Der Pathologe | 2021
SMARCB1(INI1)-defizientes Nierenzellkarzinom: medullär und darüber hinaus
Abstract
In den letzten Jahrzehnten erlangte der Chromatin-remodulierende SWI/SNF-Komplex eine zentrale Rolle in der molekularen Pathogenese diverser Neoplasien. Die nosologische Klassifikation diverser Tumoren richtet sich zunehmend nach dem zugrunde liegenden SWI/SNF-Defekt. In der Niere gilt der Verlust von SMARCB1(INI1), einer der bedeutsamen SWI/SNF-Komponenten, als definierend für das medulläre Karzinom und den frühkindlichen malignen Rhabdoidtumor. Die Diagnose beider sehr seltenen Entitäten basiert auf demografischen, klinisch-pathologischen und genetischen (SMARCB1-Inaktivierung) Charakteristika. Zudem gilt eine Sichelzellanämie als Voraussetzung für die Diagnose eines medullären Nierenkarzinoms. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass eine SMARCB1-Inaktivierung auch sekundär in diversen sonstigen Tumorentitäten auftreten kann. SMARCB1-defiziente Nierentumoren lassen sich in 3 Hauptkategorien unterteilen: 1. primär (de novo) durch eine SMARCB1-Inaktivierung getriebene, histologisch und klinisch definierte spezifische Entitäten (das medulläre Nierenkarzinom und der Rhabdoidtumor), 2. SMARCB1-defiziente Nierenzellkarzinom(NZK)-Varianten mit der Morphologie eines Sammelrohrkarzinoms (Ductus-Bellini-Karzinom) oder eines high-grade papillären NZK (papillär Typ 2) bzw. einer völlig undifferenzierten (anaplastischen) Morphologie und 3. dedifferenzierte (biphasische) NZK mit einer variablen undifferenzierten SMARCB1-defizienten Komponente. Letztere Gruppe leitet sich meist aus einem klarzelligen, seltener aus einem papillären oder einem chromophoben NZK ab. Im Folgenden werden die definierenden Aspekte SMARCB1-defizienter Nierentumore dargestellt und ihre aktuelle Klassifikation besprochen. Alle SMARCB1-defizienten Karzinome haben einen aggressiven klinischen Verlauf, sodass eine exakte Diagnose als Voraussetzung für Studien mit Anwendung neuer Therapien wichtig ist.