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Dive into the research topics where Marina Kojer is active.

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Featured researches published by Marina Kojer.


Archive | 2011

Einleitung: Unheilbar dement

Marina Kojer; Martina Schmidl

Vor einiger Zeit hielt ich (Marina Kojer) einen offentlichen Vortrag zum Thema Demenz. In der anschliesenden Diskussion richtete eine etwa 80-jahrige Dame folgende Frage an mich: „Finden Sie, dass man einem Menschen mit beginnender Demenz seine Diagnose mitteilen sollte?“ Ich antwortete, wie wohl fast alle Arztinnen geantwortet hatten: Jeder Mensch hat ein Recht darauf zu erfahren, dass er krank ist und was ihm fehlt. Das gibt ihm die Moglichkeit, sich rechtzeitig auf die veranderte Lebenslage einzustellen, fur spater vorzusorgen und zur Zeit der Diagnose bereits bestehende Probleme besser zu verstehen. Die Krankheit ist zwar nicht heilbar, es gelingt aber, bei einem grosen Teil der Patientinnen und Patienten mit Hilfe bestimmter Medikamente, kurzfristig eine gewisse Besserung zu erzielen und das weitere Fortschreiten der Demenz bis zu einem Jahr hintanzuhalten. Die alte Dame meldete sich noch einmal: „Dann soll ich ‚diese Tabletten‘ doch nehmen?“, fragte sie unsicher. „Sie ist selbst eine Betroffene!“, dachte ich erschrocken. Mich erfasste ein Gefuhl groser Hilflosigkeit. Was hatte ich ihr in diesem Augenblick, was haben wir als Gesellschaft den Betroffenen uberhaupt anzubieten? Die Antwort, die ich dann gab, war zwar richtig, aber war sie eine Hilfe fur diesen Menschen in groser Not? Ich sprach von dem Wert der gewonnenen Zeit, davon, wie wichtig es ist, alles noch rechtzeitig regeln zu konnen. Ich erzahlte von dem wachsenden Selbstbewusstsein von Menschen mit beginnender Demenz, die sich in den letzten Jahren immer ofter auch selbst zu Wort melden, zu ihrer Krankheit Stellung nehmen und beginnen, ihre Rechte einzufordern (Taylor, 2010; Demenz Support Stuttgart, 2010; Braam, 2011). Die alte Dame sah mich aus weisen Augen zweifelnd an: „Ist es wirklich erstrebenswert, die Qual zu wissen, was auf einen zukommt, um ein Jahr zu verlangern?“


Archive | 2016

Eine Frage des Wollens

Marina Kojer

Verordnungen, Bestimmungen, Gesetze, ein materialistisches Menschenbild, das sich nur an dem „Nutzwert“ einer Person orientiert und aus Menschen „Kostengrosen“ macht, das negativ gepragte Bild des hohen Alters in unserer Gesellschaft – all das macht Menschen, die in der Altenpflege arbeiten, das Leben schwer. Aber niemals sind alleine die Umstande schuld. Wir sind alle fur unser Tun verantwortlich und mitverantwortlich dafur, wie die Gesellschaft mit ihren schwachsten Mitgliedern umgeht! In diesem Buch schlagen wir Qualitatskriterien vor, die sich an einem humanistischen Menschenbild orientieren. Die Qualitat, von der wir hier sprechen, ist eine Qualitat der Haltung und der erforderlichen beruflichen Kompetenz. Diese Qualitat im Auge zu behalten, daran zu arbeiten und andere auf diesem Weg mitzunehmen, ist eine Aufgabe, an der jede Einzelne von uns erfolgreich mitarbeiten soll und kann.


Archive | 2016

Das Recht auf kommunikative Grundversorgung

Marina Kojer

Uber ihre hochdifferenzierte Gefuhlswahrnehmung erfassen demenziell Erkrankte oftmals komplexe Zusammenhange und erleben so – ohne sich wehren zu konnen – Ablehnung, Demutigung oder Verachtung ihrer Mitmenschen mit aller Deutlichkeit und mit allen Konsequenzen fur ihre seelische Befindlichkeit. Daher ist fur sie die Wahrung des Rechts auf eine ihrem Zustand angemessene Kommunikation die wichtigste Voraussetzung dafur, trotz allem ein gutes Leben fuhren zu konnen. Demenzkranke sind keine Mangelwesen, sondern unheilbar kranke Menschen, denen es ebenso wie anderen Kranken zusteht, wahr- und ernst genommen und ihren Bedurfnissen entsprechend behandelt und gepflegt zu werden. Solange es fur Mitarbeiterinnen von Pflegeheimen nicht selbstverstandlich ist, mit ihren Patientinnen in Beziehung treten zu konnen, wird das Leben vieler Demenzkranker auch weiterhin im vollstandigen Ruckzug enden, ohne dass es so sein musste, und die Arbeit mit ihnen wird oftmals freudlos und frustrierend sein.


Archive | 2016

Kommunikation – Kernkompetenz der Palliativen Geriatrie

Marina Kojer

Palliative Geriatrie lebt mehr als jede andere Sparte in Medizin und Pflege von dem Verstandnis fur die Gefuhlswelt der Kranken. Unsere Patientinnen konnen ihre korperlichen und seelischen Beschwerden nicht mehr gedanklich reflektieren; sie erleben sie vorwiegend oder ausschlieslich auf der Gefuhlsebene. Ohne das kontinuierliche Aufrechterhalten einer lebendigen Beziehung ist es fast unmoglich, ihnen die Hilfe zuteilwerden zu lassen, die sie brauchen. Gelingende Kommunikation bis zuletzt und der Aufbau tragfahiger Beziehungen zu unseren Patientinnen bilden das Fundament der Palliativbetreuung von demenzkranken Hochbetagten. Unsere Arbeit basiert auf diesem Fundament; dieses Buch soll mithelfen, unsere Erkenntnisse und Botschaften weiterzutragen. Fur die Palliative Geriatrie gilt – in Abwandlung eines bekannten Satzes von Arthur Schopenhauer: Kommunikation ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Kommunikation.


Archive | 2016

Gestörtes Verhalten – Verhalten, das uns stört?

Marina Kojer; Ursula Gutenthaler

Menschen mit fortgeschrittener Demenz drucken sich uber ihren Korper und durch ihr Verhalten aus. Die Signale, die sie aussenden, mussen daher als Kommunikationsversuche verstanden werden. Fur jedes Verhalten gibt es einen Grund. Die Signale, die die Betroffenen aussenden, sind stets mehrdeutig, hinter ein und demselben Verhalten kann sich daher sehr vieles verbergen. Auslosend kann alles sein, was die augenblickliche korperliche oder seelische Befindlichkeit der Betroffenen negativ beeinflusst. Solange es uns nicht gelingt, eine Beziehung herzustellen und dem demenzkranken alten Menschen so weit wie moglich in seine Welt zu folgen, bleibt er fur uns unzuganglich. Hinter dem storenden Verhalten verborgene korperliche und seelische Leiden gehen oft fur immer unbemerkt unter. Fehlbehandlungen – zumal mit Psychopharmaka – sind haufig. Alles Fachwissen bleibt vergeblich, solange wir nicht lernen, mit Demenzkranken zu kommunizieren, und daher nicht in der Lage sind, ihre Schmerzen, ihre qualenden korperlichen und seelischen Beschwerden sowie ihre Wunsche und Bedurfnisse zu erkennen.


Archive | 2016

Recht auf bedürfnisgerechte Unterbringung

Gunvor Sramek; Marina Kojer

In den letzten Jahrzehnten wurden aus Altenheimen allmahlich Pflegeheime, in denen Hochbetagte mit hohem Bedarf an pflegerischer und arztlicher Versorgung leben. Es liegt auf der Hand, dass sich diese „Bewohnerschaft“ aus chronisch Kranken zusammensetzt, deren Anspruche an die Wohnqualitat sich nicht vereinheitlichen lassen. Moglichkeiten fur bedurfnisgerechte Unterbringungsformen gibt es am ehesten in Heimen mit unterschiedlich grosen Zimmern. Ein-, Zwei-, Drei- und Vierbettzimmer bieten Moglichkeiten fur mehr Flexibilitat und Austausch. Es ist dann viel leichter die Patientinnen so unterzubringen, dass die „Chemie“ zwischen den alten Menschen stimmt. Das gut funktionierende soziale Miteinander sollte bei der Vergabe der Zimmer im Vordergrund stehen, nicht Mobilitat und korperlicher Zustand


Archive | 2016

Die Begleitung Sterbender in den unterschiedlichen Phasen der Demenz nach Naomi Feil

Marina Kojer; Gunvor Sramek

Gute Begleitung ist nur dann moglich, wenn die verbale und/oder nonverbale Kommunikation mit der Sterbenden gelingt und sich daraus eine von Vertrauen getragene Beziehung entwickelt. Mit den wechselnden Phasen der Demenz andert sich auch die geeignete Form der Begegnung. Die Begleitung Demenzkranker in ihrer letzten Lebenszeit ist eine schwierige, aber auch schone und lohnende Aufgabe, eine Aufgabe, die Kompetenz in Kommunikation mit desorientierten alten Menschen, innere Ruhe und ehrliche Zuwendung erfordert. Begleiterinnen sollten Verstandnis fur die Personlichkeit der Kranken und das verinnerlichte Wissen um Einmaligkeit und Einzigartigkeit jedes Menschen mitbringen. Auch und gerade in der Zeit des Sterbens verlangt jede Phase der Demenz eine auf die Lebenswelt und die jeweiligen Kompetenzen der Betroffenen abgestimmte Zugehensweise.


Archive | 2016

Schmerz hat viele Gesichter

Marina Kojer

Das Lindern von „total pain“ ist ein zentrales Anliegen der Palliative Care. Um zu begreifen, was Demenzkranke qualt, ist die bekannte Einteilung der nicht-somatischen Schmerzen in seelische, soziale und spirituelle Schmerzen nicht aussagekraftig genug. Die Leiden demenziell Erkrankter werden zum Grosteil aus Quellen gespeist, mit denen wir personlich noch nicht Bekanntschaft machen mussten. Wir waren noch nie hochbetagt, schwach und vollstandig hilflos. Einige aussagekraftige Beispiele fur nicht korperliche Schmerzen Demenzkranker werden naher erlautert: Der Schmerz der unbegreiflichen Bedrohung, der Schmerz, sich nicht ausdrucken zu konnen, der Schmerz, sich nicht mehr zurechtzufinden, der Schmerz, sich hilflos und ausgeschlossen zu fuhlen, und der Schmerz, respektlos und demutigend behandelt zu werden. Um dieses Leid zu lindern, braucht es mehr als fachliche Kompetenz. Die Aufgabe erfordert Zuwendung, Mitgefuhl, Intuition, Kreativitat, vor allem aber die Bereitschaft, in Beziehung zu treten und auch auf schweigende Bitten einfuhlsam zu reagieren.


Archive | 2016

Die ärztliche Sicht: Ernährung und Nahrungsverweigerung bei Hochbetagten mit fortgeschrittener Demenz

Martina Schmidl; Marina Kojer

Ablehnendes Essverhalten kann in jeder Phase der Demenz auftreten, am haufigsten ist es in der Endphase der Erkrankung. Das allmahliche Einstellen der Nahrungsaufnahme ist ein Kennzeichen der Endphase der Demenz und Teil des normalen Sterbeprozesses. Die Patientinnen, um die es hier geht, sind sehr alt, sie sind multimorbid und gebrechlich. Weder eigene Erfahrungen noch die Ergebnisse der umfassenden Literaturrecherche rechtfertigen die Annahme, dass sich das Leben dieser Menschen durch Sondenernahrung positiv beeinflussen lasst. Das Legen einer PEG-Sonde bei weit fortgeschrittener Demenz halt weder Malnutrition, noch das Entstehen von Dekubitalulzera und Aspirationspneumonien hintan, noch tragt sie dazu bei, den funktionellen Status, die Uberlebenszeit oder die Lebensqualitat zu verbessern. Angesichts dieser Studienlage drangt sich die Frage auf, welches realistisch erreichbare Therapieziel das Setzen einer Ernahrungssonde noch rechtfertigen kann.


Archive | 2011

Kommunikation: Verstehen und verstanden werden

Marina Kojer; Gunvor Sramek; Ursula Gutenthaler

Es war erst seit kurzer Zeit moglich, China zu bereisen, als mein Mann und ich beschlossen, unseren nachsten Urlaub dort zu verbringen. Ohne allzu grose Muhe gelang es uns, eine Gruppenreise zu buchen. Bei der Ankunft in Peking waren wir dann sehr erstaunt, festzustellen, dass die Gruppe nur aus uns beiden bestand. Ob das gut gehen konnte? Aber siehe da, alles funktionierte grosartig! An unseren Zielorten erwartete uns stets punktlich ein gut Englisch sprechender Fuhrer, der uns fur die Zeit unseres Aufenthalts ganz zur Verfugung stand. Doch eines Tages erwartete uns niemand. Wir standen mit unseren Koffern auf einem Bahnsteig riesigen Ausmases, Menschenmassen stromten in beiden Richtungen an uns vorbei. Geduldig warteten wir, aber niemand kam. Die Telefonnummer des zustandigen chinesischen Reiseburos war griffbereit. Wir mussten nur ein offentliches Telefon finden und wissen, wie es zu bedienen ist. Ich sprach Vorbeieilende in Englisch an. Niemand verstand mich. Manche schauten neugierig oder befremdet. Einige bemuhten sich vergeblich herauszufinden, was ich wollte. Wir imitierten das Lauten eines Telefons, sprachen in einen imaginaren Horer – die Zuschauer freuten sich und lachten, niemand verstand, um was es uns ging. Nach und nach kroch panische Angst in mir hoch; ich fuhlte mich so hilflos und verloren wie nie zuvor im Leben.

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Dive into the Marina Kojer's collaboration.

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Elfriede Greimel

Medical University of Graz

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