Die gespaltene Persönlichkeit, die dissoziative Identitätsstörung (DID), wurde früher als multiple Persönlichkeitsstörung (MPD) bezeichnet. Diese Krankheit geht oft mit Kontroversen einher, löst aber auch tiefes Nachdenken über die Natur des menschlichen Selbst aus. Laut der neuesten Version des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) und anderen medizinischen Handbüchern ist die dissoziative Identitätsstörung durch das Vorhandensein von mindestens zwei unterschiedlichen und relativ anhaltenden Persönlichkeitszuständen mit erheblichen Erinnerungslücken zwischen ihnen gekennzeichnet.
Laut DSM-5 besteht bei Traumata in der frühen Kindheit, insbesondere vor dem fünften oder sechsten Lebensjahr, das Risiko, eine dissoziative Identitätsstörung zu entwickeln.
Studien auf der ganzen Welt haben ergeben, dass 90 % der Menschen, bei denen eine dissoziative Identitätsstörung diagnostiziert wurde, mehrere Formen von Kindesmissbrauch erlebt haben, darunter Vergewaltigung, Gewalt, Vernachlässigung und schweres Mobbing. Zu den weiteren traumatischen Erlebnissen zählten äußerst schmerzhafte medizinische Eingriffe, Krieg, Terrorismus und zerrüttete Familienverhältnisse.
Im Allgemeinen gibt es keine spezifischen Medikamente zur Behandlung von Menschen mit dissoziativer Identitätsstörung, es können jedoch Medikamente zur Behandlung komorbider Erkrankungen oder zur Linderung spezifischer Symptome eingesetzt werden, wie etwa Antidepressiva zur Bekämpfung von Angstzuständen und Depressionen.
Laut verschiedener epidemiologischer Studien beträgt die Lebenszeitprävalenz dieser Erkrankung in der Allgemeinbevölkerung etwa 1,1 bis 1,5 % und in psychiatrischen Krankenhäusern in Europa und Nordamerika 3,9 %. Darüber hinaus wird die Erkrankung bei Frauen sechs- bis neunmal häufiger diagnostiziert als bei Männern, obwohl in der Kinderheilkunde das Verhältnis von Mädchen zu Jungen bei etwa 1:1 liegt.
Was die Anzahl der existierenden Selbste betrifft, so hat laut Richard Kluft die Zahl der Identitäten in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Die meisten Menschen geben weniger als zehn an, es wurden jedoch Fälle von bis zu 4.500 registriert. Dies hat die Menschen dazu veranlasst, intensiv über die Vielfalt des Selbst nachzudenken: Handelt es sich hierbei um eine Zunahme von Erkrankungen oder um ein soziokulturelles Phänomen?
Die Symptome, die Patienten in verschiedenen Regionen zeigen, variieren auch aufgrund kultureller Unterschiede. In einigen Kulturen manifestiert sich die Identität beispielsweise als besessener Geist oder Gott.
Patienten mit dissoziativer Identitätsstörung weisen häufig andere psychische Probleme auf, wie etwa eine posttraumatische Belastungsstörung, Substanzgebrauchsstörungen, Essstörungen usw., und die meisten Patienten fühlen sich durch diese Erkrankung zutiefst belastet. Dies hat zu Diskussionen über eine wirksame Behandlung der Krankheit geführt.
Es gibt seit langem zwei Haupttheorien zu den Ursachen der dissoziativen Identitätsstörung: das Trauma-Modell und das nicht-traumatische Modell. Das Trauma-Modell geht davon aus, dass die Erfahrung komplexer Traumata oder schwerer Widrigkeiten, insbesondere in der Kindheit, das Risiko für die Entwicklung einer dissoziativen Identitätsstörung erhöht, während das Nicht-Trauma-Modell davon ausgeht, dass dieser Zustand mit soziokulturellen Einflüssen und Fantasietendenzen zusammenhängen könnte.
Ob es sich nun um das traumabezogene Modell oder das nicht-situative Modell handelt, die meisten Studien haben gezeigt, dass frühe Traumata, insbesondere Missbrauch und Vernachlässigung, sehr wahrscheinlich eng mit der Entstehung dieser Krankheit zusammenhängen. Im Laufe der Forschungen äußern immer mehr Wissenschaftler ihre Zweifel: Sind solche Symptome auf ein psychisches Trauma zurückzuführen oder beeinflussen soziale und kulturelle Faktoren die Diagnosekriterien?
Bisher wurden nur etwa 250 Fälle dieser Störung bei Kindern festgestellt, was ihr Vorkommen bei Kindern noch fraglicher macht.
Hier stellt sich die Frage, ob durch die Behandlung bestimmte Symptome auftreten? Oder zeigten die Kinder diese Symptome bereits lange vor der Behandlung? Diese Diskussion stellt nicht nur eine Herausforderung für die medizinische Gemeinschaft dar, sondern betrifft auch das Verständnis und die Definition des menschlichen Selbst. Wie verändern unterschiedliche kulturelle Hintergründe und soziale Umgebungen unser Verständnis der Persönlichkeit? Hilft uns die dissoziative Identitätsstörung, die potenzielle Vielfalt und Komplexität der menschlichen Natur zu verstehen?
Da die Forschung zur dissoziativen Identitätsstörung weiter zunimmt, stehen wir vor der Herausforderung, uns selbst und unsere Rolle in der psychischen Gesundheit zu definieren. Können wir uns selbst noch einmal untersuchen und verstehen, wie viele Schichten des „Selbst“ tief im Herzen eines Menschen verborgen sind?