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Publication
Featured researches published by Albert Klein.
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
„Wer Kitsch erzeugt, ist nicht einer, der minderwertig Kunst erzeugt, er ist kein Nichts — und Wenigkonner, (.) er ist kurzerhand ein schlechter Mensch, er ist ein ethisch Verworfener, ein Verbrecher, der das radikal Bose will. Oder etwas weniger pathetisch gesagt: Er ist ein Schwein.“1
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Trivialliteratur ist eine ‚Einzelheit‘1 im System der Bewustseinsvermittlung fur Konsumenten. Ihr Stellenwert kann nur im Zusammenhang und Zusammenwirken mit den Massenmedien Rundfunk, Film, Fernsehen gesehen werden. In traditioneller Ausformung hat Trivialliteratur weitgehend nur noch Stutzfunktion gegenuber den neuen Medien, die durch akustisch und optisch erleichterte Zuganglichkeit faszinieren, ohne kaum grundlegend neue asthetische Formen ausgebildet zu haben, und somit „die Distanz der ‚Mundigkeit‘, die Chance namlich, sprechen und widersprechen zu konnen“2, einschranken. Den Prozes der Degeneration eines kritischen Lesepublikums zur Masse von Trivialitatskonsumenten spiegelt der Buchermarkt — ehedem das Forum burgerlicher Bildung und gleichzeitig erster Mittler der Konsumentenkultur — heute nur noch unzureichend wider. Fur den schnellen Verbrauch bestimmt, auf massenhafte Verbreitung hin kalkuliert, konkurrieren Billigprodukte (Hefte, Magazine, Wochenendpresse etc.), die durch eingangige Aufbereitung von Informationen zu ‘stories’ (z. B. Vermischung von publizistischen und literarischen Formen in der ‘human interest story’ den ‚wahren ‘Geschichten und Erlebnissen) und durch zunehmende Visualisierung der Texte auf distanzlose Rezeption abzielen. Trivialitat in Buchform tritt gemessen an der Massenhaftigkeit von Billigprodukten in den Hintergrund.3 Jedoch darf die Bedeutung von eingebundener Trivialitat, die sich anspruchsvoll und ‚gehoben ‘anbietet, nicht unterschatzt werden. An eine bildungsburgerliche Buchtradition anknupfend, kaschiert sie in ihrer Aufmachung den Konsumcharakter, um auf ‚Halbbildung’ spekulieren zu konnen.
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Trivialitatsanalyse und Trivialitatskritik waren unzureichend — und letztlich dem eigenen Interesse gegenlaufig —, sofern nicht im gleichen Bezugsrahmen die spezifische Qualitat kunstlerischer Auserung und Wahrnehmung als explizite Gegenposition zu Trivialitat erkannt wurde. Versteht man Kunst aus ihrer „immanenten“ Bewegung gegen die etablierte Ordnung einer Gesellschaft, da „sie den Menschen aus den Vorstellungen und Vorurteilen uber die Wirklichkeit in die Wirklichkeit und ihre Wahrheit selbst“1 fuhrt, so stellt sie prinzipiell triviales Selbstverstandnis und Auserungen, die solches reproduzieren, in Frage.
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Neuere literaturwissenschaftliche Ansatze haben die Vorrangstellung abgebaut, die man in der literaturwissenschaftlichen Tradition der sogenannten „Schonen Literatur“ oder der „Literatur im engeren Sinne“1 einraumte. Der Tradition ging es vor allem um Texte von Asthetischer Qualitat, um „Dichtung“.2 Es gab unterschiedliche begriffliche Positionen, von denen aus man das Asthetische zu fassen suchte, deshalb ist es nicht moglich, die asthetischen Wertkriterien, die bei der Auswahl der Forschungsobjekte wirksam waren, auf einen Nenner zu bringen.3 Die Forschung konzentrierte sich auf Werke, die als uberragend galten und von denen man annahm, das sich ihre Bedeutung in der Geschichte durchhalte. asthetisch geringwertige Texte, die im heutigen Sprachgebrauch von Literaturwissenschaft und Literaturpadagogik „{itTrivialliteratur}“ heisen, lagen auserhalb des Forschungsinteresses. Durch ihre Einbeziehung in die wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten anderthalb Jahrzehnte wurden unreflektierte literaturasthetische, literatursoziologische und literaturpadagogische Vorverstandnisse und ‚Selbstverstandlichkei-ten ‘in Frage gestellt. Die Ausweitung des Gegenstandsbereiches auf — wie man meinte — asthetisch irrelevante Bezirke fuhrte zunachst dazu, das vielfach jede asthetisch wertende Aussage als „relativ“
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Kritik an Trivialliteratur selbst ware der Resignation forderlich, wenn sie nicht imstande ware, auf andere Literatur zu verweisen, die — nicht weniger unterhaltend als jene — geeignet ist, die gewohnliche oder triviale „Ordnung der Dinge“ wirklich zu durchbrechen: „Nun gilt es, ein Loch in diese Ordnung der Dinge hineinzustosen, die Welt zu verandern, zu verbessern oder ihr zum Trotz sich wenigstens einen Himmel auf Erden herauszuschneiden.“1 Romanhafte Abenteuerlichkeit, die aus der Konfrontation der real erfahrenen Welt mit „urrechtlichen Wunschphantasien“ entwachst2, hat ihre grosen Vorbilder in der Abenteuer- und Gesellschaftsliteratur des 19. Jahrhunderts meist angelsachsischer und franzosischer Herkunft, an die selbst noch die zur Kolportage verkommenen Formen erinnern.3 Diese Literatur, die vielleicht am unmittelbarsten im Genre des Kriminal- und Detektivromans und im ‘thriller’ (z. B. Hammett, Chandler, Highsmith, Simenon u. a.) weiterlebt4, antizipiert Moglichkeiten der Abweichung von gewohnlichem Denken und Handeln in Freiraumen der Phantasie. Solche Darstellungen, die selbst Vergnugen bereiten, ohne das sie in Langeweile abgleiten oder aufgesetzter Effekte bedurfen, offnen sich „konkreter Utopie“.
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Im vorigen Kapitel haben wir dafur pladiert, auch zu einer bejahenden oder ablehnenden Haltung, die Texte im konkreten gesellschaftlichen Leben erfahren, wissenschaftlich Stellung zu nehmen. Damit sollte keineswegs die Berechtigung einer empirischinduktiv vorgehenden Literaturwissenschaft geleugnet werden. Bevor wir versuchen, das Vorgehen einer von ‚kritisch-prakti-schem Interesse‘1 geleiteten Literaturwissenschaft etwas deutlicher und grundsatzlich gegen empirisch-induktive Verfahren abzugrenzen, wollen wir uns um mehr Klarheit uber den Gegenstand der Literaturwissenschaften bemuhen.
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Ein Resumee der gegenwartigen literaturwissenschaftlichen Praxis im Umgang mit Trivialliteratur der Vergangenheit und Gegenwart last den Eindruck gewinnen, die Germanistik habe sich endlich ihres „musealen Charakters“1 entledigt. Die Entgrenzung ihres Gegenstandsbereichs verweist auf ein verandertes, — im weitesten Sinne — didaktisch dimensioniertes, d. h. gesellschaftlicher Realitat verpflichtetes Selbstverstandnis, das die notwendige Voraussetzung darstellt, um „an die Stelle der Illusion Wirklichkeit“ setzen zu konnen.2/3 Die pauschale Feststellung, das die Literaturwissenschaft heute das Objekt Trivialliteratur akzeptiert und die von der ‚Wissenschaft von der Dichtung ‘(W. Kayser) abgestreckte Bannmeile durchbrochen hat — eine Tatsache, die sich ebenso im akademischen Lehrangebot wie in Publikationsquantitat dokumentiert —, sollte jedoch nicht uber die Gebundenheit von kritischer Beschreibung und Wertung an den Standort solcher Aussagen hinwegtauschen.
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Der von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno gepragte Begriff „Kulturindustrie“ bezeichnet das Wesen einer Kultur, „die nicht nur in ihrer Form, sondern auch dem Inhalt nach zur Ware wird“1. 16 Jahre nach Erscheinen der grundlegenden Abhandlung „Kulturindustrie. Aufklarung als Massenbetrug“ in dem von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno gemeinsam verfasten Buch „Dialektik der Aufklarung“ (1947) resumiert Theodor W. Adorno 1963 in einem Vortrag: „In unseren Entwurfen war von Massenkultur die Rede. Wir ersetzten den Ausdruck durch ‚Kulturindustrie‘, um von vornherein die Deutung auszuschalten, die den Anwalten der Sache genehm ist: das es sich um etwas wie spontan aus den Massen selbst aufsteigende Kultur handele, um die gegenwartige Gestalt von Volkskunst. Von einer solchen unterscheidet Kulturindustrie sich aufs auserste. Sie fugt Altgewohntes zu einer neuen Qualitat zusammen. In all ihren Sparten werden Produkte mehr oder minder planvoll hergestellt, die auf den Konsum durch Massen zugeschnitten sind und in weitem Mas diesen Konsum von sich aus bestimmen. Die einzelnen Sparten gleichen der Struktur nach einander oder passen wenigstens ineinander. Sie ordnen sich fast luckenlos zum System. Das gestatten ihnen ebenso die heutigen Mittel der Technik wie die Konzentration von Wirtschaft und Verwaltung. Kulturindustrie ist willentliche Integration ihrer Abnehmer von oben. Sie zwingt auch die jahrtausendelang getrennten Bereiche hoher und niederer Kunst zusammen. Zu ihrer beider Schaden. Die hohe wird durch die Spekulation auf den Effekt um ihren Ernst gebracht; die niedrige durch ihre zivilisatorische Bandigung um das ungebardig Widerstehende, das ihr innewohnte, solange die gesellschaftliche Kontrolle nicht total war.“2
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Der poetologischen, historischen und geschmackssoziologischen Argumentation fur die Aufhebung einer rigorosen dichotomischen Scheidung von Kunst und Trivialitat kommt das Verdienst zu, die festgefahrene literaturwissenschaftliche Einseitigkeit in der Auswahl, Gewichtung und Bewertung von Texten in Frage gestellt zu haben. Jedoch bleiben solche Argumentationen trotz ihres heuristischen Wertes steril, da sie sich letztlich in einem innerliterarischen Beziehungsfeld orientieren, in dem die Spezifitat der gesellschaftlichen Valenz des Trivialen nur peripher Berucksichtigung findet. Die in solchen Theorien und Beschreibungen vorgenommene Aufhebung der traditionellen dichotomischen Literaturauffassung lost nicht die Dichotomie selbst „als historische Erscheinung, als Herausbildung literarischer Qualitatsunterschiede zu literarischen Klassen“1. Denn: herrschaftsgemaser Produktion und herrschaftswilliger Rezeption, offen. Die literarhistorische Forschung, die sich nicht mit purer Deskription des Verhaltnisses von Literatur und Gesellschaft begnugt, sondern Ideologiekritik mit hermeneutischer Reflexion verbindet, demonstriert modellartig den Prozes der Degeneration von Literatur als kritischer Potenz zu einem Mittel der Steuerung und Unterdruckung von Bewustsein. Das „Bundnis von Trivialitat und Ideologie“4 — und letztlich deren Identitat — beinhaltet langst vor der Totalitat der Kulturindustrie alle Elemente von herrschaftsgemaser Produktion, bevor „sie von oben ergriffen und auf die Hohe der Zeit gebracht“5 werden.6 Mit der Zuordnung von Texten auf gesellschaftliche Bedingtheiten zeigt die literarhistorische Ruckblende, „wie die Wechselwirkung von literarischer Produktion und Konsumtion und die Art des durch Literatur aufgebauten Erwartungshorizontes auf den okonomischen und politischen Bedingungen der Gesamtgesellschaft aufruhen“7.
Archive | 1977
Albert Klein; Heinz Hecker
Beachtung, Deutung und Wertung der asthetisch geringwertigen Literatur differieren nach den verschiedenen Positionen, die sich in der Literaturwissenschaft herausgebildet haben. Im folgenden ist es unser Ziel, die historische Bedingtheit wichtiger Positionen in der Trivialitatsforschung herauszustellen und den Trends nachzugehen, die zu dem gegenwartigen Diskussionsstand gefuhrt haben. Die Vorverstandnisse, von denen aus Trivialliteratur gedeutet und eingeordnet wird, sollen kritisch beleuchtet werden.