Verkündigung und Forschung | 2019

Zu diesem Heft

 

Abstract


Das vorliegende Heft gibt Einblick in einen Ausschnitt religionswissenschaftlichen Arbeitens zur sinnlichen und materialen Seite von Religion – doch nicht nur zu dieser, sondern als neue Perspektive ist sie auch mit weitreichenden Folgen für das Verständnis von kulturwissenschaftlichen Gegenständen verbunden. Die sinnliche, imaginative und verkörperte, die vollzogene und inszenierte Dimension von Religion und Kultur tritt – nicht erst, doch verstärkt – seit dem cultural turn in die wissenschaftliche Aufmerksamkeit. So unterschiedliche Disziplinen wie Ethnologie der Sinne, visuelle Ethnologie, material culture studies, Bildwissenschaft, Ritualstudien und jüngst Postmaterialismus und so unterschiedliche theoretische Ansätze wie kognitionswissenschafliche, performanztheoretische, philologisch-narratologische widmen sich dieser Aufgabe. Ästhetik scheint ein guter Oberbegriff oder besser ein ausreichend ausdifferenzierter Theoriekomplex, um diese Vielfalt an Modellen und Herangehensweisen aufeinander zu beziehen und zu gebündelten Auswertungen zu kommen, die nicht rein phänomenologische Inventarisierungen beteiligter Sinne oder Paraphernalien sind, sondern etwas aussagen können über die besondere Überzeugungskraft des Ästhetischen, die analoge Argumentation des Ästhetischen, die kognitiven Folgen des Dinggebrauchs, die Multimodalität der Perzeption, die Erzeugung von affektiven Atmosphären und Eindrücken von Unmittelbarkeit. Die große Herausforderung liegt darin, ästhetische Größen zu beschreiben, ohne sie theoretisch allein nach dem Prototyp eines semiotischen bzw. textwissenschaftlichen Modells zu fassen, sind doch Tänze, Düfte und Perzepte Gegenstände eigener Art. Der Anspruch der Religionsästhetik ist demnach ein sehr hoher: Zunächst wäre es eine Chance, die vielen fragmentierten Modelle, die in den letzten Jahrzehnten für je eigene Interessen und Gedankengänge entwickelt wurden, in einem Diskurs aufeinander zu beziehen. Sodann werden mit der ästhetischen Theorie als Dach die grundlegenden Gegenstände der Religionsforschung kulturtheoretisch neu definiert und aufeinander bezogen, wodurch erkenntnistheoretische und anthropologische Fragen sich neu stellen und von dieser Warte aus zu behandeln sind. Wissenschaftstheoretisch sind auch bereits eingeführte Theorien auf ihre ästhetische Wirkweise und Figuren hin zu prüfen. Eine solche aesthetics of knowledge haben Alexandra Grieser und Arianna Borelli jüngst (2017) in einem Sonderheft von Approaching Religion einund vorgeführt als The ›Beauty Fallacy‹ – den ›Fehlschluss aus Schönheit‹ in verschiedenen (Natur)wissenschaften, zum Beispiel aufgrund von Symmetrie oder eines ›gefangennehmenden‹ Mediengebrauchs (open access https://journal.fi/ar/ issue/view/4729, 27.05.2019).

Volume 64
Pages 82 - 86
DOI 10.14315/vf-2019-640203
Language English
Journal Verkündigung und Forschung

Full Text