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Dive into the research topics where Michael Browning is active.

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Featured researches published by Michael Browning.


Archive | 1996

Diese kurzen Zeilen und unsere toten Körper

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Wahrend ich diese Zeilen schreibe, ist es Fruhling, Anfang Marz. Die Azaleen beginnen zu bluhen, und die Studenten radeln frohlich uber den Campus. Doch es hat auch andere Zeiten gegeben; damals, im August 1990.


Archive | 1996

Jeden Tag ist Halloween

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Ich habe selten Alptraume. Falls doch, sind es fur gewohnlich dahinhuschende Spiegelungen der Dinge, die ich bei meiner taglichen Arbeit sehe: zerschmetterte und durchlocherte Schadel, abgehackte Gliedmasen und abgetrennte Kopfe, verbrannte und zerfallene Korper, buschelweise menschliches Haar und haufenweise weise Knochen — alles taglich anfallende Arbeit an meiner Arbeitsstelle, dem C. A. Pound Human Identification Laboratory des Florida Museum of Natural History an der Universitat Florida. Kurzlich traumte ich, ich sei in einem weit entfernten Land, probiere Schuhe an und das Leder in den Schuhen sei so unsauber verarbeitet, das uber die Schnursenkel und das Oberleder Maden kriechen. Es gab jedoch eine ganz einfache Erklarung fur dieses Hirngespinst: Einer meiner Studenten zuchtete im Rahmen eines Forschungsprojektes Maden.


Archive | 1996

Wo die Sonne niemals scheint

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Ich glaube nicht, das die Holle ein Ort ist, sondern ein Zustand des menschlichen Seins. «Das Bose an sich existiert nicht», schrieb Augustinus, «sondern ist lediglich die Abwesenheit oder Negation des Guten.» Derlei Feinheiten liegen auserhalb meiner Kompetenz; ich bin Naturwissenschaftler, kein Theologe. Ich weis nicht, woraus das Bose entsteht, aber ich habe gesehen, was es anrichtet. Ich habe seine Auswirkungen untersucht, als es bereits uber die Sanftmutigen, Schwachen und Unschuldigen gesiegt hatte. Auf meinem Labortisch habe ich gesehen, welche Sprache das Bose sprechen kann. Ich war auch bei Hinrichtungen und Autopsien von Verbrechern anwesend und sah die schwarzen Brandstellen, die der elektrische Stuhl an ihren rasierten Kopfen und Beinen hinterlassen hatte. Ich sah, wie man ihre Schadel aufschnitt und ihr Gehirn entnahm. Doch bose Geister, die wie Fledermause im Autopsieraum herumschwirren, habe ich nie gesehen. Dennoch betrachte ich das Hirn eines Morders immer mit einer gewissen prickelnden Neugier: was mag in diesen korallfarbenen, grauen Windungen verborgen liegen? Was geschah auf den komplizierten Wegen durch die feinen Vernetzungen aus Axonen und Dendriten, deren winzige und unzahlige Funken die physikalische Grundlage unseres Denkens bilden? Ich weis es nicht. Wahrend meiner langjahrigen Arbeit bin ich mit den schrecklichsten Gewalttaten und unverbesserlichen Mordern konfrontiert worden, aber einen Weg, die Abgrunde der menschlichen Natur zu ergrunden und ihrem Treiben ein Ende zu setzen, habe ich bis heute nicht gefunden.


Archive | 1996

Wenn deine Seele die Krankheit ist

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Fur die meisten Menschen ist Selbstmord von einem Flair geradezu erschreckender Wurde umgeben. Die absolute Unwiderrufbarkeit der Handlung, der letzte Sprung oder Schus, der den Selbstmorder in das Schattenreich — «von dem kein Reisender zuruckkehrt» — hinubergeleitet, ruhrt die Herzen mit dusterer Feierlichkeit. Im Abendland wurden Selbstmordversuche mit religiosem Bann und ewiger Verdammnis belegt; und Dante verbannte den Selbstmord in den siebten Kreis der Holle, in dem die Schatten in Baume eines dusteren Waldes verwandelt werden, an deren blutenden Zweigen damonische Vogel zerren. Noch vor einigen Jahren verbaten strenge christliche Dogmen die Bestattung von Selbstmordern. In Shakespeares Tragodie Hamlet folgen die Monche, die Ophelia begraben, nur widerwillig dem Befehl des Konigs. Statt dessen sollte Ophelia ihrer Meinung nach «in ungeweihtem Boden wohnen, bis zum Jungsten Tag».


Archive | 1996

Der verwechselte Pizarro

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Francisco Pizarro (1478–1541) war der ausereheliche Sohn eines spanischen Hauptmannes. Sein Leben war gekennzeichnet von Kriegen und Kampfen; 1502 ging er nach Westindien und eroberte von Panama aus 1531–33 mit einer kleinen Streitmacht das Inkareich. Den Inkaherrscher Atahualpa lies er hinrichten. Im Jahre 1534 wurde er zum Marques de los Characas y de los Atabillos erhoben und grundete ein Jahr spater die neue Landeshauptstadt Lima. Auch im Burgerkrieg gegen Almagro trug er 1538 den Sieg davon; wurde jedoch einige Jahre danach von dessen Anhangern brutal ermordet.


Archive | 1996

Der Tod in 10’000 Fragmenten

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Etwa 30 km nordlich von Gainesville fuhrt die Interstate 75 durch eine grune, liebliche Landschaft: weite Felder, dichte Pinienwalder und stammige Eichen. Ich kann diesen Streckenabschnitt nicht fahren, ohne einen Blick auf ein Stuck Weideland zu werfen, das ein wenig sudlich der Ausfahrt nach High Springs liegt. Am Rande dieses Weidelandes steht eine einsame Eiche, und nach Westen hin erstreckt sich ein kleines Waldchen. Von den Baumen dieses Waldchens geschutzt, liegen die abgebrannten Uberreste einer alten Hutte.


Archive | 1996

Der Zar aller Russen

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Es war ein sonniger Tag in Sibirien, als ich die Stufen zum zweiten Stock des gerichtsmedizinischen Labors hinaufstieg, in dem die Skelette aufbewahrt wurden.


Archive | 1996

Die alles umschließende Erde

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Ein Freund von mir, Dr. Michael Baden, der fruhere Chef der Leichenbeschauer von New York, sagte immer, das kein Begrabnis fur die Ewigkeit sei. Es handle sich lediglich um eine Langzeitlagerung. Die Newtonsche Physik lehrt uns, das alles, was aufsteigt, auch wieder herunterkommt. In bezug auf Leichen ist es oft umgekehrt: haufig kommen sie wieder an die Oberflache, und der Anblick kann uberaus seltsam sein. Ruhe sanft lassen wir in Grabsteine meiseln, und schwere Marmorplatten versiegeln die Grabstatte. In Hydriotaphia schreibt Sir Thomas Browne:


Archive | 1996

Arsen oder Buttermilch

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Die Sommer in Washington D.C. konnen schrecklich heis sein, und der 4. Juli 1850 mus wohl hollisch gewesen sein. Prasident Zachary Taylor, Held der Schlacht von Buena Vista im mexikanischen Krieg, war gerade von einer Zeremonie zuruckgekehrt. In der prallen Sonne war der Grundstein fur das Washington Monument gelegt worden. Taylor war mude, hungrig und durstig und schlang ein uppiges Mahl aus rohem Gemuse, frischen Kirschen und eisgekuhlter Buttermilch herunter. Wenig spater muste er bemerken, das ihm seine Mahlzeit scheinbar gar nicht bekommen war, denn es qualte ihn ein schlimmer Durchfall. Funf Tage spater war der Prasident tot. Er war sechsundsechzig Jahre alt geworden und nur sechzehn Monate Prasident gewesen.


Archive | 1996

Ein Kerker aus Knochen

Katrin Welge; William R. Maples; Michael Browning

Dem unvorsichtigen Besucher des C. A. Pound Human Identification Laboratory mag eine Schrecksekunde erlaubt sein. Denn in diesem unauffalligen Gebaude, versteckt in einem Bambuswaldchen nahe der Radio Street in Gainsville, grinst einen der Tod aus jedem Winkel an. Mein Labor selbst ist nicht besonders gros, doch auf den Tischen, in den gestapelten Schachteln und den beschrifteten Schauglasern und Ampullen lagern vollstandige oder auch nur teilweise erhaltene Skelette. Eine schweigende Ansammlung von Menschen, die auf ihre Identifikation warten. Es ist ein Ort der fleischlosen Toten, trocken und still, bis auf das leise Summen des Luftentfeuchters.

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