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Karl Poppers philosophische Anfänge

 

Abstract


Seit etwa 20 Jahren hat sich mit der Erschliesung des Nachlasses von Karl Popper ein neues Forschungsfeld aufgetan: seine fruhe Philosophie. Popper selbst hat fur diese Schaffensphase in seiner Autobiografie auf den Einfluss des Gottinger Philosophen Leonard Nelson und seiner Schule hingewiesen. Im vorliegenden Beitrag wird zunachst eine Kurzcharakteristik der Lehren und auch der politischen Aktivitaten der Nelsonianer gegeben, einschlieslich des (gescheiterten) Versuchs, Popper als politischen Mitstreiter zu gewinnen. Dann werden in weiteren Abschnitten die Wissenschaftstheorie und die politische Philosophie Poppers auf Spuren dieses Einflusses untersucht. Dabei zeigt sich, dass den bisher in der Sekundarliteratur erzielten Ergebnissen hinsichtlich der Wissenschaftstheorie Poppers noch weitere wichtige Resultate (namlich hinsichtlich des Abgrenzungsproblems von Wissenschaft und Pseudowissenschaft sowie des Abgrenzungskriteriums, also der Falsifizierbarkeit) hinzuzufugen sind. Die politische Philosophie Poppers ist noch kaum auf Einflusse durch Nelson untersucht worden. Sie sind ebenso erheblich, weil Poppers Verteidigung der Demokratie eine direkte Antwort auf die von Nelson entdeckte „Paradoxie der Demokratie“, das von ihm als „Losung“ propagierte „Fuhrerschaftsprinzip“ und die damit verbundene Ablehnung der Demokratie gewesen ist. In beiden Fallen zeigt sich, dass Popper sich an Paradoxien abgearbeitet hat, die von Nelson sozusagen erfunden wurden, namlich der „Unmoglichkeit der Erkenntnistheorie“ in der theoretischen Philosophie und eben dem Paradox der Demokratie in der praktischen. Popper hat die Beweise fur diese Paradoxien anerkannt, aber Nelsons Losungen fur diese Probleme nicht akzeptiert, sondern ihnen eigene entgegengestellt. Die Gegenuberstellung der Philosophie Poppers mit der Nelsons gestattet auch eine Neubewertung des Verhaltnisses von Ubernahmen einerseits und originalen Ansatzen andererseits in der fruhen Philosophie Poppers.

Volume None
Pages 189-203
DOI 10.1007/978-3-658-16239-9_10
Language English
Journal None

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