Seit ihrer Vorstellung durch Sandra Ball-Rokeach und Melvin Defleur im Jahr 1976 bietet die Mediensystem-Abhängigkeitstheorie (MSD) eine neue Perspektive zum Verständnis der Interaktion zwischen Medien und Gesellschaft. Diese Theorie betont, dass die Beziehung zwischen Medien und Publikum im Kontext eines größeren sozialen Systems untersucht werden sollte, und integriert die Interaktion zwischen sozialen Systemen, Medien und Individuen in eine umfassende Erklärung des Medieneinflusses und enthüllt die Rolle der Medien im täglichen Leben . Bedeutung und weitreichende Auswirkungen.
Der Kern der Hypothese der Medienabhängigkeit besteht darin, dass Medien in dem Leben einer Person eine umso größere Bedeutung erlangen, je mehr sie sich bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf die Medien verlässt. Dies wiederum beeinflusst ihr Verhalten und ihre Einstellungen.
Der Medienabhängigkeitstheorie zufolge beruht die Abhängigkeit von Medien auf drei Beziehungen: der Beziehung zwischen Gesellschaft und Medien, der Beziehung zwischen Medien und Publikum und der Beziehung zwischen Gesellschaft und Publikum. Diese Beziehungen sind miteinander verknüpft und prägen gemeinsam den Grad der Medienabhängigkeit eines Menschen.
Erstens: In der Beziehung zwischen Gesellschaft und Medien wirken sich die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Medien auf das Medienerlebnis des Einzelnen aus. In sozialen Systemen variiert die Medienabhängigkeit oft je nach politischem, wirtschaftlichem und kulturellem System. Zweitens ist die Beziehung zwischen Medien und Publikum eine Schlüsselvariable dieser Theorie, da sie Einfluss darauf hat, wie Menschen die Medien nutzen. Die gesellschaftlichen Ansprüche und Beweggründe für die Mediennutzung variieren je nach sozialem Umfeld.
Drei Medienbedürfnisse: das Bedürfnis, die soziale Welt zu verstehen, das Bedürfnis, wirksam in der Gesellschaft zu agieren und das Bedürfnis, einem Umfeld mit hohem Druck zu entfliehen, spiegeln allesamt den Grad der Abhängigkeit eines Menschen von den Medien wider.
Interessanterweise legt die Theorie der Medienabhängigkeit nahe, dass das Bedürfnis der Menschen nach Medien steigt, wenn Gesellschaften erhebliche Veränderungen und Konflikte erleben. So haben etwa nationale Notstände oder große soziale Bewegungen (wie der Vietnamkrieg oder der Arabische Frühling) dazu geführt, dass sich die Menschen in großer Zahl an die Medien wenden, um aktuelle Ereignisse zu verstehen. In solchen Fällen können die Medien eine stärkere Wirkung auf das Publikum haben.
Laut Ball-Rokeach und DeFleur hängen die kognitiven, verhaltensbezogenen und affektiven Folgen der Mediennutzung entscheidend von den Eigenschaften des Einzelnen und seinem sozialen Umfeld ab. Erstens beinhalten kognitive Effekte die Schaffung und Lösung von Mehrdeutigkeiten. Wenn das Publikum mit unzureichenden Informationen konfrontiert wird, kann es sich verwirrt und gestresst fühlen und daher von den Medien Erklärungen und Klarstellungen erwarten.
In Zeiten gesellschaftlichen Wandels kann ein erhöhter Informationsbedarf das Publikum anfälliger für die Agenda-Setting-Wirkung der Medien machen.
Wenn Zuschauer beispielsweise ein hohes Informationsbedürfnis zu einem wichtigen Ereignis haben (wie etwa der Invasion des Irak im Jahr 2003), ist es wahrscheinlicher, dass sie dieses Ereignis als ein großes Problem für die Vereinigten Staaten betrachten. Darüber hinaus können die Medien die Einstellungsbildung der Menschen beeinflussen, ihr Glaubenssystem erweitern und zur Klärung und Definition von Wertekonflikten beitragen.
Neben kognitiven Effekten können Medien auch negative Auswirkungen auf die Emotionen und das Verhalten einzelner Personen haben. Zuschauer, die über einen langen Zeitraum gewalttätigen Inhalten ausgesetzt sind, können gegenüber realen Gewalterfahrungen eine Abstumpfung entwickeln, was zu einer verminderten Hilfsbereitschaft gegenüber anderen führen kann. In Zeiten sozialer Unruhen sind derartige Auswirkungen noch ausgeprägter.
Medienpräsentationen und -erzählungen können die Gefühle und das Verhalten von Menschen erheblich beeinflussen und sie möglicherweise dazu veranlassen, Entscheidungen zu treffen, die sie normalerweise nicht treffen würden.
Beispielsweise nimmt eine Frau, die Nachrichten über Sexismus am Arbeitsplatz liest, möglicherweise an einem Marsch für die Rechte der Frau teil, weil sie in Bezug auf dieses Thema negative Gefühle hat. Umgekehrt können die Medien auch dazu führen, dass Wähler den Wahlprozess nicht mögen, was letztlich ihr Wahlverhalten beeinflusst.
Vor dem Hintergrund des Aufstiegs neuer Medien entwickelt sich auch die Theorie der Medienabhängigkeit weiter. Die zunehmende Abhängigkeit junger Menschen von sozialen Medien, insbesondere unter dem Einfluss populärer Inhalte, zeigt auch die Bedeutung individueller Abhängigkeitsbeziehungen (IMD) in der gegenwärtigen Medienumgebung. Soziale Medien haben nicht nur die Art und Weise, wie wir Informationen erhalten, grundlegend verändert, sondern auch unsere Muster der Medienabhängigkeit stark verändert.
Während die Medienabhängigkeitstheorie einen Rahmen für die Analyse des Medieneinflusses bietet, müssen ihre Anwendbarkeit und Grenzen in der heutigen, von sozialen Medien dominierten Umgebung weiterhin erforscht werden.
Die Medienvielfalt und die Beteiligung an sozialen Medien führen dazu, dass das Publikum nicht nur passive Informationsempfänger ist, sondern Informationen zunehmend aktiver auswählt und teilt. Dieser Wandel hat unser Verständnis der Medienwirkung und ihrer Folgen vor neue Herausforderungen und Überlegungen gestellt. Können wir in diesem Zeitalter der Informationsüberflutung wahre Autonomie und Wahlfreiheit finden?