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Dive into the research topics where Hubert Feger is active.

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Featured researches published by Hubert Feger.


Archive | 1982

Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Die Geschichte des Terrorismus beginnt in der Bundesrepublik Ende der sechziger Jahre. Zwar gab es vor allem an den Randern rechtsextremistischer Bewegungen schon vorher Gewaltaktionen und Anschlage2, aber ihnen fehlte Zusammenhang, Systematik und Organisation. Diese entwickelten sich auf der anderen Seite des politischen Spektrums aus den teilweise turbulenten Ereignissen rund um Studentenbewegung und „Auserparlamentarische Opposition“ (APO)3. Seit Herbst 1967 hauften sich vor allem in Westberlin Brand- und Sprengstoffanschlage linksextremistischer und anarchistischer Gruppierungen. Nach der gewaltsamen Befreiung des inhaftierten Andreas Baader im Mai 1970 und der sofort einsetzenden verscharften Verfolgung der Beteiligten kam es zur Grundung der ersten terroristischen Vereinigung, der „Roten Armee Fraktion“. Wenig spater schlossen sich schon vorher aktive Gruppierungen des antiautoriaren Spontimilieus Westberlins zu einer „Bewegung 2. Juni“ zusammen. Als dritte Fraktion innerhalb der linksextremistischen Terrorszene traten 1973 die „Revolutionaren Zellen“ auf, die sich aus Unterstutzerkreisen von RAF und „2. Juni“ rekrutierten, jedoch neue Strategien des Untergrundkampfes versuchten. Allen dreien gelang es trotz aufwendiger Fahndungen und laufender Mitgliederverluste, sich im Untergrund festzusetzen. Mit ihnen erreicht der Terrorismus einen gewissen Institutionalisierungsgrad: Er bildet Traditionen und Theorien, baut seine Klassiker auf und schafft Rollen und Organisationen, die in einem gewissen Ausmas Anhangerschaft zu mobilisieren und Nachwuchs heranzuziehen verstanden. Auf der anderen Seite richtet sich auch die Verfolgung ein, professionali-siert Fahndungsexperten, grundet Spezialabteilungen und schafft Sondergesetze.


Archive | 1982

Ab 1971 — Entstehung der „Bewegung 2. Juni“

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Wie bereits in der Bilanz der Schwarzen Hilfe (= SH) angegeben, ist die Zahl der einsitzenden Genossen ab Ende 1970 bis Mitte 1971 gros. Das eine so einschneidende Veranderung des personellen Bestandes eine unmittelbare Wirkung auf Struktur und Tatigkeit der „Polit-Scene“ hat, liegt auf der Hand.


Archive | 1982

Die Entstehungsbedingungen für die „scene“

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Wenn man von Berlin (West) spricht, so ist zuerst daran zu erinnern, das „Gros-Berlin“ nicht nur eine junge Grosstadt war — was den endgultigen Gesamtberliner Kommunalverband betraf (Grundung Gros-Berlin 1921) und sich damit die Zusammensetzung aus uber 100 Stadten und Gemeinden im weiteren Stadtbild noch lange erhielt — sondern auch als Reichshauptstadt sehr viel weniger das ebenfalls noch junge „Reich“ reprasentierte als zum Beispiel Paris Frankreich vertrat oder Londen das Commonwealth. Berlin war nicht nur die preusische Reichshauptstadt, sondern uberhaupt eine „aufgesetzte“ Hauptstadt, die zwar nach Grose, Lebendigkeit und Bedeutung die anderen Hauptstadte der deutschen Lander und Provinzen weit uberflugelte, trotzdem aber in einer stillen Konkurrenz zu ihnen blieb. Dieses Verhaltnis Gros-Berlins zum Reich wurde durch den im Nationalsozialismus verordneten Zentralisierungsschub auch nicht gerade verbessert. Berlin wurde zwar verstarkt Reichshauptstadt, reprasentierte aber trotzdem nicht das „Deutsche Reich“ in seiner Vielfalt. Es konnte die Gegensatze zwischen Ost und West in Deutschland nur formal uberbrucken; innerhalb des Spannungsgefalles Nord-Sud wurde es eher dem Norden zugeschlagen. Was jedoch die Toleranz und Groszugigkeit der Berliner betraf, so fanden sie im ubrigen deutschen Klima nur an wenigen Stellen ihr Gegenstuck.


Archive | 1982

Entstehungsbedingungen der Gruppenbildung

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Versucht man fur die Geschichte der Baader-Meinhof-Gruppe, fur ihre Militanz, ihr Durchhaltevermogen, ihre Erfolge und schlieslich ihr Scheitern Erklarungen zu finden, so besteht eine Gefahr in der Personalisierung der Handlungsverlaufe. Zwar zeigt gerade das Schicksal der ersten RAF-Vereinigung die Bedeutung auch individueller Momente, insofern gerade diese Gruppierung mit Baader, Ensslin, Mahler und Meinhof kraftige Gestalten von besonderem Format besas. Charismatische Elemente haben in diesem Falle ein uberdurchschnittliches Gewicht besessen. Aber auch deren Durchschlagskraft ist abhangig von gunstigen Konstellationen, kleinen und grosen. Sie mussen auf eine kongeniale Anhangerschaft treffen, und deren Beeindruckbarkeit setzt voraus, das eine gemeinsame Umwelt fur gemeinschaftliche Aktionen Grunde liefert, die zu subjektiv uberzeugenden Sinnkonstruktionen benutzt werden konnen. Das diese im Gang der Entwicklung leer und bruchig werden konnen, ohne das die eingeschlagenen Handlungsrichtungen dann noch korrigiert werden, mag daran liegen, das es in sich aufschaukelnden Situationsfolgen zu einer relativen Verselbstandigung von Prozessen kommen kann, so das ursprungliche Motive zurucktreten und auf anderen Ebenen neue entstehen, zwanghaft induzierte. Naturlich gibt es darin keine Automatik. Schiere Zufalle sind nicht ungewohnlich. Und uberall existieren Spielraume, in denen die Betroffenen individuell zu entscheiden haben. Aber diese sind durch Umstande begrenzt, die nur teilweise beherrschbar sind. Es gibt Verstrickungen, in denen der einzelne weder vor noch zuruck kann.


Archive | 1982

Zur gesellschaftlichen Wirkung linker und rechter Terrorgruppen

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Unsere bisherige Analyse fuhrt zu dem Ergebnis, das aus einer Reihe von Grunden das technische und soziale Handlungspotential des Linksterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland starker entwickelt ist als die Leistungsfahigkeit des Rechtsterrorismus. Der Linksterrorismus besitzt eine konzentriertere Infrastruktur, ein starkeres theoretisches Profil, einen hoheren Organisationsgrad sowie bessere Voraussetzungen fur inneren Zusammenhalt — darum auch eine geringere Abhangigkeit von charismatischen Fuhrerfiguren. Deshalb ubertrifft das Handlungsniveau und die Uberlebensfahigkeit seiner Gruppen diejenigen rechtsterroristischer „Netzwerke“. Diese These impliziert nun keineswegs die Annahme, der Linksterrorismus sei hierzulande erfolgreicher als der Rechtsterrorismus. Der Erfolg des Terrorismus hangt ab von den politischen Wirkungen, die er veranlast, und diese Wirkungen werden primar bestimmt durch die gesellschaftlichen Institutionen, gegen die er sich wendet. Dabei kann es sehr wohl sein, das die Schwache des Rechtsterrorismus uberkompensiert wird durch Ausmas und Art der Reaktionen, die ihn beantworten. Ob diese Art Ungereimtheit in der Bundesrepublik vorliegt, kann und soll an dieser Stelle nicht systematisch untersucht und am Ende auch nicht entschieden werden81. Hier sollen nur einige Beobachtungen zusammengefuhrt werden, die die Moglichkeit einer Paradoxie der Wirkungen des linken und rechten Terrorismus zumindest als untersuchenswert erscheinen lassen.


Archive | 1982

Die soziale Infrastruktur terroristischer Bewegungen

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Um Terrorismus praktizieren zu konnen, bedarf es eines Minimums an Ressourcen. Terroristen benotigen Waffen und Sprengstoff, brauchen Geld, um dies und anderes finanzieren zu konnen, mussen fur Fluchtmittel und Unterschlupf sorgen sowie Beziehungen und Solidaritaten aufbauen, auf die Verlas ist. Die Frage ist, ob und in welchem Mase es ihnen gelingt, diese Ressourcen zu mobilisieren — und wer dabei hilft.


Archive | 1982

Gruppen und Gruppenleistungen

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Rechte und linke Terroristen bilden als Gesamtheiten nichts weiter als eine statistische Kategorie, namlich eine rechnerische Zusammenfassung von einzelnen. In welchem Mase und in welcher Weise diese zur Planung und Durchfuhrung terroristischer Aktivitaten fahig sind, hangt neben allem anderen (Format der Mitglieder, Kap. III, und Qualitat der Infrastruktur, Kap. IV) wesentlich davon ab, ob und wie die einzelnen zusammenhangen, Gruppen bilden, Organisation erreichen. Solidaritat entwickeln. Mit solchen Systembildungen entstehen zusatzliche Kapazitaten. Sie erlauben mehr als blose Addition der Krafte, namlich Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie gegenseitige emotionale Unterstutzung. Damit ist ein enormer Kraftgewinn verbunden. Die Frage ist, in welchem Ausmas und auf welche Weise die gegenwartig identifizierbaren Terroristen ihn einzulosen verstanden.


Archive | 1982

Umwelterfahrungen im Untergrund

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Nach der Baader-Befreiung wich die Grundergruppe der RAF vor der polizeilichen Fahndung mit mindestens acht, wahrscheinlich aber etwa einem Dutzend Mitglieder in den Nahen Osten aus und bereitete sich in einem Ausbildungslager der Palastinensischen Befreiungsfront physisch und psychisch auf anhaltende Guerillatatigkeit vor. Hier, eingefuhrt in eine kriegfuhrende Organisation, gab es wohl die entscheidenden Anstose auch zur geistigen Militarisierung der Gruppe. Im August 1970 nach Berlin zuruckgekehrt, begann der Aufbau der eigenen Organisation und die Entwicklung der materiellen Voraussetzungen fur terroristische Aktionen.


Archive | 1982

Sozialwissenschaftliche Annahmen über Gruppenstrukturen, angewandt auf terroristische Gruppen

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

In diesem Abschnitt sollen vorab einige Konzepte und Befunde zusammengefast werden, die in Sozialpsychologie und Soziologie bereitgestellt wurden, um die Struktur von Gruppen zu beschreiben, und um vorherzusagen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Folgen diese Strukturen auftreten. Diese Schilderung wird rudimentar und fragmentarisch sein mussen, zum einen, weil wir uns von vornherein auf Material beschranken, (Jas fur terroristische Gruppen relevant sein konnte, zum anderen, weil dieses Gebiet in den Sozialwissenschaften selbst nur in Ansatzen entwickelt ist und eine empirisch gut fundierte, in sich geschlossene Theorie wenigstens mittlerer Reichweite nicht vorliegt. Wir beschranken uns auf Ansatze, die in der experimentellen Kleingruppenforschung entworfen wurden, also selten mehr als wenige Dutzend Personen als Gruppenmitglieder betrachteten, meist deutlich weniger, und beschranken uns auf Strukturaussagen, die operationalisierbar sind und zu empirischen Prufungen fuhren, und hier wiederum vorwiegend auf Indizes, die der Netzwerkanalyse bzw. der Graphentheorie entstammen, weil sie fur die uns zuganglichen Daten besonders geeignet erscheinen. Diese Daten sind formal aufzufassen als Informationen uber Kontakte (wer, wann, wo, mit wem), ohne das qualitative Informationen uber die Art der Kontakte, ihre Intensitat, Dauer, ihren Zweck etc. mit hinreichender Verlaslichkeit bekannt waren. Vollstandigkeit konnte nicht angestrebt werden, allerdings wurden alle verfugbaren Quellen gegeneinander gepruft, wie im Methodenabschnitt angefuhrt wird. Die Art der Datengewinnung und die Auswahl bei der Speicherung durch die Ermittlungsbehorden stellt freilich sicher, das die Kontakte in der Regel nicht zufallig waren, auf bedeutsame Interaktionen zwischen den Beobachteten schliesen lassen und es eher die vielen weniger bedeutsamen Kontakte sind, die nicht erfast wurden: schlieslich last eine gemeinsame Tatausfuhrung, ein gemeinsamer Auslandsaufenthalt oder Haft in der gleichen Anstalt, auch wenn dies nur als „ein Kontakt“ registriert wird, auf intensive Interaktion schliesen. Die Art der Daten legt uns also nahe, das wir uns auf Aussagen uber Kontaktstrukturen zu beschranken haben, in denen Frequenz- und Verbundenheitsangaben die wichtigste Rolle spielen.


Archive | 1982

Regression der Gruppenzwecke

Wanda von Baeyer-Katte; Dieter Claessens; Hubert Feger; Friedhelm Neidhardt

Immer wieder entsteht fur den Ausenstehenden die Frage, warum die Baader-Meinhof-Gruppe auf dem Weg in die totale Niederlage sich nicht aufgab. Die Antwort ist nicht einfach, sie mus mehrere Grunde und verschiedene Bedingungen einschliesen; sie soll erst im Kap. VII abgeschlossen werden. Wichtig ist dabei, ungeachtet der Bedeutung sekundarer Motive, die erst im Konfliktprozes und gleichsam im Rucken der Beteiligten und von ihnen auch nicht recht eingestanden entstehen, das man den polititschen Charakter des Gruppenzwecks angemessen wurdigt. Die Baader-Meinhof-Gruppe war keine Bande von Leuten, die sich selber bereichern wollten88 oder einfach asozial in dem Sinne waren, das sie schlichtweg Lust an Zerstorung und am Toten empfanden. Es war eine irrige Lesart ihrer Programme und Aktionen, das schon im Jahre 1971 der damalige Bundesinnenminister Genscher an der Baader-Meinhof-Gruppe alles fur „gemeine Kriminalitat“89 hielt. Wurde die Gruppe tatsachlich zur „Bande“ und gerieten ihre Aktionen unstrittig zur „Kriminalitat“, so war sie doch nicht „gemein“ in dem Sinne, das sie einen Allerweltsfall von Verbrechern mit Mord und Todschlag reprasentierte. Ihr Gruppenzweck war, wie irrwitzig die Analysen und wie abenteuerlich die Programme auch ausgesehen haben, unbezweifelbar politisch angesetzt. Die Klientel, die von Gruppenhandeln profitieren sollte, war immer auch auserhalb der Gruppe vorgestellt. Die Gruppe sah sich im Dienste allgemeinerer Interessen, und sie befand ihr Handeln nach der Logik des kategorialen Imperativs fur verallgemeinerungsfahig90, deshalb auch fur moralisierbar. Ohne diesen politisch argumentierenden Nonkonformismus 91 im Selbstanspruch der Baader-Meinhof-Gruppe lassen sich weder ihre Aktionen noch ihre auserordentliche Widerstandsfahigkeit verstehen. Aus dem politischen Kontext schuf sich die Gruppe Selbstrechtfertigungen und ein offenbar unerschutterlich gutes Gewissen, das in bedrangter Lage bis zur Selbstheroisierung stilisiert werden konnte.

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