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Disputatio 1200-1800. Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitärer Wissenskultur: Einleitung
Abstract
Die Disputation stellt in mundlicher und schriftlicher Form ein Leitmedium des spatmittelalterlichen und fruhneuzeitlichen Universitatsbetriebes dar. Sie gestaltete von der Etablierung der scholastischen Universitat bis zur methodischen und ideologischen Umformung des universitaren Lehrbetriebes um 1800 Wissensvermittlung, Forschungsmethoden und nicht zuletzt Selbstdarstellung der gelehrten Welt masgeblich mit.[...] Gerade weil sie Leitmedium ist, verdient die Disputation mit ihren Paratexten [...] auch in ihrer formalen Eigenart, als literarisches Phanomen, betrachtet zu werden. [...] Neben der Lateinsprachigkeit lassen sich zwei Merkmale nennen, welche – mit der angemahnten Vorsicht genossen – die Disputation am deutlichsten von anderen Auffuhrungs- und Textformen abheben: Die Vergabe von drei Sprecherrollen (Prases, Respondent, Opponent) und der formal offene Schluss. Uber die Elemente, welche den Zeitgenossen als prototypisch erschienen, gibt die Untersuchung von [...] literarischen Adaptationen wichtigen Aufschluss. Umgekehrt wird die Disputation als literarisches Mittel bevorzugt dazu genutzt, um Figurenhandlung und die Reflexion daruber erzahllogisch auseinander, aber trotzdem in erzahlzeitlicher Nahe zu halten und sie schlieslich in verschiedenen Formen der mise-en-abime zu verschranken.[...] Die Form selbst und die Art ihrer Anwendung sind geeignet, diskursive Macht oder gar Gewalt auszuuben. Bei aller Vorsicht lassen sich fur die Zeitspanne von 1200 bis 1800 einige Tendenzen vermuten: Die Entwicklung scheint von \neiner mehrstimmigen Disputation zum Respondentenmonolog zu verlaufen. (S. 1, 13 f., 16)