - lifespan/ (besucht am 12. 07. 2018).Ulmer, Kenneth (2015).
NASA, Boeing Extend International Space Station Contract . MediaRoom.URL: http://boeing.mediaroom.com/2015-09-29-NASA-Boeing-Extend-International-Space-Station-Contract (besucht am 12. 07. 2018).Zak, Anatoly (2017).
After a Decade of Delays, Russia’s ISS Module Faces Even More Problems .Popular Mechanics. URL: (besucht am 11. 07. 2018).
Handreichung: Die Bahnen der ISS und anderer Satelliten Seite 21 nterrichtsmaterialien zurISS-Horizons-Mission von Alexander Gerst
In Kooperation mit
Danksagung
Der Autor bedankt sich bei den Lehrern Matthias Penselin, Florian Seitz und Martin Wetz für ihrewertvollen Hinweise, Kommentare und Änderungsvorschläge, die in die Erstellung dieses Materialseingeflossen sind. Weiterer Dank gilt Herrn Dr. Volker Kratzenberg-Annies für seine gewissenhafteDurchsicht.Diese Unterrichtsmaterialien sind im Rahmen des Projekts
Raum für Bildung