In isolierten Inselökosystemen weist die Evolution von Pflanzen und Tieren oft überraschende Phänomene auf, die als „Inselsyndrom“ bezeichnet werden. Dieses Syndrom erklärt, warum sich Arten auf Inseln in ihrer Morphologie, Ökologie, ihrem Verhalten und ihrer Physiologie deutlich von ihren Verwandten auf dem Festland unterscheiden. Diese Veränderungen sind in erster Linie das Ergebnis unterschiedlicher ökologischer Belastungen, zu denen unter anderem der Mangel an Raubtieren und Pflanzenfressern sowie ein anhaltend mildes Klima gehören.
„Ohne große Raubtiere verlieren Beutetiere auf Inseln häufig die Fähigkeit, Raubtieren zu entkommen, was zu evolutionärem Gigantismus und Zwergwuchs führt.“
Erstens weisen Inselökosysteme im Allgemeinen eine geringere Artenvielfalt auf. Dies bedeutet weniger Wettbewerbsdruck und keine Notwendigkeit, sich an eine einzigartige Umweltnische anzupassen. An Land führt die Anwesenheit großer Säugetiere und Raubtiere zu einer Diversifizierung der Körpergrößen unter den Arten, auf Inseln geht diese Diversifizierung jedoch häufig verloren. Kleine Landtiere werden oft größer, wie es bei größeren Raubtieren wie der Fossa von Madagaskar im Verhältnis zu einigen kleineren Raubtieren der Fall ist.
Eines der auffälligsten Merkmale des Inselsyndroms ist die Veränderung der Körperform. Nach dem „Fosterschen Gesetz“ werden auf Inseln normalerweise kleine Arten größer, während große Arten kleiner werden. Ein solches Beispiel sind etwa die kleinen Flusspferde im alten Madagaskar, da sie viel kleiner waren als die großen Flusspferde auf dem Festland.
„Organismen auf Inseln entwickeln oft Merkmale des Gigantismus oder Zwergwuchses, um den Bedürfnissen des lokalen Ökosystems gerecht zu werden.“
In Umgebungen mit geringem Raubdruck reduzieren viele Inselarten die Fortbewegungsfähigkeit, die sie zur Flucht vor Raubtieren nutzen. Auf manchen Inseln beispielsweise sind die Flügel kleiner Vögel und Spechte degeneriert und sie haben die Fähigkeit zum Fliegen verloren. Besonders deutlich ist dieses Phänomen bei den Maori-Vögeln Neuseelands und anderen Arten, die sich auf Inseln entwickelt haben. Gleichzeitig werden die Farben der Inselarten aufgrund des geringeren sexuellen Selektionsdrucks tendenziell blasser, wodurch die Artidentifizierung weniger wichtig wird.
Das Fortpflanzungsverhalten von Arten auf Inseln wird auch durch angeborene Konkurrenz beeinflusst. Auf Inseln haben Eltern typischerweise weniger Nachkommen, um eine ausreichende Pflege und Investition in jeden einzelnen Nachwuchs sicherzustellen – eine Strategie, die die Überlebensrate der Nachkommen erhöht.
Gemäß der „Hypothese des teuren Gewebes“ kann es bei Arten in Umgebungen mit deutlich geringerem Raubdruck zu einer Verringerung der Gehirngröße kommen. Dies liegt daran, dass das Gehirn, ein Gewebe mit hohen Stoffwechselanforderungen, einigen Inselarten keinen Überlebensvorteil mehr bietet. Gleichzeitig zeigen Inselarten auch Merkmale, die sie sanftmütiger und weniger territorial in ihrem Verhalten zeigen. So konkurrieren beispielsweise einige Mäuse und Singammer auf Inseln nicht so hart ums Überleben wie ihre Artgenossen auf dem Festland.
Auch die Evolution der Pflanzen auf Inseln weist einzigartige Merkmale auf. Auf Inseln können sich Pflanzengröße und -struktur je nach Umgebung ändern. Kleine Pflanzen können zum Beispiel aufgrund geringerer Konkurrenz größer werden, während große Pflanzen kleiner werden können. Zudem hätten sich viele Pflanzen durch das Fehlen leistungsfähiger Pflanzenfresser verändert und Abwehrstrukturen wie Dornen oder Gifte verloren.
Das Inselsyndrom sorgt dafür, dass die Arten auf Inseln hinsichtlich ihrer Vielfalt und Anpassungsfähigkeit einzigartig sind, allerdings sind diese Arten häufig anfällig für die Invasion fremder Arten. Historisch gesehen starb der Dodo auf Mauritius aufgrund von vom Menschen eingeführten Raubtieren aus, was uns daran erinnert, wie wichtig es ist, die Ökosysteme der Inseln zu schützen.
Durch die Untersuchung des Inselsyndroms können wir ein tieferes Verständnis für die Entstehung und Erhaltung der Artenvielfalt gewinnen. Wie werden sich diese einzigartigen Inselökosysteme angesichts der anhaltenden Auswirkungen menschlicher Aktivitäten in der Zukunft weiterentwickeln und welchen Herausforderungen und Chancen werden sie gegenüberstehen?