Der Unfallchirurg | 2021

Funktionelle Therapieverfahren in der Unfallchirurgie

 
 

Abstract


Es gibt nach der Ärztestatistik der Bundesärztekammer für 2019 18.177 beruflich tätige Kolleg*innen, die die Zusatzbezeichnung Manuelle Medizin/ Chirotherapie führen. Die entsprechenden Zahlen lauten 1937 für die Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen und 1265 für die Balneologie. Dazu kommen 1925 Fachärzte für physikalische und rehabilitative Medizin. Für diese Kolleg*innen können wir im folgenden LeitthemawahrscheinlichnurBekanntes wiederholen. Aber wie viele praktisch tätige Unfallchirurg*innenhabenderartigeZusatzbezeichnungen erworben? Das können wir der Statistik nicht entnehmen. Mutmaßlichhabennichtwenigenureineungefähre Ahnung von manueller Medizin und Osteopathie. Eher schon von Physiotherapie und Ergotherapie, die im Idealfall aus der täglichen Zusammenarbeit oder interdisziplinären Fallvorstellungen entsteht. Jedenfalls wird die physikalische Medizin in den Lehrbüchern der Orthopädie und Unfallchirurgie (O&U) und in den wissenschaftlichen Zeitschriften unserer Fachgesellschaft vergleichsweise rudimentär abgehandelt. Deshalb fehlen Grundkenntnisse in den Begrifflichkeiten und den Denkmodellen und wissenschaftlichen Grundlagen dahinter. Und die sind nicht banal. Denn alle genanntenThemenfelder haben den Anspruch und den Ansatz, ganzheitlich zu sein und zu wirken. Hierfür eine wissenschaftliche Grundlage zu erarbeiten, ist extrem komplex; schließlich müssen die Betrachtungsebenen Zelle und intrazelluläreVorgänge,Gewebeebene,Organebene und Körperebene miteinander verknüpft werden und in ihren Wechselwirkungen verstanden werden. Schmerz umfassend zu begreifen, ist beispielsweise eine echte intellektuelle Herausforderung. Dabei sollte man wenigstens die PrinzipienundMethodendermanuellenMedizin, Osteopathie, physikalischen Therapie und Ergotherapie i.Allg. verstehen, denn letztlich stellen wir Ärzte die Indikation dafür, verordnen sie und sollen den Heilungsverlauf steuern und kontrollieren. Wie soll das ohne Verständnis gehen? Und ein weiteres. Selbst wenn Sie selbst manuelle Medizin und Osteopathie kritisch beurteilen, ihre Patienten werden das anders sehen. Die entsprechendenPraxen inDeutschland sind voll von Ratund Hilfesuchenden und finden in der großen Mehrheit Hilfe bei im wahrstenSinnedesWorteshandwerklich geübten Ärzten und Therapeut*innen. Warum dann nicht der vielbeschworene Anwalt des Patienten bleiben und ihn fachund sachkundig beraten? Der Eindruck einer Parallelwelt etwa zwischen O&U und Osteopathie mag zugespitzt erscheinen, aber wenn es so wäre, sind wir daran nicht ganz unschuldig. Daraus leitet sich unser Anliegen für das Themenheft ab: Ihnen diese wichtigen Bereiche der konservativen Therapie zusammengefasst und aufeinander bezogen darzustellen. Uns war es in der Umsetzung dann wichtig, Autor*innen zu finden, die in den genannten vier therapeutischen Feldern selbst tätig sind, ihre immensepraktische Erfahrung anschaulich schildern können und uns gleichzeitig die zugrunde liegenden wissenschaftlichen Theorien und Theoreme nahebringen können. Um dabei deren Arbeitsweise so konkret wiemöglich kennenzulernen, haben wir uns darauf verständigt, jeweils Fallbeispiele aus dem Bereich des verletzten distalen Handgelenks und derHand auszuwählen. In der Zusammenschau sollte sich unseren Leser*innen dann erschließen, welche verschiedenenMethoden sinnvollerweise zum Einsatz kommen können, um das gemeinsame Behandlungsziel einer schmerzfreien vollen Funktion und beruflichen und sozialen Reintegration zu erreichen. Alle Autor*innen haben dem zugestimmt und ihre Beiträge vorbildlich aufeinander abgestimmt. Wovon handeln die vier Artikel des Themenheftes im Einzelnen? Manuelle Medizin ist die medizinische Disziplin, die sich umfassend mit der Diagnose, Therapie und Prävention reversibler Funktionsstörungen am Bewegungsorgan und anderen damit verbundenen Organsystemen befasst. Prof. Dr. HermannLocher ist als niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie inTettnang tätig, kommteinem akademischen Lehrauftrag für manuelle Medizin und Schmerztherapie an der TUMünchen nach und ist in einer Reihe berufspolitischer Gremien und wissen-

Volume 124
Pages 431 - 432
DOI 10.1007/s00113-021-01003-9
Language English
Journal Der Unfallchirurg

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