Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte | 2019

Justiz mit abgesenkten Standards? Zivilprozess und Schiedsgerichtsbarkeit im Ersten Weltkrieg

 

Abstract


Der deutsche Zivilprozess kann bis heute eine lange Geschichte der Beständigkeit vorweisen. Die ZPO von 1877 wurde immer nur graduell verändert, nie grundlegend. Auch wenn sich die Schwergewichte verschoben, die leitenden Prinzipien blieben an sich dieselben1. Auf der anderen Seite haben wir es in jener Zeit mit Wandlungsprozessen und Umbrüchen zu tun, die das Justizsystem nicht unberührt lassen konnten. Für die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs ist dies, auch in Bezug auf den Zivilprozess, mittlerweile umfassend aufgearbeitet worden2. Wie aber wirkte sich der Erste Weltkrieg auf die rechtliche Gestaltung zivilrechtlicher Konflikte aus? Jörn Leonhardt spricht in seinem maßstabsetzenden Buch über die Zeit von 1914 bis 1918 von einer Suspendierung liberaler Ordnungskategorien3. Auf das Recht bezogen, würde dies eine Außerkraftsetzung bestimmter bisher maßgeblicher rechtlicher Leitmaßstäbe, liberaler Leitmaßstäbe, bedeuten – von daher gesehen eine Art „Entrechtlichung“. Und nimmt man das Diktum Leonhardts ernst, musste davon gerade der Zivilprozess betroffen sein. Denn die Zivilprozessordnung von 1877 war ohne Zweifel von liberalen Prinzipien geprägt4

Volume 20
Pages 19 - 3
DOI 10.1515/jajuz-2019-0002
Language English
Journal Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte

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