CardioVasc | 2021

Ab wann und wie behandeln?

 

Abstract


Einleitung Die arterielle Hypertonie gilt heute immer noch als der bedeutendste Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen und damit einhergehenden Behinderungen weltweit [1]. In Deutschland liegt die Prävalenz der arteriellen Hypertonie bei den Erwachsenen (18–79 Jahre) bei 31,6 %, das heißt jeder dritte Erwachsene ist von der Erkrankung betroffen [2]. Die Prävalenz ist stark altersabhängig, mit einem Anstieg bei den 40bis 79-jährigen Frauen auf 43 % und bei den Männern dieser Altersgruppe auf 46 % [3]. Bei den 65bis 79-Jährigen sind sogar 71 % erkrankt [2]. Die Behandlungshäufigkeit ist angestiegen und beträgt bei den Patienten*innen, die von ihrer Erkrankung wissen, nahezu 90 % [2]. Leider sind jedoch noch circa 30 % der behandelten Patienten*innen nicht kontrolliert, das heißt unter Therapie nicht im entsprechenden Zielblutdruckbereich [2]. In der neuesten EUROASPIRE V Studie zeigte sich sogar, dass in der Sekundärprävention nach einem kardiovaskulären Ereignis 42 % der Patienten*innen keinen kontrollierten Blutdruck (< 140/90 mmHg) aufweisen [4]. Im vorliegenden Beitrag sollen die aktuellen Empfehlungen zur Diagnose und Behandlung der arteriellen Hypertonie auf der Grundlage neuester Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der European Society of Hypertension (ESH) vorgestellt und diskutiert werden. Diagnose der arteriellen Hypertonie Die Diagnose der arteriellen Hypertonie orientiert sich aktuell immer noch an der Praxisblutdruckmessung. Hierbei sollten nach einer 5-minütigen Ruhepause, in 1–2 min Abstand drei Blutdruckmessungen im Sitzen durchgeführt werden [5]. Der Durchschnitt der letzten beiden Messungen wird dann als Blutdruckwert verwendet [5]. Ab einem Blutdruckwert von ≥ 140/90 mmHg besteht eine arterielle Hypertonie (Tab. 1) [5]. Dieser diagnostische Grenzwert hat sich im Vergleich zu den vorherigen Leitlinien nicht geändert. Die Entscheidung ist sehr zu begrüßen, da es in den US-amerikanischen Leitlinien zu einer Absenkung dieses diagnostischen Grenzwertes auf ≥ 130/80 mmHg gekommen war [6]. Eine Änderung, die in Europa sehr kontrovers diskutiert wurde. Die Grenzwerte für die Definition der arteriellen Hypertonie in der Langzeitblutdruckmessung (ABDM, meist 24 h), sind ebenfalls unverändert geblieben, und liegen mit dem 24-h-Mittelwert bei ≥ 130/80 mmHg (Tab. 1) [5]. Tagsüber sollte der Blutdruck Werte von ≥ 135/85 mmHg und nächtlich Werte von ≥ 120/70 mmHg nicht überschreiten, ansonsten besteht eine arterielle Hypertonie (Tab. 1) [5]. Zur Erkennung einer arteriellen Hypertonie wird in den aktuellen Leitlinien ein besonderes Augenmerk auf Screening-Programme gelegt [5]. Hierfür werden in Abhängigkeit der initial gemessenen Blutdruckwerte Empfehlungen gegeben, in welchen Zeitabständen Kontrolluntersuchungen dann stattfinden sollten. Bei Patienten*innen mit einem optimalen Blutdruck < 120/80 mmHg sollten Wiederholungsmessungen mindestens alle 5 Jahre stattfinden, bei normalem Blutdruck (120–129/80– 84 mmHg) alle 3 Jahre und bei hochnormalem Blutdruck (130– 139/85–89 mmHg) mindestens jährlich [5]. Wenn in der Kategorie hochnormaler Blutdruck eine maskierte Hypertonie in Erwägung gezogen wird, dann sollten praxisunabhängige Blutdruckmessungen (ABDM oder häusliche Blutdruckmessung) erfolgen.

Volume 21
Pages 45-51
DOI 10.1007/s15027-020-3454-4
Language English
Journal CardioVasc

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