Christel Meier

Metamorphosen und Theophanien

Zwischen 1890 und 1893 beschäftigte sich der französische Maler und Bildhauer Jean-Léon Gérôme († 1904) wiederholt mit dem Mythos von Pygmalion und Galatea aus Ovids 2 (Abb. 11) 3. Das Gemälde von um 1890 zeigt den Künstler in dieser Geschichte mit einer bemerkenswerten Darstellung schwieriger Gegenstände: zum einen der Verwandlung von der Marmorstatue in einen lebenden Menschen; man sieht den weichen biegsamen fleischfarbenen Oberkörper, während die Füße und Beine noch fast weiß und in einem starren Zwischenzustand verharren. Zum anderen überrascht der Einbruch des Göttlichen, die Erscheinung des schwebenden Cupido, des Venusboten, in das Werkstatt-Ensemble vor der Wand des Atelierraums in seiner traditionellen, fast mittelalterlichen Ausführung. Die wunderbare Metamorphose also und die Theophanie als körperlich-materielle Erscheinung einer göttlichen Kraft erzeugen bei dem sonst realistisch, ja geradezu photographisch arbeitenden Maler des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine merkwürdige Spannung im Bild. Was die Dichter mit Worten beschreiben können, wird für die bildende Kunst zu einem ihrer kardinalen Darstellungsprobleme: die Prozessualität im Bild als solche sichtbar zu machen oder das immaterielle Wunderbare in der Materialität des gemalten

Text und Bild

weil Kontroversen einigermaßen zuverlässig dokumentiert werden. Auf Schlußfolgerungen, wie sie das knappe Vorwort zum ersten Band skizziert und verheißt, verzichten die späteren Almanache leider völlig und begnügen sich damit, eine für Studien der Gegenwartsliteratur letztlich unentbehrliche Materialsammlung bereitzustellen. Tritt doch zu den sachlich methodischen Tükken noch eine Eigenart der Wissenschaftsorganisation, um solche Sammlungen zu rechtfertigen; während nämlich das Interesse an der Gegenwartsliteratur bei der Auslandsgermanistik äußerst rege ist und auch institutionell seit langem und wirksam gefördert wird anders also als etwa in der Bundesrepublik , werden gerade kleinere ausländische Universitäten sich nur mühsam und mit großen Zeitverlusten über den jeweils jüngsten Diskussionsstand informieren können. Für Lehrende und erst recht für Lernende sind deshalb Arbeitsgrundlagen wie die Fischer Almanache und aktuelle Ratgeber wie Reclams Jahresüberblick seit 1982 ein nützliches und begrüßenswertes Hilfsmittel.