MMW - Fortschritte der Medizin | 2019

NIPD: Was wird getestet?

 

Abstract


_ Für den 11. April 2019 hatte der Deutsche Bundestag eine Orientierungsdebatte zum \x7fema „Vorgeburtliche genetische Bluttests“ auf die Tagesordnung gesetzt. Es ging also um Tests zur sog. nicht invasiven Pränataldiagnostik (NIPD), die seit einigen Jahren auf dem Markt sind und etwa eine Trisomie 21 schon vor Ablauf der zwöl\x91en Schwangerscha\x91swoche nachweisen sollen. Hintergrund ist die allfällige Übernahme der Tests in den Leistungskatalog der GKV. Ans Rednerpult traten 38 Abgeordnete. Moralische Fragen standen erwartungsgemäß im Mittelpunkt. Wenig war vom diagnostischen Wert der NIPD die Rede. Neben der Frage, inwieweit werdende Mütter und Väter hierzulande überhaupt moralischer Handreichungen von Politikern bedürfen, ist der diagnostische Wert der NIPD ein \x7fema, das in der moralischen Erregung leicht übersehen wird. Man sollte sich damit auseinandersetzen; denn viele der Bedenken gegen die NIPD zielen ins Leere. Unfehlbare Tests? Die Debatte über die NIPD ist durchzogen vom Glauben an die praktische Unfehlbarkeit der Tests. Das ist ein Irrtum. Die sichere Diagnose einer Trisomie 21 ist mit der NIPD nicht möglich, wohl aber der sichere Ausschluss einer solchen Diagnose. Die hohe Meinung von der Genauigkeit der NIPD mag mit deren hohen Spezi¡tätsund Sensitivitätsraten zusammenhängen. Sie lagen in Studien bei 99,9% bzw. 100%. Doch der positive Vorhersagewert eines Tests – die Wahrscheinlichkeit, mit der ein positives Ergebnis die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegelt – hängt auch von der Prävalenz des gesuchten Merkmals ab. Ist sie niedrig, schwächt dies die Vorhersagekra\x91. Die Prävalenz der Trisomie 21 wird für Deutschland auf 0,2% der Schwangerscha\x91en veranschlagt. Von 10.000 untersuchten Embryos weisen demnach 20 eine Trisomie 21 auf, und die NIPD würde sie praktisch alle erkennen (Sensitivität 100%). Die Rate falsch positiver Ergebnisse liegt zwar bei niedrigen 0,1% (Spezi¡tät 99,9%), doch würden damit immerhin rund zehn der 9.980 Embryonen ohne Trisomie 21 ebenfalls als Merkmalsträger eingestu\x91. Fällt der Test also positiv aus – was in der Summe 30-mal der Fall ist –, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 bei 66,7% (positiver Vorhersagewert): Nur 20 von insgesamt 30 positiven Ergebnissen sind korrekt.

Volume 161
Pages 8
DOI 10.1007/s15006-019-0424-9
Language English
Journal MMW - Fortschritte der Medizin

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