Arbitrium | 2019

Jan Borkowski, Literatur und Kontext. Untersuchungen zum Text-Kontext-Problem aus textwissenschaftlicher Sicht. mentis, Münster 2015. 322 S., € 44.–.

 

Abstract


Jan Borkowskis Dissertation setzt sich zum Ziel, den Kontextbegriff zu explizieren, prominente theoretische Ansätze auf ihren Kontextbegriff hin zu rekonstruieren sowie ein „methodische[s] Vorgehen“ zu beschreiben, das dem Erschließen von Kontexten im literaturwissenschaftlichen Interpretieren Rechnung trägt (S. 33). Als weiteres Ziel nennt er die Entwicklung eines „texttheoretisch“ basierten Modells, das es „in Grundzügen darzulegen“ gilt (S. 35). Schon die ersten Sätze belegen, welch heikle Probleme der Kontextbegriff bereiten kann. Im ersten Satz behauptet der Verfasser, ‚Kontext‘ sei ein „Grundbegriff“ der Literaturwissenschaft, im zweiten, Texte stünden „in der Regel in Verbindung mit Kontexten“, im dritten, dass eine „bestimmte Auffassung von Kontext [...] daher zentraler Bestandteil der meisten Theorien“ sein „muss“, im vierten, dass „Kontextualisieren“ für das „Verstehen und Interpretieren literarischer Texte unerlässlich“ sei, um dann Lutz Danneberg mit der Aussage zu zitieren, dass „[j]ede Interpretation [...] einen Text mit einem Kontext“ verbinde (S. 9; Hervorhebungen E. A.). Der erste Satz wirft die Frage nach der Bedeutung von ‚Grundbegriff‘ auf. Wenn damit nichts anderes gemeint ist als die statistische Häufigkeit, mit welcher ‚Kontext‘ in literaturwissenschaftlichen Arbeiten auftaucht, so ist dies zweifelsohne richtig, nicht aber, wenn Grundbegriffe eine Wissenschaft zu fundieren hätten, zeigt der Verfasser doch wiederholt das Fehlen eines grundlegenden Kontextbegriffs an. So konzediert er, Peter Brenners Einschätzung möge „zutreffen“, „daß sich die Literaturwissenschaft insgesamt [...] schwer getan hat, den Kontext als wesentliches Moment der Interpretation zu akzeptieren“ (S. 215). Das ‚in der Regel‘ des zweiten Satzes gibt Anlass danach zu fragen, welche Texte der Regel nicht folgen und also nicht in Verbindung mit Kontexten stehen, ganz ebenso wie der dritte Satz einen rätseln lässt, welche Theorien ohne eine Auffassung von Kontext auskommen, also eben gerade das nicht ‚müssen‘, was die ‚meisten‘ müssen. Der vierte Satz gleitet von einem ‚wo Literaturtheorie ist, muss eine bestimmte Kontextauffassung sein‘ zu einem ‚wo Interpretieren ist, muss Kontextualisieren sein‘, was seinerseits jedoch nicht gleichbedeutend ist mit der Behauptung, dass eine ‚jede‘ Interpretation eines Textes einen Kontext anführt, der von diesem Text geschieden ist und einzig über das Interpretieren mit diesem verbunden wird. Die Verwirrung wird dadurch nicht kleiner, dass der Verfasser andernorts das „Verstehen“ für die Erfordernisse verantwortlich macht, dass Texte auf Kontexte „angewiesen“ sind, dies „in aller Regel“, aber auch „stets“: „Für ein über das ganz basale Verstehen hinausgehendes Erfassen der Bedeutung von Äußerungen in Texten sind in aller Regel Kontexte erforderlich. Texte sind daher stets auf Kontexte angewiesen“ (S. 207). Solche Fragen und darin implizierte Einwände sind nicht bloße Pedanterie, beruft sich der Verfasser doch auf einen analytischen Wissenschaftsbegriff. Zwar erhebt er für seine „Arbeit“

Volume 37
Pages 147 - 152
DOI 10.1515/arb-2018-0077
Language English
Journal Arbitrium

Full Text