ZZUR IRRATIONALIT ¨AT IN DER SCHULE
GUNTHER LEOBACHER AND JOSCHA PROCHNO
Zusammenfassung.
Irrationale Zahlen werden in der Schule bereits in der Sekundarstufe Ieingef¨uhrt. Allerdings wird typischerweise, mit Ausnahme vielleicht f¨ur √
2, kein mathemati-scher Beweis zur Irrationalit¨at gef¨uhrt. Insbesondere wird nicht bewiesen, dass die ber¨uhmteEulersche Zahl e sowie die Kreiszahl π irrationale Zahlen sind. In diesem Artikel wollenwir aufzeigen, wie dies mit recht elementaren Methoden der Analysis m¨oglich ist. Dar¨uberhinaus bieten wir f¨ur viele der analytischen Aussagen geometrische Varianten zur Veran-schaulichung, die insbesondere Variabilit¨at im Anspruchsniveau schaffen. Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 12. Der mathematische Werkzeugkasten 32.1. Der binomische Lehrsatz 32.2. Sinus, Cosinus und die Kreiszahl π π e Einleitung
Alles begann bereits im 6.-5. Jahrhundert vor Christus mit den Pythagoreern, die irratio-nale Zahlen, also solche mit einer nicht periodischen, unendlichen Anzahl von Dezimal-stellen, zun¨achst als inkommensurable Strecken , d.h. Strecken mit einem nicht-rationalenL¨angenverh¨altnis, entdeckten (etwa beim regelm¨aßigen F¨unfeck).Auf den Begriff der irrationalen Zahl treffen Sch¨ulerinnen und Sch¨uler heute im Alter von etwa15 Jahren. Eingef¨uhrt wird dieser fast ausschließlich im Zusammenhang mit dem Begriff derWurzel. Ein typisches Beispiel ist die Irrationalit¨at von √
2, eine Zahl, die sich auf nat¨urlicheWeise aus dem Satz des Pythagoras als L¨ange der Diagonalen im Quadrat mit Kantenl¨ange1 ergibt. Eine M¨oglichkeit, sich der Fragestellung nach der Irrationalit¨at von √ √ Mathematics Subject Classification.
Primary: 97I50, 97E50 Secondary: 97G60, 97D50.
Key words and phrases.
Irrationale Zahlen, Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung,Potenzreihen. a r X i v : . [ m a t h . HO ] M a y G. LEOBACHER AND J. PROCHNO gef¨uhrt – und das wird er in Schulen auch oft! Das Vorgehen basiert auf einem Beweis durchWiderspruch, d.h. man nimmt an, dass es Zahlen a ∈ N und b ∈ N \ { } gibt (man beachtehier, dass wir bereits die Positivit¨at ausgenutzt haben), so dass √ ab gilt. Ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit kann man annehmen, dass nicht sowohl Z¨ahlerals auch Nenner gerade Zahlen sind (sonst k¨urzt man so lange, bis Z¨ahler oder Nenner oderauch beide ungerade sind). Nun nimmt man an, dass a = 2 n und b = 2 m + 1 mit n, m ∈ N gilt (die anderen F¨alle verlaufen dann analog), d.h. √ n m + 1 . Quadrieren liefert dann 2 = 4 n m + 4 m + 1und nach einer elementaren Umformung ergibt sich4 m + 4 m + 1 = 2 n . Auf der linken Seite steht nun aber eine ungerade, auf der rechten eine gerade Zahl. Das istein Widerspruch, und √ e oderder Kreiszahl π aus? Auch f¨ur viele Sch¨ulerinnen und Sch¨uler ist das eine nat¨urliche Fra-ge. Obiger Beweis kann nicht einfach ¨ubertragen werden, denn das ”Quadrieren“, oben einentscheidender Schritt im Beweisargument, der uns eine gerade Zahl liefert, hilft bei denZahlen e und π eben nicht! Typischerweise wird auf die Irrationalit¨at dieser Zahlen lediglichverwiesen und kein Beweis gef¨uhrt. Das ist nat¨urlich auf eine gewisse Art unbefriedigend;der Grund daf¨ur ist wohl, dass man daf¨ur Methoden der h¨oheren Mathematik verwendenmuss, die in der Schule nicht zur Verf¨ugung stehen. Oder ist dem nicht so? Tats¨achlich stehtganz am Anfang der Entstehungsgeschichte unseres Artikels der folgende Dialog unter denAutoren:L: Gestern habe ich w¨ahrend meiner Analysis-Vorlesung f¨ur LehramtskandidatInnenden Beweis, dass π irrational ist, als Anwendung des Hauptsatzes der Differential-und Integralrechnung vorgetragen.P: Mhm? Nett!L: Danach habe ich zu den Studierenden gesagt: ”Und hier sehen Sie jetzt, was wir schonf¨ur tolle Werkzeuge haben. Das h¨atten Sie vor wenigen Wochen noch nicht gekonnt!“P: Und, waren Sie begeistert?L: Kann ich nicht genau sagen . . . (Anm.: Die Vorlesung fand Corona bedingt onlinestatt). Aber ich denke mir gerade, das stimmt ja gar nicht, dass sie das vor wenigenWochen nicht gekonnt h¨atten! Der Beweis verwendet nichts, was sie nicht in der Schuleauch schon gelernt haben.P: Wenn das so ist, dann sollten wir den Beweis f¨ur Sch¨uler verst¨andlich aufschreiben.Es soll hier nicht der Eindruck enstehen, dass dieses Aufschreiben noch nie passiert sei – wirpr¨asentieren mit diesem Artikel lediglich unseren eigenen Versuch.Wir wollen hier also demonstrieren, dass das Begr¨unden der Irrationalit¨at von e und π mitrecht elementaren Methoden (zumindest in h¨oheren Klassen) doch m¨oglich und in unseren Augen sinnvoll ist. Des Weiteren zeigt der Beweis f¨ur die Irrationalit¨at von π auch, wie mansich einer eher zahlentheoretischen Frage mit Methoden der Analysis n¨ahern kann.2. Der mathematische Werkzeugkasten
Wir beginnen mit der Wiederholung einiger Grundlagen, die im Beweis zum Einsatz kommenwerden. Dazu geh¨oren der binomische Lehrsatz und Eigenschaften des Binomialkoeffizienten,Differentiationseigenschaften der trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus sowie ei-nige Aussagen zum Integral stetiger Funktionen und der Hauptsatz der Differential- undIntegralrechnung. Wir werden stets versuchen auch einen anschaulichen Zugang zu liefern,der, wie wir hoffen, gegebenenfalls auch unabh¨angig von der Thematik der Irrationalit¨at seineAnwendung in der Schule findet.Wir verwenden die g¨angigen Notationen N f¨ur die nat¨urlichen Zahlen (ohne die Null), Z f¨urdie ganzen Zahlen, Q f¨ur die rationalen Zahlen sowie R f¨ur die reellen Zahlen. Des Weiterenverwenden wir, vor allem auch aus Gr¨unden der ¨Ubersichtlichkeit, die Notation mit demSummenzeichen. F¨ur eine Folge x , x , . . . reeller Zahlen sowie m, n ∈ N mit m ≤ n ist also n (cid:88) k = m x k = x m + x m +1 + · · · + x n − + x n . Existiert f¨ur obige Partialsummen der Grenzwert f¨ur n → ∞ , so schreibt man kurz ∞ (cid:88) k = m x k f¨ur diesen Grenzwert.2.1. Der binomische Lehrsatz.
Wir beginnen unsere Grundlagenreise bei einem mathe-matischen Satz, der, zumindest im Spezialfall, fast allen Sch¨ulerinnen und Sch¨ulern ein Begriffist. Es handelt sich um den binomischen Lehrsatz, den wir f¨ur n = 2 auch als (erste) ”bi-nomische Formel“ kennen. Der Satz sagt uns, wie wir die n -te Potenz einer Summe zweierZahlen als ein Polynom n -ten Grades schreiben k¨onnen. Eine zentrale Rolle in dieser Darstel-lung spielen die Binomialkoeffizienten. Auf einen Beweis, der mittels vollst¨andiger Induktiongef¨uhrt werden kann, verzichten wir hier. Satz.
Seien a, b ∈ R und n ∈ N ∪ { } . Dann gilt ( a + b ) n = a n + na n − b + . . . + (cid:18) nk (cid:19) a n − k b k + . . . + nab n − + b n = n (cid:88) k =0 (cid:18) nk (cid:19) a n − k b k , wobei die Binomialkoeffizienten (cid:0) nk (cid:1) := n !( n − k )! k ! die Rekursion (1) (cid:18) nk (cid:19) = (cid:18) n − k − (cid:19) + (cid:18) n − k (cid:19) mit den Startwerten (cid:0) n (cid:1) = 1 und (cid:0) nn (cid:1) = 1 erf¨ullt. Im Fall, dass n = 2 ist und die Zahlen a, b positiv sind, kann man den binomischen Lehrsatzleicht geometrisch visualisieren. Dazu nehmen wir uns ein Quadrat der Seitenl¨ange a + b . Dannsehen wir, dass wir dieses zerlegen k¨onnen in ein Quadrat der Seitenl¨ange a , ein Quadrat derSeitenl¨ange b sowie zwei Rechtecke mit Seiten a und b . G. LEOBACHER AND J. PROCHNO ab a ba b a · b a · b Die Gleichung (1) im binomischen Lehrsatz wird gew¨ohnlich durch das Pascal’sche Dreieckillustriert: n \ k · · · n ! bezeichnet die Faktorielle von n , auch n Fakul¨at , und ist definiert als das Produkt der ersten n nat¨urlichen Zahlen, also n ! = 1 · · . . . · ( n − · n . F¨ur die Zahl 0 definiert man zus¨atzlich 0! = 1 . Die ersten paarFaktoriellen werden in der nachstehenden Tabelle anderen Folgen gegen¨uber gestellt. n n n n n !0 0 0 1 11 1 1 2 12 4 8 4 23 9 27 8 64 16 64 16 245 25 125 32 1206 36 216 64 7207 49 343 128 5040Man sieht, dass die Faktorielle sehr schnell w¨achst, und zwar, wie der folgende Satz zeigt,schneller als eine Exponentialfolge mit beliebiger Basis. Satz.
F¨ur beliebige Zahlen a, c ∈ (0; ∞ ) gibt es stets eine nat¨urliche Zahl n ∈ N mit c · a n < n ! . Beweis.
Es gen¨ugt zu zeigen, dass a n /n ! f¨ur n → ∞ eine Nullfolge bildet. Denn dann existiertein n ∈ N , so dass f¨ur jedes n ≥ n , a n /n ! ≤ / (2 c ) gilt. Wir w¨ahlen zun¨achst eine Zahl n ∈ N , die gr¨oßer als 2 a ist, sodass also a/n < /
2. F¨ur alle n ∈ N mit n ≥ n gilt dann a n n ! = a n n ! · a n − n ( n + 1) · . . . · n < a n n ! · (cid:16) (cid:17) n − n . F¨ur n → ∞ ist letzerer Ausdruck eine feste Zahl multipliziert mit einer Nullfolge, d.h.insgesamt eine Nullfolge. (cid:3) Eine wichtige Erkenntnis aus (1) ist aber auch die, dass die Binomialkoeffizienten stets ganzeZahlen sind. Dass f¨ur Zahlen k, n ∈ N mit 0 ≤ k ≤ n der Bruch n ! k ! stets eine ganze Zahl ist,folgt unmittelbar aus der Definition der Faktoriellen. Die Ganzzahligkeit der Binomialkoeffi-zienten, f¨ur welche eben durch ( n − k )! auch noch dividiert wird, erfordert eine zus¨atzliche¨Uberlegung, wie eben die obige. Folgerung.
Die Binomialkoeffizienten (cid:0) nk (cid:1) sind f¨ur alle k ∈ N mit ≤ k ≤ n ganzzahlig. Eine weitere wichtige Konsequenz aus dem binomischen Lehrsatz ist die Ableitungsformelf¨ur Potenzfunktionen.
Folgerung.
F¨ur jedes n ∈ N ist die Ableitung der Potenzfunktion gegeben durch ( x n ) (cid:48) = nx n − . Allgemein gilt f¨ur die (cid:96) -te Ableitung der Potenzfunktion (2) ( x n ) ( (cid:96) ) = (cid:40) n !( n − (cid:96) )! x n − (cid:96) : 0 ≤ (cid:96) ≤ n (cid:96) > n . Beweis.
F¨ur n = 0 und n = 1 rechnet man 1 (cid:48) = 0 bzw x (cid:48) = 1 ganz einfach nach. F¨ur n ≥ x ∈ R und betrachten den Differenzenquotienten ( x + h ) n − x n h . F¨ur dessen Z¨ahlergilt mithilfe des binomischen Lehrsatzes( x + h ) n − x n = (cid:18) n (cid:19) x n − h + (cid:18) n (cid:19) x n − h + . . . + (cid:18) nn (cid:19) h n , so dass ( x + h ) n − x n h = (cid:18) n (cid:19) x n − + h (cid:18)(cid:18) n (cid:19) x n − + . . . + (cid:18) nn (cid:19) h n − (cid:19) . Somit gilt ( x n ) (cid:48) = lim h → ( x + h ) n − x n h = (cid:18) n (cid:19) x n − = nx n − , wobei wir (cid:0) n (cid:1) = n aus dem Pascal’schen Dreieck ablesen.Wenn wir nun noch einmal ableiten, so erhalten wir( x n ) (cid:48)(cid:48) = (cid:40) n ( n − x n − : n ≥
20 : n < , wobei wir beobachten, dass n ( n −
1) = n !( n − . Ableiten von x ( (cid:96) − = n !( n − (cid:96) − x n − (cid:96) +1 liefertnun x ( (cid:96) ) = (cid:0) x ( (cid:96) − ) (cid:48) = (cid:40) n !( n − (cid:96) +1)! ( n − (cid:96) + 1) x n − (cid:96) : n − (cid:96) ≥
00 : n − (cid:96) < . Nun ist aber n !( n − (cid:96) +1)! ( n − (cid:96) + 1) = n !( n − (cid:96) )! , und die Behauptung ist gezeigt. (cid:3) G. LEOBACHER AND J. PROCHNO
Sinus, Cosinus und die Kreiszahl π . Die unumstritten bekanntesten trigonometri-schen Funktionen sind die Sinusfunktion und die Kosinusfunktion. In der Schule werden dieseFunktionen geometrisch im Zusammenhang mit rechtwinkligen Dreiecken eingef¨uhrt. So istetwa der Sinus eines Winkels gegeben durch das Verh¨altnis der L¨ange der Gegenkathete (alsodie Kathete, die dem Winkel gegen¨uberliegt) zur L¨ange der Hypotenuse (die Seite gegen¨uberdem rechten Winkel). Eine beliebte Veranschaulichung von Sinus und Kosinus ist die amEinheitskreis. sin( x )cos( x ) x In der (h¨oheren) Analysis f¨uhrt man diese Funktionen ¨uber eine Reihendarstellung ein, ge-nauer ¨uber die sogenannten Potenzreihen. Die Darstellung ist dannsin( x ) = ∞ (cid:88) k =0 ( − k x k +1 (2 k + 1)! = x − x
3! + x ∓ . . . f¨ur den Sinus und cos( x ) = ∞ (cid:88) k =0 ( − k x k (2 k )! = 1 − x
2! + x ∓ . . . f¨ur den Kosinus einer Zahl x ∈ R . Was wir im Rahmen dieses Artikels ben¨otigen, sind dieAbleitungen von Sinus und Kosinus, die auch in den entsprechenden Klassenstufen an Schulenbehandelt werden. Es geltensin (cid:48) ( x ) = cos( x ) und cos (cid:48) ( x ) = − sin( x ) . Selbst der entsprechende Beweis kann mit Hilfe der Definition am Einheitskreis und einemAdditionstheorem gef¨uhrt werden. Wir skizzieren dies hier lediglich im Falle der Sinusfunk-tion. Dazu erinnern wir zun¨achst an ein Additionstheorem f¨ur den Sinus. Es gilt f¨ur alle a, b ∈ R , dass sin( a + b ) = sin( a ) cos( b ) + sin( b ) cos( a ) . Damit erh¨alt man nun f¨ur alle x ∈ R und h ∈ R \ { } , dasssin( x + h ) − sin( x ) h = sin( x ) cos( h ) + sin( h ) cos( x ) − sin( x ) h = sin( x ) cos( h ) − h +cos( x ) sin( h ) h . Betrachtet man nun den Grenzwert f¨ur h gegen 0 und nutzt die Tatsache, dass(3) lim h → cos( h ) − h = 0 und lim h → sin( h ) h = 1gilt (das kann man sich nat¨urlich auch ¨uberlegen – etwa mit Hilfe von Absch¨atzungen, dieman an den Reihendarstellungen ”ablesen“ kann), so erh¨alt mansin (cid:48) ( x ) = lim h → sin( x + h ) − sin( x ) h = cos( x ) . Sicherlich ist obiges Argument nur in h¨oheren Klassen durchf¨uhrbar oder vielleicht auchnur an mathematisch-technisch ausgerichteten Schulen. Man kann sich aber diese Grenzwer-te und Ableitungen auch geometrisch am Einheitskreis plausibel machen und somit diesenSachverhalt f¨ur Sch¨ulerinnen und Sch¨uler veranschaulichen.sin( h )cos( h ) hC AB DE Wir wollen uns nun geometrisch ¨uberlegen, dass die zweite Gleichung in (3) gilt. In unsererArgumentation folgen wir Stewart [6]. Wir wollen die L¨ange der k¨urzesten Strecke zwischenzwei Punkten P und P in der Ebene mit | P P | bezeichnen. Zun¨achst nehmen wir an,dass h ∈ (0 , π/
2) gilt ( h messen wir im Bogenmaß). Wir k¨onnen der Grafik unmittelbarentnehmen, dass | BC | = sin( h ) · h ) ist. Nun ist aber | BC | kleiner als | BA | , waskleiner als der Bogen von A nach B , d.h. h ist. Das liefert sofort die Ungleichung sin( h ) < h und somit(4) sin( h ) h < . Den Punkt, an dem sich die Tagenten am Kreis durch A und B treffen, wollen wir mit E bezeichnen. Dann gilt also, dass h kleiner ist als | AE | + | BE | . Es folgt weiter h < | AE | + | BE | < | AE | + | ED | = tan( h ) . Also gilt, wegen der Identit¨at tan( x ) = sin( x ) / cos( x ) f¨ur x ∈ R , dass h < sin( h )cos( h ) . G. LEOBACHER AND J. PROCHNO
Kombinieren wir dies mit (4), so ergibt sichcos( h ) < sin( h ) h < . Nun ergibt sich wegen lim h → cos( h ) = 1 sowie lim h → h ↓ sin( h ) h = 1gelten muss, denn sin( h ) /h wird f¨ur h ↓ von zwei Gr¨oßen eingeschachtelt, die beidengegen 1 konvergieren. Weil die Funktion sin( h ) /h aber eine gerade Funktion ist, stimmt derlinksseitige Grenzwert mit dem rechtsseitigen ¨uberein, es gilt alsolim h → sin( h ) h = 1 . Die erste Gleichung in (3) folgt jetzt aus dem Additionstheorem sin ( x ) + cos ( x ) = 1, x ∈ R . Man kann sie aber auch wie folgt direkt sehen: Es ist wie oben h ≥ | AB | , also auch h ≥ | AB | , und andererseits mit dem Satz von Pythagoras (im ersten und im vorletzten”=“) | AB | = | BC | + | AC | = sin ( h ) + (cid:0) − cos( h ) (cid:1) = sin ( h ) + 1 − h ) + cos ( h )= 2 · (cid:0) − cos( h ) (cid:1) , so dass h ≥ · (cid:0) − cos( h ) (cid:1) ≥ h ≥ − cos( h ) h ≥ . Die n¨achste Grafik unten zeigt, wie man sich die Ableitung des Sinus geometrisch ¨uberlegenkann, wobei dies am Einheitskreis unter Benutzung eines Strahlensatzes geschieht. ≈ cos( x + h ) xAB sin( x + h ) − sin( x ) hCO PQ Hier bezeichnet lim h ↓ den Grenzwert von rechts, d.h. nur f¨ur positive h . Wir nutzen hier die ¨Ahnlichkeit der zwei rechtwinkeligen Dreiecke ∆(
ABC ) und ∆(
OP Q ).Diese liefert uns mittels des Strahlensatzes, dass sich sin( x + h ) − sin( x ) zu | AB | verh¨alt, wiesich | OP | zu | OQ | = 1 verh¨alt. Wir erhalten nunsin( x + h ) − sin( x ) h ≈ sin( x + h ) − sin( x ) | AB | = | OP || OQ | ≈ cos (cid:0) x + h (cid:1) . Wir kommen nun zu der vielleicht ber¨uhmtesten mathematischen Konstanten, der Kreiszahl π . Eine M¨oglichkeit der Definition dieser Zahl ist geometrisch, n¨amlich als das Verh¨altnis desUmfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser, d.h. π := Umfang des KreisesDurchmesser des Kreises . Ein m¨oglicher analytischer Weg zur Definition f¨uhrt wieder ¨uber die trigonometrischen Funk-tionen und Nullstellen. Hat man etwa die Kosinusfunktion ¨uber die Potenzreihe dargestellt,dann kann man π als das Doppelte der kleinsten positiven Nullstelle des Kosinus festle-gen. Aber welchen Wert hat diese Zahl? Erste N¨aherungen finden sich bereits im ber¨uhmtenPapyrus Rhind aus dem 16. Jahrhundert vor Christus, n¨amlich (cid:16) (cid:17) ≈ , . Ist π also vielleicht wirklich eine rationale Zahl, aber eben nicht die oben gegebene? Archi-medes begegnete der Kreiszahl π durch einer Approximation des Kreises durch Vielecke [1]und erhielt die N¨aherung 3 , < π < , . Aber auch dies ist eben wieder nur eine N¨aherung. Neben Verfeinerungen der Methode vonArchimedes und der Entwicklung anderen Zug¨ange, wurde die Zahl π auf immer mehr Nach-kommastellen approximiert. Die Frage nach der Rationalit¨at von π dr¨angte sich f¨ormlichauf (Archimedes zweifelte dies bereits an), aber blieb trotz intensiver Untersuchungen langeoffen. Es scheint, dass ein erster Beweis, der mittels Kettenbr¨uchen (Latein: fractio conti-nua) gef¨uhrt wurde, auf den Mathematiker Johann Heinrich Lambert und die Jahre um 1770zur¨uckgeht. Er schreibt in seiner Abhandlung [3]:” Ich habe aber in vorbemeldeter Abhandlung von Verwandlung der Br¨uche die andere Fractiocontinua angegeben, welche nach einem gewissen Gesetze ins Unendliche Fortgeht, und dieHofnung, die Verh¨altniß des Diameters zum Umkreise durch ganze Zahlen zu bestimmen,ganz benimmt. “Trotz (oder wegen?) der revolution¨aren Erkenntnis, dass nie alle Stellen von π bestimmtwerden k¨onnen, hat die Suche nach weiteren Stellen nie aufgeh¨ort, und verwendet heute weitaufw¨andigere mathematische Methoden als der Beweis der Irrationalit¨at. Zum Zeitpunkt derEntstehung dieses Artikels waren ¨ubrigens die ersten 31,4 Billionen Nachkommastellen von π bekannt. Rationale N¨aherungen von π , welche es in den ”Mainstream“ geschafft haben, sind3 ,
14 = und = 3 , . . . (Mathematik-begeisterte begehen deswegen am 14. M¨arzden ” π -day“ und am 22. Juli den ” π -approximation-day“).Wir wollen nun mit den Grundlagen fortfahren, um einen modernen Beweis f¨ur die Irratio-nalit¨at zu f¨uhren. Zu diesem Zweck besch¨aftigen wir uns im folgenden Abschnitt mit demIntegral sowie dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung. Das Integral und der Hauptsatz.
Das Integral (cid:82) ba f ( x ) dx ¨uber eine nicht-negative,stetige Funktion in den Grenzen a und b hat die Interpretation des Inhalts der Fl¨ache zwischender x -Achse und dem Graphen von f und zwischen a und b . a bfA = (cid:82) ba f ( x ) dx Geometrisch ist folgende Eigenschaft des Integrals unmittelbar einleuchtend: Liegt der Graphvon g stets ¨uber dem von f , so ist der Inhalt der begrenzten Fl¨ache gr¨oßer, somit auch dasIntegral. Mathematisch dr¨ucken wir dies so aus: Satz (Monotonie des Integrals) . Sind f, g : [ a ; b ] → R stetige Funktionen mit der Eigenschaft,dass f¨ur alle x ∈ [ a ; b ] die Ungleichung g ( x ) ≤ f ( x ) gilt, so ist (cid:90) ba g ( x ) dx ≤ (cid:90) ba f ( x ) dx . Speziell: Gilt f¨ur Zahlen c, d ∈ R die Ungleichung c ≤ f ( x ) ≤ d f¨ur alle x ∈ R , dann folgt ( b − a ) · c ≤ (cid:90) ba f ( x ) dx ≤ ( b − a ) · d . Die folgende Grafik illustriert eine zur Monotonie ¨aquivalente Aussage, n¨amlich die, dasswenn der Graph von f ¨uber dem von g liegt, die von f und g begrenzte Fl¨ache nicht-negativist: a bfg (cid:82) ba (cid:0) f ( x ) − g ( x ) (cid:1) dx Die folgende Grafik veranschaulicht die zweite Aussage im vorangehenden Satz f¨ur eine nicht-negative, stetige Funktion, n¨amlich dass die Fl¨ache unterhalb des Graphen von f in denGrenzen a bis b zwar gr¨oßer ist als die Fl¨ache des Rechteckes mit den Kantenl¨angen ( b − a )und c , aber kleiner ist als die Fl¨ache des Rechteckes mit Kantenl¨angen ( b − a ) und d . a bfA = (cid:82) ba f ( x ) dx cd Wir betrachten nun zur stetigen Funktion f auf [ a ; b ] die Funktion F auf [ a ; b ] mit F ( x ) = (cid:90) xa f ( t ) dt, d.h. die Funktion, die ein Element aus x ∈ [ a, b ] auf das Integral ¨uber die Funktion f in denIntegrationsgrenzen a bis x abbildet. a bx x + hf ( x ) Abbildung 1.
Der Hauptsatz der Differential- und IntegralrechnungMan sieht aus Abbildung 1, dass f¨ur (hinreichend kleine) h ∈ (0; ∞ ) F ( x + h ) − F ( x ) = (cid:90) x + ha f ( t ) dt − (cid:90) xa f ( t ) dt ≈ h · f ( x ) , wobei aufgrund der Stetigkeit von f die N¨aherung desto besser ist, je kleiner h ist. Es giltalso f¨ur den Grenzwert des Differenzenquotientenlim h → F ( x + h ) − F ( x ) h = f ( x ) , mit anderen Worten, F (cid:48) ( x ) = f ( x ).Was wir uns soeben anschaulich ¨uberlegt haben, ist ein Teil der Aussage des Hauptsatzes derDifferential- und Integralrechnung, den wir jetzt formulieren m¨ochten. Satz (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung) . Es sei f : [ a ; b ] → R eine stetigeFunktion auf dem Intervall [ a ; b ] . Dann gilt f¨ur alle x ∈ [ a ; b ] , dass die Funktion F : [ a ; b ] → R , F ( x ) = (cid:90) xx f ( t ) dt differenzierbar ist und f¨ur alle x ∈ [ a ; b ] , F (cid:48) ( x ) = f ( x ) gilt. Insbesondere haben wir (cid:90) ba f ( t ) dt = F ( b ) − F ( a ) . Bevor wir mit dem Beweis der Irrationalit¨at von π fortfahren, wollen wir noch anmerken, dasses nat¨urlich viele Funktionen geben kann, deren Ableitung f ist. Allerdings unterscheiden sichdiese nur bis auf eine Konstante. Diese Aussage ist Teil der folgenden Bemerkung. Bemerkung.
Ist G eine beliebige Funktion auf [ a ; b ] mit Ableitung f , so ist also ( F − G ) (cid:48) = F (cid:48) − G (cid:48) = f − f = 0, also F − G eine konstante Funktion. Es gibt also eine Konstante C ∈ R mit F ( x ) = G ( x ) + C f¨ur alle x ∈ [ a ; b ]. Es ist damit (cid:90) ba f ( t ) dt = F ( b ) − F ( a ) = (cid:0) G ( b ) + C (cid:1) − (cid:0) G ( a ) + C (cid:1) = G ( b ) − G ( a ) . Die Irrationalit¨at von π Der Beweis der Irrationalit¨at von π , den wir hier pr¨asentieren, stammt von Ivan Niven [4]und erschien im Jahre 1947 und wird auch im Lehrbuch zur Analysis 1 von K¨onigsbergerbehandelt [2].Wenn wir zeigen k¨onnen, dass π / ∈ Q , dann ist auch π / ∈ Q : Angenommen es g¨abe a, b ∈ N mit π = ab , dann w¨are π = a b , und somit rational. Satz (Irrationalit¨at von π ) . Es gibt keine nat¨urlichen Zahlen a, b ∈ N mit π = ab .Beweis. Wir nehmen das Gegenteil der Aussage an und f¨uhren diese Annahme auf einenWiderspruch.Es seien also a, b ∈ N mit π = ab . Wir w¨ahlen n ∈ N groß genug, so dass πa n n ! <
1. Dass einsolches n ∈ N existiert, haben wir bereits im Abschnitt ¨uber die Faktorielle bewiesen. Wirdefinieren nun eine Funktion f : [0 , → R durch f ( x ) := 1 n ! x n · (1 − x ) n . Das Zeichen ≈ , welches die N¨aherung andeutet, verwenden wir an dieser Stelle nur intuitiv, ohne exaktdefiniert zu haben, was es bedeuten soll. Wir wollen es an dieser Stelle bei folgender Erkl¨arung belassen: derWert auf der linken Seite stimmt mit dem auf der rechten Seite bis auf einen gewissen Fehler ¨uberein. DerFehler verschwindet, wenn h gegen 0 geht. Mithilfe des binomischen Lehrsatzes erhalten wir f ( x ) = 1 n ! x n n (cid:88) k =0 (cid:18) nk (cid:19) ( − k x k = n (cid:88) k =0 k !( n − k )! ( − k x n + k = n (cid:88) j = n j − n )!(2 n − j )! ( − n − j x j . F¨ur alle (cid:96) ∈ N ∪ { } mit n ≤ (cid:96) ≤ n , gilt nach unserem Satz ¨uber die h¨ohere Ableitung vonPotenzfunktionen f ( (cid:96) ) ( x ) = n (cid:88) j = (cid:96) j − n )!(2 n − j )! ( − n − j j !( j − (cid:96) )! x j − (cid:96) und somit durch Auswertung an der Stelle 0 f ( (cid:96) ) (0) = 1( (cid:96) − n )!(2 n − (cid:96) )! ( − n − (cid:96) (cid:96) !0! = (cid:18) n(cid:96) − n (cid:19) ( − n − (cid:96) (cid:96) ! n ! . F¨ur alle (cid:96) ∈ N ∪ { } mit (cid:96) < n oder (cid:96) > n , gilt automatisch f ( (cid:96) ) (0) = 0, so dass wirinsgesamt f¨ur alle (cid:96) ∈ N ∪ { } die Aussage f ( (cid:96) ) (0) ∈ Z erhalten. Da f¨ur alle x ∈ [0; 1] gilt,dass f (1 − x ) = f ( x ), ist auch f ( (cid:96) ) (1) ∈ Z f¨ur jedes (cid:96) ∈ N ∪ { } .Wir definieren nun eine weitere Funktion g : [0; 1] → R durch g ( x ) := b n n (cid:88) k =0 ( − k π n − k f (2 k ) ( x )= b n · (cid:0) π n f ( x ) − π n − f (cid:48)(cid:48) ( x ) + π n − f (4) ( x ) − . . . + ( − n f (2 n ) ( x ) (cid:1) . Da wegen der Annahme π = ab mit a, b ∈ N die Zahl a = bπ eine nat¨urliche Zahl ist, sind g (0) und g (1) ganze Zahlen. Weiter ergibt sich, wegen der Identit¨at g (cid:48)(cid:48) ( x ) + π g ( x ) = b n n (cid:88) k =0 ( − k π n − k f (2 k +2) ( x ) + π b n n (cid:88) k =0 ( − k π n − k f (2 k ) ( x )= π b n ( − π n − · f (0) ( x ) , dass mit Produkt- und Kettenregel f¨ur das Differenzieren die Gleichheit (cid:16) g (cid:48) ( x ) sin( πx ) − πg ( x ) cos( πx ) (cid:17) (cid:48) = (cid:0) g (cid:48)(cid:48) ( x ) + π g ( x ) (cid:1) sin( πx )= b n π n +2 f ( x ) sin( πx )= a n π f ( x ) sin( πx )gilt. Und genau hier kommt die Magie ins Spiel! Die Wahl der Funktion g ist so geschickt, dass sie wie aufzauberhafte Weise genau so mit den trigonometrischen Funktionen und der Zahl π interagiert, wie es ben¨otigtwird. Mit dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung sowie der sich anschließendenBemerkung, ist also I := πa n (cid:90) f ( x ) sin( πx ) dx = 1 π (cid:0) g (cid:48) ( x ) sin( πx ) − πg ( x ) cos( πx ) (cid:1)(cid:12)(cid:12)(cid:12) = g (0) + g (1) . Damit ist nach den vorangehenden ¨Uberlegungen I eine ganze Zahl. Andererseits gilt f¨ur alle x ∈ [0; 1], dass f ( x ) < n ! und 0 ≤ sin( πx ) ≤
1. Aus der Monotonie des Integrals ergibt sichdamit die Absch¨atzung 0 < I < πa n n ! < . Dies steht im Widerspruch zu unserer fr¨uheren Feststellung, wonach I ∈ Z . Damit kann π nicht rational sein. (cid:3) Neben elementaren Rechenregeln und den in den einf¨uhrenden Kapiteln beschriebenen Me-thoden wurden im Beweis f¨ur die Irrationalit¨at von π lediglich die Produktregel f¨ur dasDifferenzieren sowie die Kettenregel in ihrer einfachsten Form verwendet.4. Die Irrationalit¨at von e Wir wollen nun zum Abschluss noch zeigen, dass auch die Eulersche Zahl e irrational ist.Dazu ben¨otigen wir eine Darstellung von e , oder genauer gesagt, von der Exponentialfunktion x (cid:55)→ e x , die typischerweise nicht in der Schule behandelt wird. W¨ahrend diese Funktion inder Schule ¨uber Folgen eingef¨uhrt wird, n¨amlich durch e x := lim n →∞ (cid:16) xn (cid:17) n , x ∈ R , ben¨otigen wir die Entwicklung dieser Funktion als Potenzreihe. In dieser Darstellung habenwir, wie wir gleich beweisen werden, e x = ∞ (cid:88) k =0 x k k ! . Dieser Formel m¨ochten wir noch ein Zitat des bekannten Mathematikers Walter Rudin [5]anschließen:Entsprechend der Jagd nach immer mehr Nachkommastellen der Zahl π , hat auch die Suchenach weiteren Stellen bei der Eulerschen Zahl e nie aufgeh¨ort. Auch hier kommen heuteaufw¨andige mathematische Methoden zum Einsatz. Zum Zeitpunkt der Entstehung diesesArtikels waren ¨ubrigens die ersten 8 Billionen Nachkommastellen von e bekannt.Wir zeigen nun, wie sich aus dem binomischen Lehrsatz die Potenzreihendarstellung f¨ur e ableiten l¨asst. Satz.
F¨ur alle x ∈ (0; ∞ ) ist e x := lim n →∞ (cid:0) xn (cid:1) n = lim n →∞ x + x
2! + . . . + x n n ! . Beweis.
F¨ur alle n ∈ N und alle k ∈ N ∪ { } mit 0 ≤ k ≤ n ist (cid:18) nk (cid:19) n k = 1 k ! 1 · · . . . · ( n − k )1 · · . . . · ( n − k ) ( n − k + 1) · . . . · nn · . . . · n . Also ergibt sich aus dem binomischen Lehrsatz, dass (cid:0) xn (cid:1) n = 1 + (cid:18) n (cid:19) xn + (cid:18) n (cid:19) x n + . . . + (cid:18) nn − (cid:19) x n − n n − + x n n n < x + x
2! + . . . + x n n ! . Umgekehrt ist f¨ur alle n, m ∈ N und alle k ∈ N ∪ { } mit 0 ≤ k ≤ n + m (cid:18) m + nk (cid:19) m + n ) k = 1 k ! 1 · · . . . · m · · . . . · m ( m + 1) · . . . · ( m + n )( m + n ) · . . . · ( m + n ) m →∞ −→ k ! . Somit erhalten wir (cid:0) xn + m (cid:1) n + m > (cid:18) n + m (cid:19) xn + m + . . . + (cid:18) n + mn (cid:19) x n ( m + n ) nm →∞ −→ x + x
2! + . . . + x n n ! . Dies beweist die gew¨unschte Darstellung. (cid:3)
Kommen wir nun zum Beweis der Irrationalit¨at der Eulerschen Zahl, der lediglich auf derPotenzreihendarstellung beruht und einige elementare Absch¨atzungen verwendet.
Satz (Irrationalit¨at von e ) . Es gibt keine nat¨urlichen Zahlen a, b ∈ N mit e = ab .Beweis. Wir nehmen das Gegenteil der Aussage an und f¨uhren diese Annahme auf einenWiderspruch.Es seien also a, b ∈ N mit e = ab . Wir w¨ahlen n ∈ N groß genug, so dass n ! · ab ∈ N (mank¨onnte zum Beispiel n = b w¨ahlen). Dann gilt e = ∞ (cid:88) k =0 k ! = n − (cid:88) k =0 k ! + ∞ (cid:88) k = n k ! < n − (cid:88) k =0 k ! + ∞ (cid:88) k = n n ! · ( n + 1) k − n = n − (cid:88) k =0 k ! + 1 n ! ∞ (cid:88) k = n (cid:16) n + 1 (cid:17) k − n ( ∗ ) = n − (cid:88) k =0 k ! + 1 n ! · − n +1 = n − (cid:88) k =0 k ! + 1 n ! · n + 1 n = n (cid:88) k =0 k ! + 1 n ! · n , wo wir f¨ur ( ∗ ) die geometrische Summenformel verwendet haben. Es ist also0 < e − n (cid:88) k =0 k ! < n ! · n . Wir haben n ! · ab ∈ N und (cid:80) nk =0 n ! k ! ∈ N , und damit M := n ! · ab − (cid:80) nk =0 n ! k ! ∈ Z . Andererseitsist 0 < M = n ! · (cid:16) e − n (cid:88) k =0 k ! (cid:17) < n ≤ , ein Widerspruch zu M ∈ Z . (cid:3) Abschlussbemerkungen
Die Frage nach der Irrationalit¨at von e und π ist nicht nur eine ganz nat¨urliche, sondern aucheine selbst f¨ur j¨ungere Sch¨ulerinnen und Sch¨uler verst¨andliche Frage, der man sich etwa imFall von π durch tats¨achliches Abmessen von Kreisen mittels Maßb¨andern oder durch einfacheApproximation mit Vielecken n¨ahern kann. Durch das breite Spektrum an Anspruchsniveauseignet sich das Thema in besonderem Maße sowohl f¨ur den Einsatz in der Schule als auchan der Universit¨at. Dass zu einem vollst¨andigen Beweis lediglich elementare Methoden derAnalysis ben¨otigt werden (die sich in vielen F¨allen auch geometrische motivieren lassen),haben wir hoffentlich ¨uberzeugend dargelegt. Des Weiteren l¨asst der Grad der Genauigkeitim Beweis gen¨ugend Spielraum das Anspruchsniveau entsprechend anzupassen.Ob man die Thematik als eine elegante und unerwartete Anwendung f¨ur den Hauptsatzder Differential- und Integralrechnung behandelt, im Rahmen einer Mathematik AG odereines Projektes, oder gar in Kombination mit dem Informatikunterricht (etwa numerischeN¨aherungen aus der Potenzreihenentwicklung von e oder den Kettenbr¨uchen), wir w¨unschenviel Freude und Erfolg bei der Umsetzung. Danksagung.
Gunther Leobacher wird ¨uber das Projekt F5508-N26 des ¨osterreichischenWissenschaftsfond (FWF) gef¨ordert, welches ein Teilprojekt des Spezialforschungsbereichs”Quasi-Monte Carlo Methoden: Theorie und Anwendungen“ ist. Joscha Prochno wird durchden ¨osterreichischen Wissenschaftsfond (FWF) ¨uber das Projekt P32405 ”AsymptotischeGeometrische Analysis und Anwendungen“ gef¨ordert.Wir danken unserem Kollegen Michael Schmitz (Flensburg) f¨ur hilfreiche Anregungen undKommentare zu dieser Arbeit.
Literatur [1] J. Arndt and C. Haenel.
Pi—unleashed . Springer-Verlag, Berlin, second edition, 2001. Translated fromthe 1998 German original by Catriona Lischka and David Lischka, With 1 CD-ROM (Windows).[2] K. K¨onigsberger.
Analysis. 1 . Springer-Lehrbuch. [Springer Textbook]. Springer-Verlag, Berlin, 1990.[3] J. H. Lambert.
Beytr¨age zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung . Verlag des Buchladensder Realschule, 1770.[4] I. Niven. A simple proof that π is irrational. Bull. Amer. Math. Soc. , 53(6):509, 06 1947.[5] W. Rudin.
Real and complex analysis . McGraw-Hill Book Co., New York-Toronto, Ont.-London, 1966.[6] J. Stewart.
Calculus: Early Transcendentals, 8th Edition . Cengage Learning, 2015.
Gunther Leobacher: Institut f¨ur Mathematik und Wissenschaftliches Rechnen, Universit¨atGraz, ¨Osterreich.
E-mail address : [email protected] Joscha Prochno: Institut f¨ur Mathematik und Wissenschaftliches Rechnen, Universit¨atGraz, ¨Osterreich.
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