Dominik Groß

Sektionen in Deutschland: Historische Wurzeln, gegenwärtiger Stellenwert und aktuelle ethische Probleme

Abstract. Definition of the problem: In Germany, the dissection rate of the deceased is distinctly lower than in many other European countries. Although critics of autopsies use to put forward ethical objections and religious scruples, neither the Christian church nor piety stand opposite to the practise of autopsies. Arguments: From an ethical point of view, there are numerous arguments for an increase in the number of autopsies. It can be shown that not only the deceased, his relations and the physicians but also the population as a whole could take advantage of a higher percentage of dissections. In Germany, law authorities put much more emphasis on the regulation of birth and origin of life than on problems concerning dying and death of human beings. Legal obstacles and tendentious reporting by the mass media are serious reasons for the poor popularity of dissections of the corpse. Conclusion: For many reasons, comprehensive and unbiassed information about autopsies, fundamental legislative reforms and an increase of the dissection rate have to be claimed.Zusammenfassung.Seit vielen Jahren liegt die Sektionsrate in Deutschland deutlich unter dem Niveau anderer europäischer Staaten. Wenngleich Skeptiker und Gegner der inneren Leichenschau ihren Standpunkt mit dem allgemeinen Hinweis auf sittlich-religiöse Bedenken zu untermauern suchen, lassen sich – gerade unter ethischen Gesichtspunkten – zahlreiche Argumente für eine Erhöhung der Sektionsfrequenz ausmachen. Letztere betreffen den Verstorbenen ebenso wie die Angehörigen, weitere an der inneren Leichenschau beteiligte Personen und die Gesundheitsfürsorge als Ganzes. Weder die Anschauungen der christlichen Religion noch das vielzitierte allgemeine Pietätsempfinden stehen einer Leichenöffnung entgegen. Die vergleichsweise geringe Akzeptanz der inneren Leichenschau in der Bevölkerung ist nicht zuletzt auf eine mangelnde Aufklärung und eine unbefriedigende Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen. Eine unsachliche Berichterstattung in einem Teil der Medien ist hierbei ebenso geltend zu machen wie das mangelnde Engagement mancher Ärzte und Amtsrichter. Hinzu kommen Erschwernisse von seiten des Gesetzgebers, der den Regelungen zur Entstehung und Geburt menschlichen Lebens seit Jahren einen größeren Stellenwert einräumt als bestehenden Problemen im Zusammenhang mit Sterben und Tod.

Information, Consent and Treatment of Patients with Morgellons Disease: An Ethical Perspective

Morgellons is a medically contested diagnosis with foremost dermatological symptoms. Patients experience fibers emerging from the skin, together with a range of other somatic, psychiatric, and neurological complaints. Within the medical community, it is generally held to be a variation of delusional parasitosis/delusional infestation, which is usually treated with antipsychotics. Little attention has been paid in the literature to the ethical aspects of treating patients with Morgellons disease. The communicative strategies suggested in the literature display significant ethical issues, primarily the use of therapeutic privilege, i.e. withholding information from the patient. Since this limits patient autonomy, that approach is ethically problematic. Instead, the physician has an ethical obligation to respect the patient’s autonomy, provide full information, and seek consent before initiating a psychiatric referral.

Die Sterbehilfedebatte und das Bild der Palliativmedizin in deutschen Printmedien

ZusammenfassungDie Diskussionen um Sterbehilfe und Patientenverfügung sowie der Ruf nach einer Stärkung der Palliativmedizin nehmen viel Platz in der deutschen Presselandschaft ein. Da Zeitungen einerseits Meinungen und Wissen der Bevölkerung abbilden, andererseits auch zu deren Meinungsbildung und Information beitragen, wurde eine Analyse der Darstellung der Sterbehilfedebatte und der Palliativmedizin durchgeführt. Als empirisches Material dienten 433 Artikel aus den Jahren 2006 und 2007, die mithilfe einer Suche nach den Schlagworten „Palliativmedizin“, „Hospiz“, „Sterbebegleitung“, „Patientenverfügung“, „Patientenautonomie“ und „Sterbehilfe“ in den Print-Archiven verschiedener deutscher Zeitungen identifiziert wurden. Diese Artikel wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Mit Würde, Selbstbestimmung, Unterversorgung und Unsicherheit zeigten sich vier Hauptargumente innerhalb der Sterbehilfedebatte. Würde wird dabei als Argument sowohl für wie gegen aktive Sterbehilfe benutzt. Eine Unsicherheit zeigt sich in der Terminologie der Sterbehilfe. Das Bild der Palliativmedizin ist gekennzeichnet von der Hoffnung, dass sie eine Alternative zur Sterbehilfe bieten kann, sofern sie weiter ausgebaut und besser finanziert wird. Die Ergebnisse bestätigen die in verschiedenen Studien aufgezeigte Bedeutung der Begriffe Würde und Selbstbestimmung für die Einstellung der Bevölkerung zu Sterbehilfe, Suizidbeihilfe und Patientenverfügungen. Das Potential und die noch zu gering ausgebauten Strukturen der Palliativmedizin werden zunehmend erkannt. Demgegenüber erschwert das mangelnde Wissen um die Sterbehilfe-Terminologie und die rechtlichen Grundlagen der Therapiebegrenzung und Patientenverfügungen eine Diskussion um die Sterbehilfe auch auf fachlicher Ebene.AbstractBackground In Germany the discussion about euthanasia and physician assisted suicide is prevalent in the media. This study will analyse the way German newspapers represent the discussion about the end of life and how they report about palliative medicine. Methods A qualitative data analysis was performed of 433 articles published in the years 2006 and 2007 in different German newspapers. The archives of the selected newspapers were searched for “palliative medicine”, “hospice”, “patient’s autonomy”, “patient’s will”, “euthanasia” and “terminal care”. Results Dignity, autonomy, inadequate provision of care and uncertainties were identified as the major topics in the debate about euthanasia. Dignity was used both as an argument for and against legislation of euthanasia. The terminology on euthanasia is not used consistently in Germany. Palliative medicine is described as a possible alternative to euthanasia which should be developed and reimbursed better. Conclusion These findings underline the importance of dignity and autonomy for the public opinion on the end of life. The media show the potential of palliative medicine as an alternative to euthanasia but claim further development of palliative care. The inconsistencies in terminology as well as in the content of end of life decisions have to be clarified to allow an objective discussion. Politicians and the medical profession should know about the public statements and opinions, to react adequately to patient’s fears and allowances.

Klinische Behandlungspfade in ethischer Sicht. „Sektion Ethik“ des nationalen „Arbeitskreises Ethik“ der „Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ im Rahmen des „Deutschen Zahnärztetages“

Der Deutsche Zahnärztetag 2016 stand unter dem thematischen Motto „Klinische Behandlungspfade – Ziele, Etappen, Stolpersteine“. Im Rahmen dieser übergeordneten, am 11. und 12. November 2016 in Frankfurt verhandelten Thematik richtete der Arbeitskreis Ethik eine wissenschaftliche Sektion aus, die auf den 12. November terminiert war. Dabei handelte es sich insgesamt bereits um die siebte im Rahmen des Zahnärztetages vom Arbeitskreis verantwortete Fachveranstaltung zur Ethik in der Zahnheilkunde. Besagte Sektion stand allen Besuchern des „Deutschen Zahnärztetages“ offen und fand wie in den Vorjahren im Beisein zahlreicher Vertreter der Fachpresse statt (u. a. Sarah Friedrich, Redaktion „Zahnärztliche Mitteilungen“; Cornelia Gins, Redaktion „ZWR – Das Deutsche Zahnärzteblatt“, Christine Albinger-Voigt, Redaktion „Systemische Orale Medizin“). Die Veranstaltung widmete sich im Rahmen von vier diskutierten Fachvorträgen verschiedenen zahnärztlichen Themenschwerpunktenmit klinisch-ethischem Klärungsbedarf, die allesamt am Leitthema „Behandlungspfade“ orientiert waren. Die Sektion wurde moderiert von Gereon Schäfer (Saarbrücken) und Dominik Groß (Aachen). Neben den Fachvorträgen fand die erstmalige Verleihung des Dental Ethics Award statt.

Ethics rounds: affecting ethics quality at all organisational levels

Clinical ethics support (CES) services are experiencing a phase of flourishing and of growing recognition. At the same time, however, the expectations regarding the acceptance and the integration of traditional CES services into clinical processes are not met. Ethics rounds as an additional instrument or as an alternative to traditional clinical ethics support strategies might have the potential to address both deficits. By implementing ethics rounds, we were able to better address the needs of the clinical sections and to develop a more comprehensive account of ethics quality in our hospital, which covers the level of decisions and actions, and also the level of systems and processes and aspects of ethical leadership.

Hans Holfelder und der SS‑Röntgensturmbann

Am Institut für Geschichte,Theorie und EthikderMedizinderRWTHAachenbeschäftigte sich zwischen 2013 und 2015 ein von der dortigen Medizinischen Fakultät gefördertes Forschungsprojekt mit dem Frankfurter Röntgenologen Professor Dr. Hans Holfelder (1891–1944) und dem von ihm gegründeten und kommandierten SS-Röntgensturmbann ([1]; . Abb. 1). Holfelderwurde 1929 zumOrdinarius für Allgemeine Klinische Röntgenkunde in Frankfurt am Main als bis dahin dritter Lehrstuhlinhaber des Faches in Deutschland berufen und genoss zu diesem Zeitpunkt durch methodische Verbesserungen der Strahlentherapie bereits internationales Renommee. Kurz vor dem Aufnahmestopp der NSDAP im Mai 1933 trat er der Partei und anschließend der SS bei, was seine Wahl zum Dekan der Medizinischen Fakultät im November ermöglichte. Während seiner Amtszeit machte Holfelder sich jedoch bei einflussreichen Kollegen und zentralen Dienststellen der Universität und der Stadt Frankfurt derart unbeliebt, dass er 1934 nicht wiedergewählt wurde.Da sichauchseineZiele, inFrankfurt ein unabhängiges Zentralröntgeninstitut aufzubauen, in der Folge nicht realisieren ließen, entwickelte er zunächst die Methoden und Techniken der Röntgenreihenuntersuchung und der Röntgenreihenfotografie weiter und intensivierte Ende der 1930er-Jahre sein Engagement in der SS. Auf der Grundlage der Frankfurter SS-Sanitätseinheit baute er den SS-Röntgensturmbann auf. 1938 wurde dasVerfahrenderRöntgenreihenfotografie auf dem Nürnberger Parteitag an ca. 12.000 SS-Männern erstmals getestet [1–4]. Die SS bot Holfelder die Möglichkeit einer Karriere innerhalb der – vermeintlichen – „rassischen“ Elite des „Dritten Reiches“ an, wofür Holfelder sich und seine Kompetenzen bereitwillig in den Dienst von Heinrich Himmlers zunehmend mächtiger werdenden Terrororganisation stellte. Die Früherkennung der Tuberkulose sowie die Anlage eines reichsweiten Röntgenkatasters gerieten während des Zweiten Weltkrieges jedoch mehr und mehr zur Nebensache. Vielmehr erfüllte der von HolfelderkommandierteRöntgensturmbann verschiedene „rassenhygienische“, politische und militärische Aufgaben im Auftrag der SS. Neben geheimen Plänen zur Gesamterfassung der Bevölkerung durch Reihenuntersuchungen zur Tuberkulosebekämpfung fanden als Röntgenreihenuntersuchung getarnte „Rassenuntersuchungen“ bei den großen Umsiedlungsaktionen der sogenannten Volksdeutschen in Osteuropa sowie geheime Musterungen von Hitlerjungen statt. Es gibt zahlreiche Berichte, dass die Jugendlichen während dieser als Untersuchung getarnten Musterung massiv unter Druck gesetzt und zu einem Beitritt zur Waffen-SS genötigt wurden. Ein ähnliches Verfahren ist wahrscheinlich auch bei Musterungen von Freiwilligen aus den verbündeten Staaten angewendet worden. Des Weiteren untersuchte man Fremdund Zwangsarbeiter sowie KZ-Häftlinge auf ihre Ansteckungsgefahr hinsichtlich der Tuberkulose zur Aufrechterhaltung des Arbeitseinsatzes [2]. Zwar ist die Tätigkeit des SS-Röntgensturmbanns noch immer nicht im Detail rekonstruiert, jedoch konnte das verfügbare Wissen über verschiedene Einsätze durch die Autoren mittlerweile erweitert werden. Neben einem Einsatz des Röntgensturmbanns im Konzentrationslager Buchenwald [1, 2, 5] belegendiverseKorrespondenzen auch die Anwesenheit von Angehörigen der Einheit in den Konzentrationslagern Dachau im Jahr 1942 und Lublin/Majdanek 19441. Leider ist dem entsprechenden Schriftgut nicht zu entnehmen, welche Aufgaben der Rönt-

Knowledge and attitudes on electroconvulsive therapy in Germany: A web based survey

OBJECTIVE The aim of this article is to examine knowledge and attitudes on electroconvulsive therapy (ECT) among the German population. METHOD A web-based population survey based on a standardized questionnaire was used to examine knowledge and attitudes towards ECT as a treatment of severe depression among the general public (sample of 1000; representative in terms of age, gender and federal states of the German population). RESULTS ECT is not well known and negatively connoted among the German population. A higher level of awareness and knowledge about ECT correlates with higher agreement to treatment with it. The analysis of feedback from the open question underlines the complexity of ECT: on the one hand, negative attitudes, stereotypes, and associations, and on the other hand interest, willingness, and acceptance to deal with the method were shown. CONCLUSION The results suggest an urgent need for more information about the basic facts, psychiatric applications, and effectiveness of ECT in order to increase the level of awareness and knowledge, and thus the methods acceptance. An increase in acceptance would expand the therapeutic spectrum for the mentally ill. Correspondingly, persons affected and their relatives as well as physicians and healthcare professionals should be involved in awareness-raising measures.

Lernen am medizinischen Sammlungsobjekt: Instrumente und Geräte in der ärztlichen (Aus-)Bildung

Im Rahmen der Initiative „SammLehr“ der Stiftung Mercator wurden am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen ausgesuchte Objekte der medizinhistorischen Sammlung in den Unterricht der Medizinischen Terminologie integriert. Die Lernziele umfassten sowohl Einsichten, welche Bedeutung Instrumente für das Erleben von Patienten und Wahrnehmen von Medizin haben, als auch das eigene erste Erfahren der Instrumentalität und Materialität der Medizin, in die ansonsten zu Studienbeginn vorwiegend in audio-visueller und virtueller Weise eingeführt wird. Die Dialektik der Gefühle von Hoffnung und von Unterworfenheit, von zusätzlichen Erkenntnisund Handlungsweisen sowie von zusätzlichen Belastungen sollte so ebenso wie das jeweilige Funktionsprinzip nachdrücklich erfahrbar werden. In den verschiedenen Seminaren wurden die ausgewählten Instrumente zunächst durch eine kurze Vorstellung historisch und funktionell eingeordnet, um sie dann in die Hände der Studierenden zu geben.

Verstorbene, Forschung an Leichen

Mit dem Tod eines Menschen vollzieht sich ein Kategorienwechsel von der Person (Subjektstatus) zur Sache (Objektstatus) Aufgrund dieses Objektstatus ist der Leichnam nicht als Trager direkter moralischer Rechte oder als Gegenstand direkter moralischer Pflichten anzusehen. Dennoch ist weitgehend unstrittig, dass Leichen ein Wert zuzuschreiben ist, der uber ihre „biologische Verfasstheit“ bzw. ihre Objekt-qualitat hinausreicht. Diese Einschatzung hat ihr sinnli-ches Korrelat im Abbildcharakter des Leichnams, d. h. in der Ahnlichkeit zwischen dem lebenden Menschen und dessen totem Korper. Zudem indiziert der tote Korper den gewesenen Menschen und lasst so die Erinnerung an diesen „aufleben“.

Intensivmedizin und Prognostizierung

Prognostizierung ist Grundlage bei der Formulierung von Therapiezielen. Sie hilft bei der Kommunikation mit Patienten und Angehorigen und kann auch zur Einschatzung von benotigten Ressourcen, Kosten oder auch Planung von Strukturen herangezogen werden.