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Featured researches published by Ute Gerhard.
Feministische Studien | 1996
Ute Gerhard
Die feministische Kritik praktischer Sozialpolitik wie der herrschenden Sozialpolitiktheorien hat in den unterschiedlichen Ländern und bei den verschiedenen Formen wohlfahrtsstaatlicher Politik zu auffällig ähnlichen Diagnosen geführt. Trotz der im internationalen Vergleich so unterschiedlichen Systeme sozialer Sicherung und wohlfahrtsstaatlicher Transfers haben feministische Analysen festgestellt, daß soziale Sicherheit für Männer und Frauen nach unterschiedlichen Prinzipien und Standards verteilt ist. Sie sprechen deshalb von einem »doppelten Standard« (Gordon 1990, 11) oder »Twochannel welfare state« (Nelson 1990,123f.), einer dualistischen Struktur des Systems der sozialen Sicherung (Fraser 1994, 232) bzw. einer Zweiteilung des Sozialstaats in eine Arbeiterund Armutspolitik, die mit einer geschlechtsspezifischen Zuordnung korrespondiert (Gerhard 1988,15). Mit den Ergebnissen der Frauenforschung war es möglich, diese Diagnose auch systematisch zu erklären: So hat z.B. die Neubestimmung des Arbeitsbegriffes und damit die Unterscheidung von Lohnund Hausarbeit als strukturellem Kennzeichen geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung zugleich die Gründe für die Ungleichheit in einem an Lohnund entsprechenden Beiträgen bemessenen Sicherungssystem bloßgelegt. Außerdem h^ben feministische Gesellschaftsanalysen immer wieder die Vernachlässigung der Geschlechterperspektive in der Geschichte und Konstruktion der Wohlfahrtsstaaten beklagt. Mit der Fixierung von Sozialpolitik auf die Arbeiterfrage als sozialer Frage schlechthin und unter dem vorrangigen Ziel, die Klassengegensätze zu beschwichtigen, wurde nicht nur die Arbeit der Frauen im Bereich der Reproduktion und ihr Beitrag, ja, ihre führende Rolle in der Sozialarbeit unterschlagen, sondern wird bis heute die aktive Rolle der Frauenbewegungen bei der Konstitution wohlfahrtsstaatlicher Politik unterschätzt. Familienund Geschlechterpolitik werden in den Lehrbüchern zur Sozialpolitik nur als »Anhängsel« oder »unliebsame Störung« der versicherungsrechtlichen Lösungen behandelt (Achinger 1979,9; eine Ausnahme ist die Arbeit von Preller 1978). Gleichwohl wird die Familie mit ihrer traditionellen Geschlechterordnung, einem männlichen Familienernährer und der weiblichen Zuständigkeit für Erziehung und Fürsorge, als Auffangstation und Basisinstitution sozialer Politik selbstverständlich vorausgesetzt,
Feministische Studien | 1993
Ute Gerhard; Christina Klausmann; Ulla Wischermann
Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland wird in der Regel als eine abgeschlossene, überholte betrachtet, die, mehr oder weniger erforscht, Frauen von heute Überraschungen, insbesondere aber »Déjà-vu-« und Identifikationseffekte bietet, im übrigen aber wohl eher eine Angelegenheit für Spezialistinnen ist. Schon in der Bezeichnung »alte Frauenbewegung« im Unterschied zur »neuen« wird, anders als etwa in der Kennzeichnung als »erste« oder »zweite Welle« wie im angelsächsischen Sprachgebrauch, die Distanzierung und Entgegensetzung deutlich, entwickelte sich doch das politische Selbstbewußtsein der Feministinnen aus der Abgrenzung nicht nur gegenüber »linken« Männern, sondern auch gegenüber den etablierten Frauenverbänden und ihrer »alten« Form der Politik. Mit dem hier vorgestellten Forschungsansatz wird der Versuch unternommen, die Frauenbewegung in Deutschland als Ganzes im Blick zu behalten, um ihre unerledigten Anliegen, die strukturell gleichen, aber auch die veränderten gesellschaftlichen Widerstände, Kontinuitäten und Brüche in der Politik mit und von Frauen auch über das fatale Jahr 1933 hinaus zu untersuchen und zu erkennen. Es gibt mehrere Bruchstellen in der Geschichte der deutschen Frauenbewegung, neben der Zeit des Nationalsozialismus das Wiederaufleben von Frauenorganisationen in der Nachkriegszeit, die aus der Sicht des neuen Feminismus nicht als Bewegung wahrgenommen werden. Es geht also nicht nur um die Vermittlung historischen Wissens, sondern auch um das Bewußtsein einer nicht zu »bewältigenden« Vergangenheit. Erst ihre historisch schonungslose und soziologische Analyse aber eröffnet eine Perspektive auf das wirklich Neue des neuen Feminismus, der für sich in Anspruch nimmt, politische Handlungsmöglichkeiten zu bieten. In der Literatur über neue soziale Bewegungen gehören einige Charakteristika des Neuen an diesen Bewegungen mittlerweile zum Standard wissenschaftlicher Erkenntnis und zum Selbstverständnis der Beteiligten. Die neuen sozialen Bewegungen (und dazu zählen neben der Frauenbewegung die Bürgerrechts-, Friedens-, Ökologieund Alternativbewegungen) eint vor allem anderen die neue Form politischer Einmischung, ihre Frontstellung gegen die hergebrachten Formen politischer Partizipation, gegen die Organisation von Interessen in Vereinen oder
Feministische Studien | 1992
Ute Gerhard
Nun haben wir sie, die Entscheidung des Parlaments, an der wir ablesen wollten, wie es um die Stellung der Frauen in diesem Staate steht: Einen parteienübergreifenden Kompromiß zur Fristenlösung mit Beratungspflicht, aber auch das Alleinentscheidungsrecht der Frau. Damit ist aus feministischer Sicht das Ziel uneingeschränkter Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts nicht erreicht. Ist dieses Ergebnis dennoch als ein »Sieg der Vernunft und ein Sieg der Frauen« zu werten, wie in den Zeitungen zu lesen war? (FR v. 27. Juni 1992) Spätesteas seit dem Umbruch in Ost-Europa und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ist die westdeutsche neue Frauenbewegung nicht nur in die Jahre gekommen, sie ist auch eine historische geworden. Es gibt also Grund genug zu fragen, was die Frauenbewegung in der alten B R D eigentlich bewegt, bewirkt und verändert hat, und wie es um sie im nun vereinigten Deutschland steht. Nach einem knappen Überblick über den Beitrag der Theorien neuer sozialer Bewegungen zur Analyse der Frauenbewegung sollen Konzepte und Diskurse der Frauenbewegung im Zentrum meiner Überlegungen stehen und soweit dies in einem Aufsatz und angesichts der Forschungslage möglich ist vor dem Hintergrund der offiziellen Frauenpolitik auf ihre Angemessenheit und politische Wirksamkeit befragt werden.
Feministische Studien | 2003
Ute Gerhard
Vielleicht sollte ich zwei Dinge vorweg erläutern: Erstens, woher das emphatische Zitat in meinem Titel stammt, und zweitens, was aus feministischer Perspektive unter dem Konzept europäischer Bürgerrechte zu verstehen ist. Denn sowohl die Terminologie als auch der normative Anspruch, der mit der Rede von den Bürgerrechten/ Staatsbürgerschaft verbunden ist, sind keineswegs selbstverständlich. Das Zitat ist eine Formulierung aus Art. 2 des Vertrages über die Europäische Union, geschlossen in Amsterdam 1997, in dem u. a. »die Erhaltung und Weiterentwicklung der Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts« als Zielbestimmung genannt wird. Ich meine, es ist nicht unerheblich, dass diese Zielsetzung gerade auch in bezug auf die Maßnahmen zu Asyl und Einwanderung ausdrücklich »gewährleistet« wird.
Feministische Studien | 1994
Ute Gerhard
Üblicherweise werden die internationalen Beziehungen und Kooperationen der Frauenbewegung als Beiwerk betrachtet, als eine gewiß interessante, aber gleichwohl zusätzliche oder ergänzende Fragestellung. Einer der Gründe, warum die internationale Geschichte der Frauenbewegungen zumindest aus der deutschen Perspektive bisher nicht untersucht worden ist, warum die internationalen Verbindungen bisher nicht im Zentrum des historischen und politischen Interesses standen, mag darin liegen, daß ihre Bedeutung für die Mobilisierung der Frauenbewegung kaum beachtet wurde. Hinzu kommt, daß speziell im deutschen Kontext Fragen des Nationalismus und Internationalismus eine komplizierte Vorgeschichte haben, aus der auch die Frauengeschichtsforschung nicht heraustreten oder sich gar mit dem Rekurs auf einen spezifisch weiblichen Pazifismus davonstehlen kann. Schließlich gibt es in Anbetracht zweier verheerender und verlorener Weltkriege besonders nach 1945 einen Bedeutungsverlust, einen Niedergang der deutschen Frauenbewegung selbst und ihrer internationalen Reputation. Gerade für die Geschichtsforschung erweist sich der durch Kriegszerstörung unersetzliche Verlust wichtiger Dokumente, ganzer Nachlässe und Archive, aber auch die Zerstreutheit und bisher nicht systematisierte Aufarbeitung der erhaltenen Materialien als eine zusätzliche Schwierigkeit für die Bearbeitung dieses Themas. So bleibt, weil das gerettete Material (Korrespondenzen, Broschüren und Verlautbarungen der internationalen Frauenorganisationen usw.) in alle Kontinente verstreut ist, zur Rekonstruktion dieser Geschichte oft nichts anderes übrig, als den Spuren einiger Emigrantinnen zu folgen oder in amerikanischen Archiven von der frühen Aufmerksamkeit für diesen Teil einer internationalen Frauengeschichte zu profitieren. Dieser Tatbestand erklärt aber auch, warum es bisher eigentlich nur angelsächsische Monographien bzw. Selbstdarstellungen zum Thema gibt, in denen nur wenige Hinweise auf deutsche Beteiligungen zu finden sind. Die einzige Ausnahme und überaus schätzenswerte Vorarbeit ist die leider nicht gedruckte Dissertation von Irmgard Remme aus dem Jahr 1955, die aus der Perspektive der bürgerlichen Frauenbewegung einen sehr gründlichen und informierenden Überblick über die internationalen Beziehungen der deutschen Frauenbewegung zwischen 1888 und 1933 gibt. Verfügbar sind darüber hinaus einige neuere Editionen mit ausgewählten Quellen, verhältnismäßig wenige Kongreßma-
Feministische Studien | 2013
Ute Gerhard
»In den Brüchen der Zeit« hieß die erste Nummer der feministischen studien, und es scheint so, als ob es auch 30 Jahre danach keinen passenderen Titel geben könnte, haben wir doch seither weltpolitische Umbrüche und Zeitenwenden erlebt, sind nicht zuletzt in den Geschlechterverhältnissen selbst sowie ihrer theoretischen Analyse und Deutung gesellschaftliche Entwicklungen, Kursänderungen und Abbrüche zu verzeichnen. »Die Zeitschrift feministische studien ist ein offenes Forum für die Frauenforschung«, lautete der erste Satz des ersten Editorials aus dem Jahr 1982. Die Rede war von »Frauenforschung«, wobei sogleich erläuternd hinzugefügt wurde:
Feministische Studien | 2012
Françoise Picq; Ute Gerhard; Mechthild Veil
Das Gespräch soll einer renommierten französischen Feministin die Gelegenheit geben, auf den in diesem Heft publizierten Beitrag von Joan W. Scott („French Seduction Theory“) mit seiner Kennzeichnung des „French Feminism“ zu antworten. Wir fragten Françoise Picq nach ihrer Beurteilung des Feminismus in Frankreich, nach seiner Bewegungsgeschichte, den aktuellen Debatten und gesellschaftlichen Veränderungen. Mit Françoise Picq, die an der Universität Paris-Dauphine gelehrt und geforscht hat und über die Grenzen Frankreichs hinaus für Ihre Expertisen bekannt ist, haben wir eine Feministin gewinnen können, die von Anbeginn an der Geschichte des „Mouvement de la Libération des Femmes (MLF)“ beteiligt war und die die Bewegung mit politischem Engagement und kritischer feministischer Forschung angestoßen und begleitet hat. Neben zahlreichen Veröffentlichungen ist 2011 ihr überaus lesenswertes und informatives Buch über die französische Neue Frauenbewegung unter dem Titel „Libération des femmes, quarante ans de mouvement“1 erschienen. Die Affäre um den ehemaligen Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn (DSK)2 hat in der feministischen Forschung und Politik heftige Reaktionen und Kontroversen über die Beziehungen der Geschlechter ausgelöst, die auch international zwischen französischen und angloamerikanischen Protagonisten_Innen geführt werden. Auf den ersten Blick wird der neue französische Feminismus im Anschluss an Simone de Beauvoir als ein Gleichheitsfeminismus etikettiert. In Frankreich ist diese Tradition nicht unhinterfragt geblieben. Anhängerinnen des Differenzfeminismus werfen Simone de Beauvoir vor, Menschsein (humanité) mit Männlichkeit zu identifizieren und Weiblichkeit (féminité) abzuwerten. Doch dies scheint von Anfang an ein Missverständnis gewesen zu sein, zumal Simone de Beauvoir mit ihrer wichtigsten Botschaft „On ne naît pas femme, on le devient“ Weiblichkeit als Produkt der Kultur begreift, das sich nicht über die Natur, nicht durch biologische oder essentialistische Zuschreibungen definiert. Die Kämpfe der Frauen für ihr Recht auf Arbeit, für Bildung und für staatsbürgerliche Rechte wie das Frauenwahlrecht sind beredte Beispiele hierfür. Dennoch mussten die Französinnen mehr als 100 Jahre „warten“ bis die Lücke zwischen dem „allgemeinen“ Wahl-
Feministische Studien | 1991
Ute Gerhard
Wer hätte vor fast genau einem Jahr, als wir uns am gleichen Ort an die Rolle und die Erfahrungen von Frauen in der Französischen Revolution erinnerten, geahnt, daß wir so bald ähnliche Erfahrungen machen bzw. so unmittelbar Zeuginnen einer gleichen Geschichte werden würden: Wenn es darum geht, die Tyrannen zu stürzen in der revolutionären Bewegung, die zum >Volk< wird sind die Frauen dabei und zwar in der vordersten Reihe und in großer Zahl. Doch beim Einsammeln der Früchte der Revolution, bei der politischen Gestaltung und Entscheidung über die so veränderten Verhältnisse, führen Männer das Wort, machen ihr großes Geschäft, heften sich die Verdienste anderer in diesem Fall der BürgerInnenbewegung in der DDR an ihre viel zu breiten, patriarchalen Schultern. Wieder einmal haben uns Männer vorgeführt, wie sie beanspruchen, allein die Geschichte zu machen. Die Lasten und Kosten auch dieser Umwälzung aber tragen die Frauen: Die Frauen in der DDR, indem sie als erste ihre Arbeitsplätze, ihr Recht auf Erwerb, ihr Recht auf Bildung und Ausbildung trotz und neben ihren Familienpflichten, aber auch die unzureichenden Kompensationen für die doppelte Aufgabe, insbesondere die Vorkehrungen für die Kinderbetreuung verlieren. Und die Frauen in der (alten) BRD bleiben wie eh und je aufgerufen, ihre angeblichen Sonderinteressen zurückzustellen, z.B. unsere dezidiert ausgearbeitete Kritik an den unsozialen Folgen einer »sozialen Marktwirtschaft« »kostenneutral« dem höheren Ziel der Einheit des >Vaterlandes< zu opfern. Doch »wir Frauen haben kein Vaterland« so schon eine politische Schrift aus der Frauenbewegung am Beginn des Jahrhunderts. An seinem Ende fügen wir hinzu: Wir wollen kein Vaterland! Keinen Nationalismus, kein starkes, mächtiges Deutschland, dessen Großmannssucht seinen Nachbarn Angst macht. Davon haben wir genug! Und wir sind nicht »das Volk«, das zu diesem Ende einer weltbewegenden und dennoch friedlichen Revolution in Deutschland die Begleitmusik spielt. Aber wer sind wir, was wollen wir, in welchen Begriffen, mit welchen Mitteln können wir unseren Forderungen, unserem >Traum von Menschenglück< Ausdruck verleihen? Nachdem der erste Jubel über neue Freiheiten und Freizügigkeiten verraucht war, schienen wir anfangs wie gelähmt, sprachlos geworden. Die erneute Erfahrung des Ausschlusses von Frauen, der Ausschaltung der Frauen in der DDR, die
Archive | 1990
Ute Gerhard; Ulla Wischermann
Feministische Studien | 2010
Ute Gerhard