Bernhard Pörksen
University of Tübingen
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Publication
Featured researches published by Bernhard Pörksen.
Archive | 2011
Bernhard Pörksen
Wenn man sich fragt, wie alles angefangen hat, wie und mit welchen Ideen und Veroffentlichungen konstruktivistische Autoren zunachst Aufmerksamkeit erzeugt haben, dann entdeckt man eine Art Grundungsdokument – wenn man so will: ein Manifest, ein Programm, das viele Motive des konstruktivistischen Denkens bereits in kompakter Form enthalt. Der Titel dieses Grundungsdokuments lautet: „Biology of Cognition“ (1970). Sein Autor ist der chilenische Neurobiologe Humberto R. Maturana. Maturana schlagt in diesem Aufsatz in einer eindringlichen Sprache vor, den Prozess des Erkennens aus einer biologischen Perspektive zu betrachten, also den Philosophen gewissermasen die Erkenntnisfrage abzunehmen, sie auf dem Terrain der Neurobiologie wieder zu stellen, um sie dann auch dort zu beantworten. Ziel ist es, den Erkennenden, den Beobachter, selbst ins Zentrum des Forschens zu rucken, ihn als Quelle allen Wissens sichtbar zu machen. Wer sich, so Humberto R. Maturana, aus der Sicht eines Biologen mit der Wahrheit des Wahrgenommenen befasst, dem wird unvermeidlich klar, dass er selbst zu den Objekten gehort, die er beschreiben will. Er ist ein lebendes System, das lebende Systeme verstehen mochte. Das Subjekt studiert ein Objekt, das es selbst sein konnte. Die Situation rutscht ins Zirkulare, geht es doch stets darum, als Wahrnehmender die Prozesse der Wahrnehmung zu verstehen. Man fuhlt sich an die mythologische Figur des Ouroboros erinnert: Die Schlange beist sich in den Schwanz; ein Gehirn erklart das Gehirn; ein Erkennender erkennt das Erkennen. Das Subjekt ist sich sein eigenes Objekt.
Archive | 2011
Bernhard Pörksen; Armin Scholl
Die empirischen Befunde der Journalismusforschung und ihre (theoretische) Interpretation scheinen eindeutig und einhellig zu sein: Ob im Internet alles lediglich als Content erscheint, wie Christoph Neuberger (2002) angesichts der Unubersichtlichkeit im neuen Medium fragt, ob der Journalismus an seinen Randern ausfranst (vgl. Scholl & Weischenberg 1998, 270), ob Journalismus zwischen Selbstreferenz und Fremdsteuerung oszilliert (vgl. Weber 2000, 166 ff.) – alle diese Beobachtungen sind ein Indiz dafur, dass der Journalismus ein Grenz- und damit auch ein Identitatsproblem hat.
Archive | 2004
Bernhard Pörksen
Der ehemalige Chefredakteur des ZDF, Klaus Bresser, hat im Jahre 1992 ein kleines Buch veroffentlicht. Es tragt den Titel: „Was nun? Uber Fernsehen, Moral und Journalisten.“ Gleich im ersten Kapitel liest man: „Journalisten haben zu berichten, was ist. Sie haben das Wahre vom Falschen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wenn das gelingt, ist viel erreicht.“ (Bresser 1992: 12) Journalisten gelten bei Bresser (1992: 13) als „Wahrheitsvermittler“, ein wie immer begrundeter Erkenntniszweifel erscheint ihm fremd: Philosophen haben uns in den letzten Jahren weismachen wollen, die Medien informierten gar nicht, sondern sie erfullten nur Erwartungen, lieferten marktgerechte Entwurfe von Wirklichkeiten. Ich beharre darauf, dass die Medien und auch das Fernsehen in der Lage sind, Wirklichkeit darzustellen. Der Anspruch auf Wahrheit ist nicht naiv. (Bresser 1992: 17)
Archive | 2014
Bernhard Pörksen
Wenn man erkenntnistheoretischen Postulate und Annahmen als Begrundung ethisch-moralischer Prinzipien verwendet, dann muss man – noch bevor dies geschieht – grundsatzlicher fragen, wie sich der Zusammenhang von Erkenntnistheorie und Ethik uberhaupt erfassen lasst. Diese Frage musste vor der eigentlichen Konkretisierungs- und Umsetzungsarbeit, vor der Proklamation ethisch-moralischer Schlussfolgerungen und Imperative zumindest prinzipiell geklart werden, weil ihre Klarung wesentlich daruber entscheidet, welches Veranderungspotenzial man uberhaupt den konstruktivistischen Einlassungen zuschreiben mag und ihnen letztlich zutraut.
Archive | 2014
Bernhard Pörksen
Was sich aus den konstruktivistischen Pramissen und Postulaten ergibt, ist idealer Weise eine ethische Sensibilisierung, kein direkt aus der Erkenntnistheorie ableitbares Handlungsprogramm, keine konkrete Verhaltensvorschrift, die sich punktgenau umsetzen liese. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich bei den noch verstreut vorliegenden Ansatzen und Entwurfen um eine Ethik der Ethik-Ermoglichung(Kramaschki 1995: 262 f.) oder auch: um eine Ethik zweiter Ordnung, eine Beobachtung von Argumentationsweisen im Bereich der Ethik, die ihrerseits mit ethischen Absichten geschieht. Eine solche Beobachtung benennt die zentralen Vorbedingungen ethisch-moralischen Handelns, die auch fur die Ethik der Medien Bedeutung besitzt. Als relevante Vorbedingungen und Pramissen ethisch-moralischen Handelns erscheinen demzufolge: die Annahme der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen; die Betonung und Anerkennung von Eigenverantwortung, die jedem Individuum zugebilligt werden muss; die Bereitschaft zur dauerhaften Reflexion und produktiven (Selbst −) Verunsicherung (vgl. Baum und Scholl 2000: 93); die spezifische Verknupfung von Erkenntnistheorie und Ethik, die nicht als striktes, zwangsweise gultiges Ableitungsverhaltnis, sondern als Anregungsverhaltnis aufgefasst wird. Mogliche gedanklichkonzeptionelle Fehler, die den eigenen Entwurf im Widerspruch zu konstruktivistischen Pramissen geraten lassen wurden, sind: der Rekurs auf unbedingt gultige Begrundungen (z. B. auch, wie einige Jahre unter Konstruktivisten in Mode, durch den Hinweis auf die Ergebnisse und Gewissheiten der Hirnforschung), ein moralisches Besserwissertum, Versuche, anderen die eigene Ethik-Konzeption aufzuzwingen, die Konkretion von moralisch-ethischen Orientierungen und Reflexionsanregungen in Richtung von inhaltlich gefullten Vorschriften, Gesetzen, Imperativen. Damit zeigt sich: Es sind vor allem Meta-Reflexionen, Denkanstose, die sich aus dem Konstruktivismus fur die Medienethik gewinnen lassen. Sie mogen im Verhaltnis zu einem konkreten Handlungsdruck als schwach und viel zu allgemein erscheinen, fast als Ausdruck von Resignation und einer theoriefaszinierten Gedankenflucht. Die merkwurdige Starke und vielleicht auch Attraktivitat einer konstruktivistischen Ethik der Ethikermoglichung besteht jedoch darin, dem anderen – und naturlich ist dies eine idealistische Setzung – zu vertrauen. Vermutlich ist dieses Ideal des mundigen, entscheidungsfahigen und verantwortlich agierenden Gegenubers uberhaupt ohne vernunftige Alternative, wenn und solange von Ethik die Rede ist.
Archive | 2014
Bernhard Pörksen
Es liegt bislang keine konsequent entfaltete konstruktivistische Medienethik vor. Was sich darstellen lasst, ist vielmehr eine Sammlung von Begriffsvorschlagen und Denkansatzen, die fur die Medienethik folgenreich sind, sein konnten. Man kann durchaus relevante Ertrage der konstruktivistischen Perspektive ausfindig machen, die allerdings, wie gerade skizziert, alles andere als unumstritten sind.
Archive | 2014
Bernhard Pörksen
Es gibt – soviel lasst sich aller erkenntnistheoretisch informierten Skepsis zum Trotz mit Gewissheit sagen – nicht den Konstruktivismus, sondern nur Varianten des Konstruktivismus, die bei aller Unterschiedlichkeit dann aber doch noch als solche erkennbar sind. Daher muss eine Einfuhrung in das konstruktivistische Denken und eine Auseinandersetzung mit konstruktivistischen Begrundungen der Medienethik notwendig aus einer doppelten Perspektive geschehen, gilt es doch einerseits Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, andererseits aber Unterschiede deutlich werden zu lassen. Die erste, die zentrale Gemeinsamkeit: Das konstruktivistische Kernproblem, namlich die prozessual verstandene Entstehung von Wirklichkeit, zu beobachten und herauszuarbeiten, ist in groben Zugen identisch.
Archive | 2014
Bernhard Pörksen
Die Rezeption derartiger Kern-Satze des Konstruktivismus in der Medien- und Kommunikationswissenschaft hat einen vermutlich ohnehin virulenten Grundkonflikt zwischen Realisten und Relativisten im Fach noch einmal aktualisiert. Besondere Scharfe gewann die Debatte auch deshalb, weil das charakteristische Mischprogramm des Konstruktivismus, namlich Erkenntnistheorie und Ethik zu verknupfen, vehemente Ablehnung provoziert hat. Im Zentrum stand und steht der Vorwurf der Legitimation von Beliebigkeit, der Vorwurf der erkenntnistheoretischen Begrundung eines postmodernen ‚Anything goes‘. Weil alles Erkennen in das individuelle Belieben des Einzelnen gestellt werde, weil Welterkenntnis sich weitgehend willkurlich vollziehe, so das Argument der Konstruktivismus-Kritiker, gebe es auch keine gesicherten Masstabe mehr, um uber die Qualitat von Medienangeboten zu richten; die Basis journalistischer Arbeit werde gewissermasen erkenntnistheoretisch zerstort.
Archive | 2012
Bernhard Pörksen; Hanne Detel
Plagiate, uberall Plagiate: Der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat in seiner Doktorarbeit abgeschrieben – und den Startschuss fur eine grose Zahl vergleichbarer Enthullungen geliefert, die ohne das Internet und die geballte Macht der Schwarme nicht moglich waren. Der Beitrag zeigt:
Archive | 2011
Bernhard Pörksen; Heinz von Foersters
Wenn man Heinz von Foerster, den man als den „Sokrates des kybernetischen Denkens“ bezeichnet hat, fragte, ob er sein Werk dem Konstruktivismus zurechnen und sich selbst als Konstruktivisten bezeichnen wurde, antwortete er in der Regel mit einem Witz. Das Etikett des Konstruktivisten erschiene ihm unpassend – als Schlusselbegriff einer Taxonomie, die von der Auseinandersetzung mit seinen Arbeiten eher ablenke und den Anlass fur ganz im Akademischen verhaftete Streitgesprache zwischen Realisten, Relativisten und Solipsisten bilde. Vielleicht konne man ihn einen „Neugierologen“ nennen; in jedem Fall sei er ein „Wiener“. Das liese sich nun wirklich nicht leugnen, dort sei er geboren; dieses Label musse er wohl einfach so hinnehmen. Womoglich ist dieser Hinweis auf die eigene Herkunft aus dem Wien der Jahrhundertwende und generell der Verweis auf die eigene Biografie in der Tat ein entscheidender Schlussel, um das Werk Heinz von Foersters zu verstehen und einzuordnen, seine besondere Form des Konstruktivismus und die Prinzipien seiner inter- und transdisziplinaren Erkenntnistheorie zu dechiffrieren.