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MÄNNER. FRAUEN. FRANKENSTEIN. Weshalb der Mensch-Maschine-Diskurs die Gender-Debatte ablösen wird
Abstract
Die Unterscheidung nach Geschlecht wird in Zukunft unwichtiger und diejenige zwischen Mensch und Maschine wichtiger werden. Nach dem prognostizierten Ende der Geschlechtertrennung wird – so meine Ausgangsthese – der Mensch-Maschine-Gegensatz das Geschlecht als eine der in der Vergangenheit fundamentalsten und wirkmächtigsten binären Initialunterscheidungen ablösen und als Universalund Kardinalunterscheidung an dessen Stelle treten. Die Idee zu dem Vortragstitel: „Männer. Frauen. Frankenstein“ verdanke ich – bei einer (Rechts-)Soziologin wenig überraschend – Niklas Luhmann. Dieser hatte in seinem Aufsatz: „Frauen, Männer und George Spencer Brown“2 der Frauenforschung vorgeworfen, mit ihrer Ausgangsunterscheidung nach Männern und Frauen genau das zu unterscheiden, was sie erklärtermaßen abschaffen und im dialektischen Sinne aufheben wolle: die Unterscheidung nach Geschlecht. Luhmanns Verdikt der „falschen“ Leitdifferenz nehme ich zum Anlass und will nicht nur für die Konstruiertheit, sondern auch für die Kontingenz als der prinzipiell auch Andersmöglichkeit von Grenzziehungen und der entlang von ihnen getroffenen Entund Unterscheidungen sensibilisieren. Grenzen sind zunächst ja nichts mehr als (aus)gedachte Linien im sozialen Raum. Obgleich sie weder von Natur aus existieren noch von Anfang an für immer festgelegt sind, können sie unter angebbaren, ihrerseits veränderlichen historischen, kulturellen, gesellschaftlichen (Rahmen-)Bedingungen sehr wohl zu kleinen, großen oder, wie beim Geschlecht, ganz gravierenden Unterschieden führen und aus Gleichen Un gleiche – Männer und Frauen – und aus Nicht-Gleichen, den Maschinen, UnseresGleichen, also – zumindest so etwas Ähnliches wie – Menschen, machen. Es geht mir aber auch darum, die Grenzen der Soziologie ein Stück weit hinaus zuschieben. Dazu möchte ich nicht nur über die Ufer des male main stream treten und die Begrenzungen, die das Denken in Disziplinen mit sich bringt, überschreiten. Mein Anliegen ist es auch, bisherige Fokussierungen des Fachs – durchaus im DADAistischen Sinne – etwas zu ver-rücken und die Blende des soziologischen Blicks, wie ein neues Fenster am Computer, aufzumachen. Nicht zuletzt möchte ich mit dieser, meiner ultima lectio, noch einmal den Nachweis antreten, dass aus der Frauenund Geschlechterforschung sehr viel mehr zu lernen ist als nur etwas über Frauen und Geschlechter,3 und zeigen, dass von Frauen betriebene Forschung auch auf anderen Gebieten Avantgarde ist, der männliche Wissenschaft als Aprèsgarde einer nor-male science oftmals nur sekundieren kann.4