In der Geophysik, Geologie und verwandten Bereichen wie dem Bauingenieurwesen bezeichnet seismischer Lärm relativ lang anhaltende Bodenerschütterungen unterschiedlicher Ursache. Solche Vibrationen werden oft als nicht interpretierbare oder unerwünschte Bestandteile der Signalaufzeichnung angesehen. Der physikalische Ursprung seismischer Störungen liegt hauptsächlich in Quellen an oder nahe der Oberfläche und besteht fast ausschließlich aus elastischen Oberflächenwellen.
Niederfrequente Wellen (unter 1 Hz) werden oft als Mikroseismen bezeichnet, während hochfrequente Wellen (über 1 Hz) als Picoseismen bezeichnet werden.
Zu den Hauptquellen seismischer Wellen zählen menschliche Aktivitäten (wie Verkehr oder industrielle Tätigkeit), Wind und andere atmosphärische Phänomene, Flüsse und Meereswellen. Seismisches Rauschen ist für alle wissenschaftlichen Bereiche relevant, die auf Seismologie basieren, einschließlich Geologie, Ölförderung, Hydrologie sowie Erdbebentechnik und Strukturüberwachung.
Dieser Lärm stört häufig Aktivitäten, die empfindlich auf externe Vibrationen reagieren, wie etwa Erdbebenüberwachung und -forschung, Präzisionsfräsen, Teleskope, Gravitationswellenerkennung und Kristallwachstum. Seismisches Rauschen hat jedoch auch praktische Anwendungen, wie z. B. die Bestimmung der dynamischen Eigenschaften von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus (wie Brücken, Gebäuden und Staudämmen) bei geringer Beanspruchung und zeitlichen Schwankungen; die Durchführung seismischer Untersuchungen von unterirdischen Bauwerken verschiedener Größen, oft unter Verwendung seismischer Interferometrie und Umweltüberwachung, beispielsweise in der Flussseismologie.
Studien zu den Ursprüngen seismischen Lärms haben gezeigt, dass der niederfrequente Teil des Spektrums (unter 1 Hz) überwiegend natürliche Ursachen hat, vor allem den Einfluss von Meereswellen. Insbesondere der weltweit beobachtete Peak zwischen 0,1 und 0,3 Hz hängt eindeutig mit der Wechselwirkung von Wasserwellen gleicher Frequenz zusammen. Im Hochfrequenzbereich (über 1 Hz) wird seismischer Lärm hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten wie Straßenverkehr und Industriearbeit verursacht; aber auch natürliche Quellen wie Flüsse können zu diesem Effekt beitragen.
Über 1 Hz können auch Wind und andere atmosphärische Phänomene wichtige Quellen von Bodenschwingungen sein.
In Kamerun beispielsweise zählen „Fußzittern“, das durch das Stampfen der Fußballfans verursacht wird, zu den nicht-anthropogenen Aktivitäten, die während Zeiten geringer seismischer Aktivität beobachtet werden. Rund um Bonny Bay im Golf von Guinea treten alle 26 bis 28 Sekunden Impulse auf, die vermutlich auf Reflexionen der Unterströmungen der Stromschnellen zurückzuführen sind und die Kraft der Wellen widerspiegeln.
Die Amplitude seismischer Rauschschwingungen liegt typischerweise zwischen 0,1 und 10 μm/s. Das global ausgewertete Hintergrundgeräuschmodell zeigt frequenzabhängige Eigenschaften. Seismisches Rauschen umfasst eine kleine Menge Körperwellen (P- und S-Wellen), aber Oberflächenwellen (Love- und Rayleigh-Wellen) sind die Hauptkomponenten, da sie vorzugsweise durch Erdwärmeprozesse angeregt werden. Diese Wellen werden gestreut, was bedeutet, dass ihre Phasengeschwindigkeit mit der Frequenz variiert (im Allgemeinen nimmt sie mit zunehmender Frequenz ab).
Da die Dispersionskurve (Frequenzfunktion der Phasengeschwindigkeit oder Trägheit usw.) die Variation der Scherwellengeschwindigkeit mit der Tiefe in Beziehung setzt, kann sie als nicht-invasives Werkzeug zur Bestimmung der seismischen Struktur des Untergrunds verwendet werden.
Unter normalen Bedingungen weist seismisches Rauschen eine sehr geringe Amplitude auf und ist für den Menschen nicht wahrnehmbar. Zudem konnte es von den meisten frühen Seismographen des späten 19. Jahrhunderts nicht aufgezeichnet werden. Doch schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es dem japanischen Seismologen Ōmori Fumiyoshi, die Umgebungsschwingungen von Gebäuden aufzuzeichnen und die Resonanzfrequenz des Gebäudes zu bestimmen. Schon früh in der Geschichte der Seismologie wurde erkannt, dass das globale, 30 bis 5 Sekunden andauernde seismische Rauschen durch den Ozean verursacht wird. 1950 veröffentlichte Longuet-Higgins eine umfassende Theorie dazu.
Mit dem Fortschritt in Wissenschaft und Technik, insbesondere mit der Entwicklung der seismischen Interferometrie seit den 1990er Jahren, hat sich die Anwendung von seismischem Rauschen immer weiter ausgeweitet. Durch die Analyse von Umgebungsschwingungen und zufälligen seismischen Wellenfeldern können Wissenschaftler beispielsweise unterirdische Strukturen mithilfe von Leistungsspektren, H/V-Spitzenanalysen, Dispersionskurven und Autokorrelationsfunktionen charakterisieren. Die Einzelstationsmethode und die Array-Methode haben der Seismologie zweifellos neue Perspektiven eröffnet.
Schließlich wird seismisches Rauschen auch als ein stellvertretender Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung betrachtet, da es Änderungen menschlicher Aktivitäten widerspiegelt.
Infolge der Auswirkungen der COVID-19-Epidemie hat die Verringerung menschlicher Aktivitäten zu einer deutlichen Verringerung des seismischen Lärms geführt und ist zu einem einzigartigen Fenster für die Beobachtung der äußeren Umwelt geworden. Werden wir in Zukunft, wenn unser Verständnis des seismischen Rauschens immer besser wird, noch mehr Geheimnisse natürlicher Phänomene lüften können?