Im Laufe der russischen Geschichte haben sich die religiösen Ansichten der Bauern dramatisch verändert. Diese Veränderungen spiegeln nicht nur den Wandel der Religion wider, sondern demonstrieren auch den kulturellen und ideologischen Fortschritt der russischen Gesellschaft. Als das Christentum in Russland eingeführt wurde, war es von tief verwurzelten heidnischen Glaubensvorstellungen begleitet. Alle diese Phänomene veranschaulichen einen kulturellen Zustand, der als „doppelter Glaube“ (dvoeverie) bezeichnet wird.
Mit Dualismus ist der Konflikt zwischen zwei Religionssystemen gemeint: Heidentum und Christentum.
Mit der Einführung des Christentums wurden auch viele landwirtschaftliche Bräuche und heidnische Rituale in die volkstümlichen religiösen Gebräuche integriert. Historikern und Ethnologen zufolge ist diese Mischung religiöser Überzeugungen das Ergebnis kultureller Anpassung und Integration. Russische Bauern behielten ihre heidnischen Rituale bei, als sie zum Christentum konvertierten, was dazu führte, dass der christliche Glaube in Russland tiefe Wurzeln schlug.
Für die Bauern am unteren Ende der Gesellschaft bot das Christentum eine neue geistige Nahrung. Religiöse Rituale und Glaubenssätze helfen ihnen, in ihrem schwierigen Leben Trost zu finden. Sie sind sich in der Regel nicht ganz im Klaren über die christlichen Lehren, sondern stützen sich eher auf alte Rituale und Bräuche, was zur Entstehung der „Volksorthodoxie“ geführt hat.
Die Volksorthodoxie ist ein religiöser Komplex, der christliche Lehren mit heidnischen Glaubensvorstellungen verbindet.
In diesem Zusammenhang kam es zu einer Neudefinition der religiösen Vorstellungen der Bauern. Viele christliche Praktiken werden im Lichte heidnischer Traditionen neu interpretiert. So werden beispielsweise Feste, die eng mit der Natur und dem Wechsel der Jahreszeiten verbunden sind, mit bestimmten christlichen Festen abgewechselt. Dies zeigt, wie geschickt die Bauern die beiden Glaubensrichtungen miteinander verbanden.
Viele Ethnologen haben dieses Phänomen eingehend erforscht. Viktor Schiwow weist darauf hin, dass die Synthese heidnischer und christlicher Glaubensvorstellungen in der gesamten europäischen Kultur universell sei und kein auf Russland beschränktes Phänomen. Eve Levin argumentiert, dass einige russische orthodoxe Volkskirchen christliche Wurzeln haben.
Unter dem Deckmantel des Christentums wurden die verdorbenen heidnischen Bräuche nicht völlig ausgelöscht, sondern erhielten vielmehr die Chance einer Umwandlung.
Obwohl die Kirche viele Volksglauben als Überbleibsel des Aberglaubens oder Heidentums betrachtete, zeugte die Akzeptanz und Ausübung dieser Glaubensvorstellungen durch die Bauern von der engen Integration der Religion in das tägliche Leben. Auch außerhalb des kirchlichen Zeremoniells pflegen die Bauern oft ihre traditionellen Bräuche bei der Feier von Festen und festigen dadurch ihren Glauben an diese Rituale.
Beispielsweise brachten viele Bauern zu bestimmten Jahreszeiten Opfer dar, in der Hoffnung auf eine gute Ernte. Gerade diese Bräuche spiegeln die enge Verbindung zwischen bäuerlichem Leben und religiösem Glauben wider. Als die christlichen Lehren in die ländliche Gesellschaft Einzug hielten, ersetzten sie den ursprünglichen heidnischen Glauben nicht völlig, sondern führten eher zu einem Zustand „wechselnder Existenz“.
Das Christentum in Russland hat seinen Ursprung im Ostchristentum und wurde später durch zahlreiche Volksglaubensrichtungen mit lokalen Besonderheiten ergänzt. Diese Anpassung und Integration ist ein wechselseitiger Prozess. Mit der Einführung des Christentums in Russland erlebte das Bild Christi vor allem im Bewusstsein der Bauern einzigartige Veränderungen, die sich auf ihr Verständnis und ihre Ehrfurcht vor der Heiligen Dreifaltigkeit auswirkten.
Christliche Rituale und Volksglauben verleihen dem Landleben neue Bedeutung.
In gewisser Weise wurde die volkstümliche Verehrung der Jungfrau Maria zum Symbol einer seltsamen religiösen Verschmelzung. Dies ist sowohl eine christliche Lehre als auch ein Spiegelbild des alten Glaubens an die Anbetung der Muttergöttin. Die religiösen Vorstellungen der Bauern formten nach und nach eine neue „Volksmythologie“, in der sich ihre Gedanken vermischten.
In der modernen Gesellschaft kann der Volksglaube nicht mehr zu seiner früheren Reinheit zurückkehren. Im Glauben und in den Bräuchen bäuerlicher Gruppen spiegeln sich bereits heute Reaktionen auf umfassendere kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse wider. Besonders im Zuge der Urbanisierung werden die Überzeugungen der Bauern immer wieder in Frage gestellt, aber in gewisser Form bestehen sie weiterhin.
Es findet eine kulturelle Renaissance statt, die nie zu einem Abschluss gekommen ist, und die Neubewertung und das Verständnis volkstümlicher Glaubensvorstellungen ist zu einem wichtigen Thema in der heutigen Gesellschaft geworden.
Wenn wir über diese historischen Veränderungen nachdenken, können wir möglicherweise eine tiefere Perspektive gewinnen und darüber nachdenken, wie sich diese kulturelle Integration auf unsere religiösen Konzepte in der zukünftigen Gesellschaft auswirken wird. Können wir in einer Zeit des ständigen Wandels an den Wurzeln unseres Glaubens und unserer kulturellen Identität festhalten?