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Publication
Featured researches published by Matthias Kettner.
Ethik in Der Medizin | 2006
Matthias Kettner
Das normative Grundverständnis der kurativen Medizin und ein Trend, sich ihr zu entwinden, wird beschrieben. Durch systematische Betrachtung des Trends wird der Begriff einer „wunscherfüllenden Medizin“ eingeführt und mit der kurativen Medizin kontrastiert. Am Beispiel der Schönheitschirurgie und der Kritik des „Schönheitswahns“ wird deutlich gemacht, dass die Bewertung von Phänomenen wunscherfüllender Medizin in liberalen Gesellschaften sich nur auf schwache normative Ressourcen stützen kann. Nutzen-Risiko-Argumente und Kohärenzargumente, bezogen auf Lebensentwürfe, stellen die vergleichsweise stärksten dar. Wunscherfüllende Medizin erscheint zwiespältig, einerseits erhöht sie die Klientenzentrierung und Responsivität des Medizinsystems, andererseits befördert sie Kommerzialisierungstendenzen. Ample evidence points to an emerging new self-understanding within medical practice, away from the established goals of medicine towards greater responsiveness to individual preferences. The altered self-understanding of medical practice unfettered by indications grounded in concepts of disease can be conceptually characterized as desire-driven medicine, or “medicine of desire”. This raises the question of morally justifiable limits for the normative governance of a medicine of desire. In liberal societies, only two forms of argumentation seem promising for setting limits to the provision and consumption of what a medicine of desire has to offer: Arguments that place expected benefit into the perspective of risks, and arguments that probe the coherence of desires and their fulfillment against the background of a person’s conception of a good life for that person.
Ethik in Der Medizin | 2006
Matthias Kettner
Alte Massenkommunikationsmedien wie Zeitung und Buch, Fernsehen, Hörfunk und Film, aber auch neue Massenmedien in interaktiven Formaten, die erst das Internet ermöglicht hat, stellen einige der wichtigsten Formen von Öffentlichkeit dar, über die moderne Gesellschaften verfügen [11]. Funktional betrachtet besteht die spezifische Leistung der Medien im Gesamtsystem von Informationsund Kommunikationsöffentlichkeiten vor allem in der ständigen Thematisierung von Neuem [8]. Massenkommunikationsmedien machen Neues bekannt und erneuern dadurch permanent die Suche nach neuem Neuen. Kraft der Ausdifferenzierung dieser Funktion über eine lange Organisationsgeschichte hinweg verfügen besonders die alten Massenmedien Zeitung, Fernsehen und Hörfunk über Selektionsprinzipien für berichtenswerte Themen, die eigenständig erscheinen, eingeschwungen sind und einigermaßen verlässlich arbeiten im Vergleich zu anderen Organisationen, die mit Themen umgehen, z. B. politische Parteien und Public Relations Agenturen der Werbebranche. Im Folgenden aktualisiere ich einige Befunde zum Ethikund Wissenschaftsjournalismus. Einige der Befunde sind in einem Sonderheft der AEM gesammelt ([1], darin bes. [3, 6, 10]). Einige andere gehen auf Diskussionen mit Otfried Jarren vom Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung zurück, die im Kontext einer vor 8 Jahren von Anton Leist in Zürich veranstalteten Konferenz über Medizinethik und Journalismus stattfanden. An den Befunden hat sich m. E. in der Zwischenzeit kaum etwas geändert, nur lässt sich heute gewissermaßen ihre mediale Verdopplung feststellen, da im neuen Hypermedium Internet inzwischen die alten Medien emuliert werden oder, wie im Fall der Qualitätspresse und des Qualitätsrundfunks, die eigenen Medienangebote für das Internet aufbereitet werden.
Ethik in Der Medizin | 2002
Matthias Kettner; Arnd T. May
Im Juni 2002 veranstalteten wir im Rahmen unseres laufenden bioethischen Forschungsprojekts über Organisationsformen und Geltungsansprüche klinischer EthikKomitees am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen eine zweitägige Konferenz. Ein erstes Ziel war es, Bausteine zusammenzutragen für eine systematische Landkarte solcher Komitees, die sich auf Moralfragen in der medizinischen Behandlung spezialisieren. In Deutschland gibt es ca. 2.400 Krankenhäuser, ein Drittel davon hat konfessionelle Träger. Seit 1997, als der katholische und der evangelische Krankenhausverband in einem gemeinsamen Memorandum die Gründung klinischer Ethik-Komitees (KEKs) empfahlen, sind schon ca. 70 konfessionelle Häuser dieser Empfehlung gefolgt, während an nichtkonfessionellen Häusern derzeit erst ein halbes Dutzend Komitees existiert. Aus vielen Erfahrungsberichten (u.a. von Dr. Peter Bartmann, Pastor Norbert Groß und Pastor Wolfgang Helbig vom Deutschen Evangelischen Krankenhausverband, die den Entwicklungsstand an evangelischen Häusern darstellten) wurde deutlich, dass derzeit starke Impulse zur Einrichtung von KEKs von den Prozessen des Qualitätsmanagements und der Zertifizierung ausgehen, sei es direkt aus ökonomischen Gründen, nämlich der Profilierung im Wettbewerb, sei es mittelbar aus Gründen der Identitätswahrung in einer wertepluralistischen Gesellschaft. Letzteres wird auch mit der Entwicklung normativer und wertebetonender „Leitbilder“ angestrebt. Das Leitbild, das sich ein bestimmtes Krankenhaus unter möglichst breiter Beteiligung aller Mitarbeiter gibt, soll einen lokalen und spezifischen Sinn stiften, mit dem sich die Mitarbeiter als Mitglieder einer besonderen, von anderen abhebbaren therapeutischen Gemeinschaft identifizieren können. Der Erfurter Arzt Dr. Rudolf Giertler, der den Erfahrungsstand an katholischen Krankenhäusern zusammenfasste, diskutierte eine Reihe von Erklärungshypothesen für das dort vergleichsweise zögerliche Wachstum von KEKs (nur 6% der katholischen, aber fast 20% der evangelischen Krankenhäuser). Ein wichtiger hemmender Faktor sind Vorbehalte, vor allem wenn in einer Einrichtung die bequeme Ansicht kultiviert wird, ohnehin immer schon ethisch vertretbare Entscheidungen getroffen zu haben. Weitere Faktoren sind die hohe zeitliche Belastung der Mitarbeiter und die Angst vor einer weiteren Institutionalisierung von behandlungsbezogenen Entscheidungen, die eigentlich zur Kompetenz der behandelnden Ärzte gehören. Überhaupt scheint die Befürchtung erstaunlich weit verbreitet, dass KEKs, die doch nur Reflexionshilfen bieten sollten, Ent© Springer-Verlag 2002
Ethik in Der Medizin | 2012
Matthias Kettner; Friedrich Heubel
ZusammenfassungWir möchten der Charter on Medical Professionalism, die wir für vorbildlich halten, eine durchdachte Anreicherung hinzufügen. Wir beginnen mit einer skeptischen Note gegen das verbreitete theoretische Vorurteil, die wichtigsten Probleme im Gesundheitssystem seien Gerechtigkeitsprobleme und diese seien theoretisch gut beherrschbar. Unter Bezug auf Norman Daniels, der John Rawls’ Theorie der politischen Gerechtigkeit auf die Bewertung und Gestaltung von Gesundheitssystemen anwendet, sowie auf die biomedizinische Ethik, die von Beauchamp und Childress vertreten wird, analysieren wir das komplexe Verhältnis zwischen moralischer Integrität von Strukturen und Organisationen einerseits und natürlichen Personen, die in ihnen arbeiten, andererseits. Anschließend interpretieren wir die Charta als eine Spezifizierung der ärztlichen professionsmoralischen Verantwortung auf mehreren Ebenen, die Tugend- und Organisationsethik verklammern.AbstractDefinition of the problem The Charter on Medical Professionalism offers a complete synopsis of responsibilities and commitments of physicians towards patients, co-professionals and society. Unfortunately, most members of the medical professions are more or less unaware of the interconnections between them. We try to make them more explicit.ArgumentsWe question the assumption that the most important problems besetting modern health care systems are problems of justice. We argue that problems of professional integrity are at least as important. Professions as corporate actors and individually all their members assume specific responsibilities for benefitting society, and professions are encouraged to organise themselves in pursuit of this end. The spectrum of professional moral responsibility includes a responsibility for averting tendencies that can be seen to threaten the moral integrity of the profession. In our view, commercialisation represents such a tendency. The perceived moral integrity of the profession depends upon the moral integrity of the majority of its members.ConclusionIndividual physicians are co-responsible for the collective operating conditions of their profession which enables them individually to benefit patients.
Ethik in Der Medizin | 2000
Gisela Bockenheimer-Lucius; Matthias Kettner
Abstract.Definition of the problem: Television has developed various forms for the presentation of issues on medical ethics. Our inquiry focuses on the textual, visual and musical elements that are used in two short television features on preimplantation genetic diagnosis. Arguments: We used the method of question-stimulated group discussion to reconstruct how an audience of persons interested in medical ethics perceives which moral problems are presented in the films and how the audience grounds its perceptions on determinate elements of the films. Conclusion: In the enactment of ethical questions in the two selected features there is a salient tendency – pointed out by spontaneous and subjective impressions of the audience – (1) to juxtapose rather than to mediate the presentation of medico-technical progress and the presentation of those who are concerned, (2) to present conflicts in a personally close-up manner that invites identification, (3) to inform about moral problems only by emphasising undesirable consequences. All these observations are connected with specific textual elements, pictures and music and, as a first step of analysis, described with regard to their effect on the viewers.Zusammenfassung.Im Fernsehen haben sich zur Darstellung medizinethischer Fragen verschiedene Formen entwickelt. Die vorliegende Arbeit referiert einen ersten, rein deskriptiven Analyseschritt zu der Frage, mit welchen Mitteln (Text, Bild, Musik) das Thema Präimplantationsdiagnostik in zwei ausgesuchten TV- Magazinbeiträgen dargeboten wird. Mit der Methode einer durch vier heuristische Fragen nur leicht strukturierten Gruppendiskussion unter medizinethisch Interessierten, rekonstruieren wir, welche Moralprobleme die Zuschauer als in den Filmen wahrgenommene ihrerseits wahrnehmen und an welchen darstellerischen Mitteln sie dies festmachen.
Archive | 2010
Friedrich Heubel; Horst Imdahl; Matthias Kettner; Christian Lenk; Arne Manzeschke; Franziska Prütz; Viola Schubert-Lehnhardt; Rudolf Seeliger
Vier Hypothesen beschreiben die Ausgangsposition der Arbeitsgruppe. Im Zuge der Arbeit, deren Ergebnisse der vorliegende Band dokumentiert, konnten wir diese Ausgangsposition prazisieren und in substanziellen Teilen auch bestatigen: 1 Es gibt fur das Gesundheitswesen in einer wie auch immer gestalteten Form eine offentliche Zustandigkeit, 2 dabei geht es sowohl um die (Verteilungs-)Gerechtigkeit als auch um ein ›Mehr‹, das als ›Fursorge‹ oder ›Solidaritat‹ bezeichnet werden kann. 3 Das Unbehagen insbesondere von Arzteschaft und Pflege angesichts der Okonomisierung des Gesundheitswesens lasst sich nicht auf eine psychologisch erklarbare Beharrungstendenz reduzieren. 4 Die ethischen Intuitionen, die in 1–3 im Spiel sind, haben einen rationalen, d.h. argumentativ aufweisbaren Kern.
Ethik in Der Medizin | 2007
Matthias Kettner
der in mehreren Beiträgen angesprochene Befund wichtig, dass die Medizin dazu tendiert, einmal geleistete Identitätsbildungen, die die Selbstidentifikation als behindert, chronisch krank oder „abnorm“ beinhaltet, nicht hinreichend zu honorieren und blind einem „therapeutischen Imperativ“ zu folgen, so als ob feststünde, dass der „Kranke“ nichts sehnlicher wünschen könne, als geheilt zu werden. Jackie Leach Scully weist in diesem Zusammenhang auf die Einseitigkeit der medizinethischen Diskussion hin, Körpermodifikationen zu nicht-therapeutischen Zwecken durchweg mit Vorbehalten zu begegnen, Körpermodifikationen zu therapeutischen Zwecken aber nur selten in Frage zu stellen. Die dadurch möglicherweise verursachten Störungen der Selbstwahrnehmung sind jedoch vielfach nicht zu vernachlässigen. Allerdings darf auch nicht übersehen werden, dass eine positive Identifikation mit Krankheit und Unvollkommenheit nur eine Minderheit betrifft, vor allem Patienten mit statischen und nicht progredienten oder lebensbedrohlichen Funktionsstörungen, sowie Patienten, bei denen die entgangene Lebensmöglichkeiten durch neue Formen von Zugehörigkeit kompensiert werden. Wie Norbert Meuter in seinem Beitrag zeigt, hängt die Akzeptanz etwa von Prothesen u. a. auch schlicht von dem Ausmaß ab, in dem diese die natürlichen Verhältnisse wiederherstellen. Gelingt dies (wie bei den computergesteuerten „C-legProthesen“) mit annähernder Perfektion, werden sie – zur Verwunderung der Patienten – nicht als Fremdkörper empfunden, sondern mehr oder weniger nahtlos in das Körperschema integriert. Philosophen wie Schopenhauer und Merlau-Ponty haben in den Mittelpunkt ihrer Philosophie die (von der modernen Psychologie bestätigte) These gestellt, dass Leiberfahrungen der notwendige Hintergrund von Bewusstsein, Bedingung einer orientierungsstiftenden Außenweltwahrnehmung und ein unerlässliches Vehikel des abstrakten Denkens sind. Unsere Körperlichkeit lässt sich aus unserem Weltbezug nicht cartesianisch herauskürzen. Dieser Band zeigt, dass sich Körperlichkeit aus unserem Selbstbezug nicht eliminieren lässt. Er verdeutlicht die Vielfalt, aber auch die Fruchtbarkeit der sich daraus ergebenden ethischen, soziologischen und kulturtheoretischen Problemstellungen.
Ethik in Der Medizin | 2005
Gisela Bockenheimer-Lucius; Matthias Kettner
Das neue Jahr beginnt für unsere Zeitschrift mit einer Erweiterung der Schriftleitung. Die vielfältigen und für Patienten und Ärzte ebenso wie für die gesellschaftliche Entwicklung wichtigen Fragestellungen und Herausforderungen durch die Medizinethik werden innerhalb der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) inzwischen in einer Vielzahl von nationalen wie internationalen Projekten, Tagungen und Arbeitsgruppen bearbeitet und diskutiert. Über diese Arbeit der AEM wollen wir unsere Leser mit verstärkten Kräften informieren und freuen uns, Frau Marianne Rabe (Berlin), Frau Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert (Münster), Herrn Prof. Dr. Gerd Richter (Marburg) und Herrn Prof. Dr. Klaus Steigleder (Bochum) begrüßen zu dürfen. Die gemeinsame Arbeit kommt natürlich in besonderer Weise in der Jahrestagung der AEM zur Geltung und wird diesmal das hochaktuelle Thema einer „wunscherfüllenden Medizin“ aufgreifen. Die ärztlichen Aufgaben und Handlungsziele der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit sowie der Linderung krankheitsbedingten Leidens sind verbunden mit der Notwendigkeit einer durch den Arzt gestellten medizinischen Indikation und dadurch mit Behandlungsmöglichkeiten, die vom Expertenurteil gedeckt sind. Dieses Verständnis rechtfertigt einerseits die Ausgrenzung all dessen, was gesetzlich Versicherte nicht beanspruchen können, weil es wegen mangelnder medizinischer Notwendigkeit in der Regel von den Kassen nicht bewilligt und von Ärzten nicht bewirkt werden soll. Andererseits rechtfertigt es aber auch die Verweigerung ärztlichen Handelns aufgrund fehlender medizinischer Begründung. Jedes therapeutische Handeln bedarf neben der Einwilligung des Patienten einer Indikation. Der Arzt muss dem Wunsch eines Patienten dann nicht nachgeben, wenn eine Behandlung schädlich ist, wenn sie unschädlich, aber sinnlos ist, wenn sie unverhältnismäßig aufwändig ist oder die persönliche Integrität des Arztes verletzt. Allerdings ist zu bedenken, dass bereits der Entscheidung über Sinnhaftigkeit, Zielvorstellung des medizinischen Handelns und Wahl der Mittel moralische Urteile zugrunde liegen. Drei Entwicklungen erschüttern vor allem das vertraute Grundverständnis. Intensiver denn je wird zwar in den letzten Jahren die „Medikalisierung“ des Lebens beklagt und besorgt der Trend zu einer „Gefälligkeitsmedizin“ konstatiert, dennoch konkurriert zum einen die herkömmliche Vorstellung von Medizin als Versorgung des kranken Menschen inzwischen deutlich mit der Nachfrage nach Optimierung des Lebensgefühls und der Lebensplanung. Das Ziel vieler „Kunden“ der modernen Fortpflanzungsmedizin sind z. B. Kinder, deren Anzahl, Entstehungszeitpunkt und Geschlecht besser zur eigenen Lebensplanung passen – nicht zu reden von Leihmutterschaft und anderen ethisch umstrittenen, gleichwohl von vielen Eltern gewünschten Fortpflanzungsmethoden. Die unerhörte Nachfrage nach Schönheitschirurgie, Antiagingund Lifestylemedizin entzweit die Ärzteschaft in Verächter und Verfechter. Einerseits ist die Zahl der in Krankenhäusern, Belegkliniken und Praxen durchgeführten ästhetisch-plastischen Operationen zwischen 990 und 2002 auf rund 660.000 Eingriffe um das Sechsfache gestiegen. Andererseits hat der Präsident der Bundesärztekammer Jörg Hoppe zu einer Ärztekoalition gegen den Schönheitswahn aufgerufen. Macht sich die moderne Medizin zur Magd der Kulturindustrie? Ist eine Kampagne gegen „Schönheitswahn“ berechtigt? Die zweite Entwicklung, die in das medizinische Selbstverständnis folgenreich eingreift, ist das Begehren nach medizinischen Utopien. Seit der Entschlüsselung des Genoms rückt die Sehnsucht nach Ver-
Archive | 2010
Friedrich Heubel; Matthias Kettner; Arne Manzeschke
Archive | 2010
Friedrich Heubel; Matthias Kettner; Arne Manzeschke