Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie | 2019
Ist der Post-Humanismus ein Humanismus?
Abstract
Als Jean-Paul Sartre 1946 die Frage aufwarf, ob der Existentialismus ein Humanismus sei,1 so – trotz aller Zurückweisung eines dem konkret gelebten Leben vorgängigen Wesens des Menschen – letztlich doch, um seine Philosophie in diese ehrwürdige Tradition einzureihen. Wird dagegen heute gefragt, ob es sich beim Post-Humanismus um einen Humanismus handle, so klingt die Frage mehr nach einem Vorwurf – sei es, weil dem Humanismus in der Entwicklung der humanities seit 1945 seine Integrität und sein Ansehen mehr und mehr abhandengekommen ist; sei es, weil dadurch implizit ein Scheitern am eigenen Anspruch behauptet wird. Angesichts des äußerst heterogenen Feldes von Ideologien, Utopien und Dystopien, technowissenschaftlichen wie kritisch-theoretischen Forschungsprogrammen, die mit dem Titel »Posthumanismus« adressiert werden, kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Frage über all diese Bereiche einheitlich beantwortbar ist. Es bietet sich daher an, zunächst von einer zumindest grob binnendifferenzierten Kartographie gängiger Posthumanismen auszugehen, innerhalb derer sie für jede Ausund Stoßrichtung gesondert zu behandeln wäre. Zu durchmessen wäre in diesem Sinne eine Bandbreite von Positionen, die sich zwischen zwei Lektüren aufspannen, welche an das Wort »Posthumanismus« herangetragen werden können: Einem Posthumanismus mit Betonung auf die Endung »-ismus« einerseits, also einer programmatischen, geschlossenen und zum Ideologischen tendierenden Affirmation des Posthumanen, und andererseits einem Posthumanismus mit Hervorhebung des Präfix »Post-«, der eine Abstandnahme vom Humanismus nahelegt, die sich – nach Art vielfältiger anderer »Post-«-Konstruktionen, nicht als dialektisch fort-