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Körper, Artefakte und Kontexte. Praxistheoretische Überlegungen für die Wissenschaftsdisziplin Deutschdidaktik und den Deutschunterricht

 

Abstract


Bereits 2013 hat Matthis Kepser dargestellt, dass die Wissenschaftsdisziplin Deutschdidaktik mit Blick auf ihre Gegenstandsbereiche sowie ihre Kompetenzorientierung heute als Kulturwissenschaft zu verstehen sei. In der Nachfolge seines durchaus als Streitpapier zu verstehenden Vorstoses hat sich eine Diskussion nur schleppend entwickelt. Das ist insofern bedauerlich, als ein wesentliches Theorie- und Forschungspotenzial der Deutschdidaktik damit unausgeschopft brach liegt. Bislang wird die Mediendidaktik im Fach Deutsch mit wenigen Ausnahmen als ein eigenstandiger und in sich geschlossener Bereich behandelt. Bezuglich literaler Schlusselkompetenzen, die vorrangig im Deutschunterricht erworben werden sollen, spielen (neue) Medien eine nachrangige Rolle. Kepser zeigt in seinem Aufsatz hingegen auf, dass die mediale Seite verbaler und schriftsprachlicher Kommunikation langst eine zentrale Stellung einnimmt und massiven Einfluss auf die sprachliche Dimension der Kommunikation nimmt. Die Reduktion sprachdidaktischer Gegenstandsbereiche auf ausgewahlte und zumeist klassische Medien wurde den gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen langst nicht mehr gerecht (vgl. Kepser 2013, 63). Kepser schliest mit dem Hinweis, dass Kultur heute nicht mehr als feststehendes schulisch anzueignendes Regelsystem verstanden werden konne, sondern ihre produktive, prozesshafte Struktur langst auch fur den Deutschunterricht von Bedeutung sei (vgl. ebd.). Fur die Deutschdidaktik ist es daher bedeutsam, neben dem Kulturbegriff gleichfalls Elemente dieser Prozesshaftigkeit zu scharfen. Es gilt zu klaren, wie Prozesse eigentlich entstehen und welchen Faktoren und Bedingungen sie unterliegen. Der vorliegende Artikel versucht nachfolgend den Spagat, theoretische Eckpunkte der Kategorie kulturelle Praxis aus der Soziologie in die Deutschdidaktik zu importieren und gleichzeitig Elemente literalen Handelns auf dieser Grundlage zu beschreiben. Dabei bleibt es mithin weitgehend bei Andeutungen zum Bereich der Literalitat. Schwerpunkt ist demgegenuber die ausfuhrliche Aufklarung der Bedeutung kultureller Praktiken fur die Deutschdidaktik. Dazu wird zunachst das Verhaltnis von Kultur und Praxis geklart. Anschliesend werden mit den Kategorien Korper, Artefakt und Kontext wesentliche Dimensionen der Praxis vorgestellt. Zuletzt soll zudem ein forschungsmethodischer Aufriss erfolgen, der insbesondere zeigen soll, dass es sich bei kulturwissenschaftlichen Perspektiven in der Deutschdidaktik nicht lediglich um eine wohlgefallige Form der geisteswissenschaftlichen Theoriebildung handelt. Praxisforschung ist v.a. von Interesse, um die reale Produktion kultureller Ausdrucke fur Schule und Didaktik zu ermitteln.

Volume None
Pages 135-146
DOI 10.18716/OJS/MIDU/2019.1.11
Language English
Journal None

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