Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung | 2019

Becker, Michael, Kriegsrecht im frühneuzeitlichen Protestantismus, Eine Untersuchung zum Beitrag lutherischer und reformierter Theologen, Juristen und anderer Gelehrter zur Kriegsrechtsliteratur im 16. und 17. Jahrhundert

 

Abstract


Die Arbeit ist eine bei Chr i s toph Strohm in Heidelberg geschriebene Dissertation. Sie geht der Frage nach, inwieweit sich eine konfessionelle Prägung auf die kriegsrechtliche Literatur des 16. und 17. Jahrhundert finden lässt. Verf. nähert sich dem Thema in verschiedenen Durchgängen. Zunächst werden die Theologen von Luther bis Calvin und Johann Gerhard in ihren Schriften und anhand der Sekundärliteratur auf die Fragestellung hin untersucht. Dabei werden die Quellen allerdings nur sehr kurz angerissen, während den jüngeren Interpretationen deutlich mehr Raum gegeben wird. Insbesondere Luther wird etwas stiefmütterlich behandelt. Natürlich folgt aus seiner Zweireichelehre, dass nur noch der Fürst Kriege beginnen durfte. Viel folgte daraus zwar zunächst nicht, wenn man beachtet, dass auch Bischöfe noch Fürsten sein durften, sofern man nicht von einem Kriegsrecht Gottes sprechen will. Verf. übersieht dann jedoch, wie weitreichend Luther und seine Lehre von der Bündnistheologie beeinflusst waren und wie stark sich dies gerade auf das Völkerrecht auswirkte. Eine Bereicherung der Literatur ist dagegen, dass Verf. nicht nur auf Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin eingeht, sondern auch auf Petrus Martyr Vermigli, Zepper, Polanus von Polansdorf für die reformierte sowie Christoph Binder und Johann Gerhard für die lutherische Tradition. Die Perspektive der Theologie wird dafür ergänzt, indem anschließend einige Themen behandelt werden, die Verf. als Themen des Kriegsrechts begreift: der Vorwurf des Pazifismus gegen Luther, die Rolle des Krieges in Luthers Zwei reichelehre, die Frage gerechter Kriegsgründe, ferner einen Bereich, den Verf. „Kriegsaktionenrecht nennt sowie die Ablehnung des Söldnerdienstes. In einem weiteren Abschnitt werden ausgesuchte Juristen bis Grotius vorgestellt, Heinrich Bocer, Elias Reusner, Christoph Besold, Matthias Bernegger, Alberico Gentili und Eberhard von Weyhe. Dabei werden die zeitgenössische Wahrnehmung, die Vita, die konfessionelle Einordnung sowie einige Hinweise auf den Inhalt des Schrifttums gegeben. Für manche dieser Autoren ist das eine deutliche Bereicherung des gegenwärtigen Wissens. Unklar ist, warum diese Autoren ausgewählt wurden, denn es gab auch noch weitere wichtige Texte. Im dritten großen Kapitel werden dann einzelne Positionen konfessionsübergreifend untersucht, indem zusätzlich ausgewählte spanische Autoren hinzugezogen werden. Hier geht es um inhaltliche Fragen zum Kriegsrecht im weitesten Sinn, v. a. die Frage von Bündnissen sowie offensive und defensive Kriege. Gerade hier fällt auf, dass das Kriegsrecht in voller Breite thematisiert wird. Das ist ein Unglück für die Arbeit, weil ein derart um ein Vielfaches zu großes Untersuchungsgebiet nicht mehr ernsthaft von einer Dissertation behandelt werden kann. Auch die Hälfte einer so großen Materie wie Völkerrecht, Kriegsvölkerrecht als Recht des Kriegs und des Friedens, muss eine Monographie notwendigerweise überfordern. Vorbildlich an diesem Kapitel finde ich den Versuch, hier konfessionsübergreifend zu arbeiten, denn nur so werden wir die Scheuklappen der konfessionsgebundenen Forschung

Volume 105
Pages 396 - 398 - 455
DOI 10.1515/ZRGK-2019-0027
Language English
Journal Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung

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