Hans Reichenbach
University of California
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Featured researches published by Hans Reichenbach.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
Unter unseren Erfahrungen nimmt die Zeit eine ganz besondere Stellung ein. Unsere Sinne vermitteln uns Eindrucke in einer bestimmten zeitlichen Ordnung; durch unsere Sinne nehmen wir an dem allgemeinen Strom der Zeit teil, der durch das ganze Weltall geht, ein Ereignis nach dem anderen hervorbringt und seine Erzeugnisse gleich wieder hinter sich last. Als ob etwas Fliesendes zu etwas Festem wird, so wird das, was einst Zukunft war, zur unwiederbringlichen Vergangenheit. Wir befinden uns inmitten dieses Stromes und nennen unsern Standort Gegenwart; aber was in diesem Augenblick Gegenwart ist, gleitet in die Vergangenheit, wahrend wir weitertreiben zu einer neuen Gegenwart und darum unaufhorlich im ewigen Jetzt verweilen. Wir konnen diesen Strom weder anhalten, noch seine Richtung andern; denn der Vergangenheit ist keine Wiederkehr beschieden. Die Zeit tragt uns unerbittlich mit sich fort und vergonnt uns keinen Aufschub.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
Sein oder nicht sein — das ist keine Frage, sondern eine Tautologie. Aber was interessieren mich leere Aussagen. Ich will wissen, ob ein synthetischer Satz wahr ist: ich will wissen, ob ich sein werde. Das heist, ob ich den Mut habe, meinen Vater zu rachen.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
Nachdem wir bisher nur von der Philosophie gesprochen haben, wollen wir uns jetzt die Entwicklung der Wissenschaft wahrend der 2500 Jahre ansehen, in denen die Philosophen ihre verschiedenen rationalistischen und empiristischen Systeme aufgestellt haben.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
Kurz nach Kants Tode im Jahre 1804 hat eine Entwicklung begonnen, in der sich die Wissenschaft zuerst allmahlich, spater jedoch immer nachdrucklicher von allen absoluten Wahrheiten und vorgefasten Meinungen befreit hat. Die Gesetze, die Kant als unerlasliche Voraussetzungen der Wissenschaft betrachtete und die er fur nichtanalytisch hielt, haben sich nur in beschranktem Umfang als gultig erwiesen. Es hat sich herausgestellt, das gewisse wichtige Prinzipien der klassischen Physik nur fur Geschehnisse gelten, die sich in den Grosenverhaltnissen der Gegenstande unserer unmittelbaren Umgebung abspielen. Auf astronomischem und auf atomarem Gebiet musten sie durch Gesetze einer neuen Physik ersetzt werden; und allein diese Tatsache beweist, das es sich hier nicht um Gesetze handelt, die uns unser Verstand aufzwingt, sondern das diese Gesetze aus der Erfahrung stammen. Zur Illustration dieser Auflosung des synthetischen Apriori wollen wir die Entwicklung der Geometrie verfolgen.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
Jeder gebildete Mensch halt es heute fur eine wohlbegrundete Tatsache, das die Materie aus kleinen Teilchen, den Atomen, besteht. Wenn er das nicht in der Schule gelernt hat, dann hat er es in der Zeitung gelesen. Da es Atombomben gibt, so schliest er, mus es auch Atome geben.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
Irrtumer lassen sich nur psychologisch erklaren; aber die Wahrheit verlangt nach logischer Analyse. Die Geschichte der spekulativen Philosophie ist die Geschichte der Irrtumer der Philosophen, die nicht in der Lage waren, die Fragen, die sie stellten, zu beantworten; und die Antworten, die sie trotzdem gaben, konnen nur aus psychologischen Motiven heraus erklart werden. Die Geschichte der wissenschaftlichen Philosophie dagegen ist die Geschichte von Problemen; und Probleme werden nicht mit Hilfe von spekulativen Verallgemeinerungen oder poetischen Beschreibungen der Beziehungen zwischen Mensch und Welt, sondern durch technische Arbeit gelost. Solche Arbeit wird in den Wissenschaften geleistet, und darum mus die Entwicklung der Probleme innerhalb der Geschichte der einzelnen Wissenschaften verfolgt werden. Die philosophischen Systeme haben bestenfalls den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ihrer Zeit widergespiegelt; aber sie haben nichts zur Entwicklung der Wissenschaft beigetragen. Die logische Entwicklung von Problemen ist die Aufgabe des Wissenschaftlers; und obgleich seine technische Analyse oft auf Einzelheiten gerichtet ist und selten in philosophischer Absicht durchgefuhrt wird, hat sie doch haufig das Verstandnis fur Probleme gefordert, bis das technische Wissen weit genug fortgeschritten war, um eine Antwort auf philosophische Fragen zu ermoglichen.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
In diesem Kapitel mochte ich die philosophischen Resultate, die aus der Analyse der Wissenschaften herausgewachsen sind, zusammenfassen und sie mit den Weltanschauungen vergleichen, die in den spekulativen philosophischen Systemen entwickelt worden sind.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
In den voraufgehenden Kapiteln haben wir uns mit einer Reihe von Resultaten der wissenschaftlichen Philosophie beschaftigt; auserdem haben wir die beiden Hauptwerkzeuge der Erkenntnis, die deduktive und die induktive Logik, im Hinblick auf ihre Methoden und Ergebnisse behandelt. In diesem Kapitel mochte ich eine Zusammenfassung der allgemeinen Grundlagen der wissenschaftlichen Philosophie geben, in deren Rahmen ein neuer Erkenntnisbegriff entwickelt und das Problem der physikalischen Ausenwelt auf wissenschaftliche Weise gelost worden ist. Um das Wesen dieser Auffassung deutlich zu machen, will ich sie mit dem Erkenntnisbegriff vergleichen, den Anhanger der traditionellen philosophischen Systeme mehr oder weniger offen verteidigen.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
Es ist ein sehr bedeutsamer Zug der wissenschaftlichen Philosophie, das in ihrem Rahmen eine symbolische Logik erwachsen ist. Diese Logik, die ursprunglich die Geheimschrift einer kleinen Gruppe von Mathematikern war, hat in immer weitgehenderem Mase die Aufmerksamkeit der Philosophen auf sich gezogen und in die Entwicklung philosophischer Probleme eingegriffen. Der Leser, der keine Zeit zum speziellen Studium dieses neuen Gebietes der Philosophie hat, wird eine kurze Darstellung der geschichtlichen Entwicklung, die zur symbolischen Logik gefuhrt hat, wie ihrer Probleme und Losungen willkommen heisen.
Archive | 1968
Hans Reichenbach
Die symbolische Logik, von der wir im vorangehenden Kapitel gesprochen haben, ist eine deduktive Logik; sie behandelt nur solche Gedankenoperationen, die durch logische Notwendigkeit ausgezeichnet sind. Die Erfahrungswissenschaft macht zwar weitgehenden Gebrauch von deduktiven Operationen, verlangt jedoch auserdem noch nach einer zweiten Art von Logik, die wegen der darin benutzten induktiven Operationen induktive Logik heist.