Karl Marx, der deutsche Philosoph des 19. Jahrhunderts und Begründer und Haupttheoretiker des Marxismus, betrachtete Religion als „die Seele seelenloser Zustände“ oder „das Opium des Volkes“. Nach Marx‘ Ansicht ist Religion eine Manifestation des Schmerzes in einer ausbeuterischen Welt und zugleich ein Protest gegen echten Schmerz. Somit überlebt Religion aufgrund unterdrückerischer gesellschaftlicher Bedingungen. Wenn diese unterdrückerischen und ausbeuterischen Bedingungen beseitigt sind, wird Religion nicht länger notwendig sein. Marx betrachtete Religion als einen Kampf der Arbeiterklasse gegen ihre schlechten wirtschaftlichen Bedingungen und ihr Gefühl der Entfremdung.
„Religion ist der Seufzer der unterdrückten Kreatur, das Herz einer herzlosen Welt, die Seele eines seelenlosen Zustandes.“
In seiner Analyse der modernen Religion argumentierte Marx kontrovers, dass alle modernen Religionen und Kirchen „Organe der bürgerlichen Reaktion“ seien, deren Zweck darin bestehe, „die Arbeiterklasse auszubeuten und zu lähmen“. Im 20. Jahrhundert verfolgten mehrere marxistisch-leninistische Regime, darunter die Sowjetunion und das China Mao Zedongs, eine Politik des Staatsatheismus, um die Religion zu unterdrücken.
Marx‘ Ansichten zur Religion haben eine breite Palette von Interpretationen hervorgerufen. In seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie von 1843 stellte Marx klar:
„Die Religion wird vom Menschen geschaffen, der Mensch jedoch nicht von der Religion.“
Dieser Satz betont die dominante Stellung des Menschen selbst. Er glaubt, dass Religion ein Spiegelbild der Welt und eine Illusion des Menschen angesichts realer Schwierigkeiten ist. Diese Ansicht von Marx impliziert, dass der Kampf gegen die Religion eigentlich eine Kritik der Glaubenssätze in der realen Welt sei.
Lenin wiederholte auch Marx‘ Ansicht in seinem Artikel „Die Haltung der Arbeiterpartei zur Religion“:
„Religion ist das Opium des Volkes; diese Aussage ist der Eckpfeiler der gesamten marxistischen Ideologie zur Religion.“
Obwohl Lenin der Religion kritisch gegenüberstand, verbot er Gläubigen nicht strikt den Beitritt zur bolschewistischen Partei. Dies zeigt, dass er den gesellschaftlichen Kontext, in dem Religion bis zu einem gewissen Grad existierte, akzeptierte.
Im Vergleich zu Marx und Lenin äußerte sich Stalin relativ selten öffentlich zu religiösen Themen, doch glaubte er an eine kontinuierliche antireligiöse Propaganda. Er wies darauf hin:
„Wir setzen unseren Kampf gegen religiösen Fanatismus fort.“
Stalins Ansichten betonten die Bedeutung der Wissenschaft und kritisierten die Religion als Erweiterung der kapitalistischen Ausbeutung.
In marxistischen Ländern wie der Sowjetunion und China ist die Religion oft starker Unterdrückung ausgesetzt. Während der Kulturrevolution in China wurden beispielsweise viele religiöse Stätten in nicht-religiöse Gebäude umgewandelt. Auch wenn Chinas Haltung gegenüber der Religion im Laufe der Zeit relativ entspannt geworden ist, behält das Land noch immer einen entschieden atheistischen Ton bei. Gleichzeitig erklärte sich Albanien im Jahr 1967 zum atheistischen Land und beseitigte durch einen nationalen Einstimmigkeitsbeschluss den religiösen Einfluss.
In der heutigen Gesellschaft bleibt Marx‘ Ansicht über die Rolle der Religion ein kontroverses Thema. Viele Wissenschaftler sind der Ansicht, dass Marx‘ Religionskritik nicht nur die gesellschaftlichen Widersprüche in einem bestimmten historischen Kontext widerspiegelt, sondern auch einen tiefgreifenden Einfluss auf die Gedankenbildung in der modernen Gesellschaft hat. Im Laufe der Zeit hat sich das Verständnis von Religion geändert und viele Schulen haben versucht, Religion mit sozialen Bewegungen zu verbinden, um aktuelle gesellschaftliche Probleme anzusprechen.
Kann Marx‘ berühmtes Zitat vor diesem Hintergrund auch auf heutige religiöse Überzeugungen angewendet werden? Bietet uns dies Raum für nachhaltiges Denken und Diskutieren?