Das Kleinhirn ist eine der wichtigsten Strukturen im Hinterhirn von Wirbeltieren. Obwohl es normalerweise kleiner als das Großhirn ist, kann es bei manchen Tieren, wie zum Beispiel Welsen, mit dem Großhirn vergleichbar oder größer sein. Beim Menschen spielt das Kleinhirn eine wichtige Rolle bei der motorischen Kontrolle und den kognitiven Funktionen, insbesondere bei Aufmerksamkeit, Sprache und Emotionsregulation. Am besten bekannt ist jedoch seine Rolle bei bewegungsbezogenen Funktionen.
Das Kleinhirn leitet Bewegungen nicht direkt ein, sondern hilft eher bei der Koordination, Präzision und dem richtigen Timing. Das Kleinhirn empfängt Informationen von sensorischen Systemen im Rückenmark und anderen Teilen des Gehirns und integriert diese Informationen, um die motorische Aktivität zu optimieren. Eine Schädigung des Kleinhirns kann zu Problemen bei Feinbewegungen, dem Gleichgewicht, der Körperhaltung und dem motorischen Lernen führen. Anatomisch gesehen ist das Kleinhirn eine unabhängige Struktur, die sich unterhalb der Großhirnhemisphären befindet und durch eine harte Schicht aus harter Hirnhaut (Dura mater) vom darüber liegenden Großhirn getrennt ist.
„Die Rindenoberfläche des Kleinhirns ist mit präzise angeordneten parallelen Rillen bedeckt, im scharfen Kontrast zu den ausgedehnten unregelmäßigen Falten der Großhirnrinde.“
Die Kleinhirnrinde ist eigentlich eine dünne, durchgehende Gewebeschicht, die eng wie ein Akkordeon gefaltet ist. Diese dünne Schicht der Hirnrinde beherbergt mehrere Arten von Neuronen, von denen die Purkinje-Zellen und die Körnerzellen die wichtigsten sind. Diese komplexe neuronale Organisation verleiht dem Kleinhirn eine enorme Signalverarbeitungskapazität, aber nahezu die gesamte Ausgabe der Kleinhirnrinde wird über eine Reihe kleiner tiefer Kerne weitergeleitet, die in die weiße Substanz eingebettet sind. Neben seiner direkten Rolle bei der motorischen Kontrolle ist das Kleinhirn auch für verschiedene Arten des motorischen Lernens erforderlich, insbesondere für das Erlernen der Anpassung an Veränderungen im Verhältnis zwischen sensorischen und motorischen Bewegungen. Zur Erklärung der Rolle der synaptischen Plastizität im Kleinhirn für die sensorische und motorische Ausrichtung wurden mehrere theoretische Modelle vorgeschlagen, darunter eines, das von David Marr und James Albus entwickelt wurde. Ihre Beobachtungen ergaben, dass jede Purkinjezelle zwei unterschiedliche Eingaben erhält: Tausende schwache Eingaben von parallelen Fasern von Körnerzellen und eine sehr starke Eingabe von einer einzelnen Kletterfaser.
Purkinjezellen sind einer von zwei Zelltypen, die in der Schaltungstechnik des Kleinhirns eine dominierende Rolle spielen. Ihre Besonderheit liegt in ihrer flachen dendritischen Baumstruktur. Die Dendriten der Purkinje-Zellen breiten sich in einer Ebene senkrecht zur Kleinhirnfalte aus und bilden ein dichtes planares Netzwerk. Jeder Dendrit verfügt über eine große Anzahl dendritischer Stacheln, die synaptische Eingaben von parallelen Fasern empfangen können. Schätzungen zufolge kann eine einzelne Purkinjezelle über bis zu 200.000 dendritische Stacheln verfügen, was sie zur Zelle mit dem größten synaptischen Input im Gehirn macht.
„Die riesigen kugelförmigen Zellkörper der Purkinje-Zellen sind dicht gepackt in einer dünnen Schicht der Kleinhirnrinde und bilden das Zentrum der Kleinhirnschaltkreise.“
Ein weiterer wichtiger Zelltyp, die Körnerzelle, ist das kleinste und am häufigsten vorkommende Neuron im Gehirn. Beim Menschen schätzt man die Gesamtzahl der Körnerzellen auf etwa 50 Milliarden, was bedeutet, dass etwa drei Viertel aller Neuronen Körnerzellen sind. Die Zellkörper der Körnerzellen sind in der dicken Basalschicht der Kleinhirnrinde dicht zusammengepackt. Jede Körnerzelle sendet nur vier bis fünf Dendriten aus, deren Enden dendritische Krallen genannt werden und die von Kletterfasern erregende Impulse erhalten. und hemmende Eingabe von Golgi-Zellen. Die dünnen, nicht myelinierten Axone der Körnerzellen erstrecken sich nach oben bis zur Molekularschicht der Rinde, wo sie sich in zwei Äste aufteilen und parallele Fasern bilden. Diese Körnerzellen verfügen nicht nur über bahnbrechende Fähigkeiten zur Signalverarbeitung der grundlegenden neuronalen Schaltkreise des Kleinhirns, sie könnten auch eine wesentliche Rolle bei der Kodierung verschiedener Modalitäten sensorischer Eingaben spielen. Die Funktionsweise der Körnerzellen ist noch nicht vollständig verstanden, doch sie spielen eine entscheidende Rolle bei Lern- und Anpassungsprozessen des Kleinhirns. Auch im Aufbau des Kleinhirns sind Kletterfasern und Moosfasern für die Übertragungsweise der Putinzellen von entscheidender Bedeutung. Die Eingaben dieser Fasern werden zur Regulierung motorischer Reaktionen integriert und von den tiefen Kleinhirnkernen weiterverarbeitet. Daher ist die Untersuchung der Purkinje-Zellen nicht nur eine Erforschung der Funktionsweise des Kleinhirns, sondern auch ein wichtiges Fenster zum Verständnis der Zusammenarbeit des gesamten Nervensystems.
Aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften nehmen die Purkinje-Zellen zweifellos eine Schlüsselposition in der Kleinhirnfunktion ein. Die Funktion dieser Zellen bei der Regulierung subtiler motorischer Zustände und bei Lernprozessen ist bis heute eines der wichtigsten Themen der neurowissenschaftlichen Forschung. Wenn wir die Funktionsweise dieser Neuronen besser verstehen, können wir uns möglicherweise auch ein besseres Bild von der Funktionsweise des Gehirns machen. Welche neuen Ideen werden sich daraus für künftige Forschungen in der Neurowissenschaft ergeben?