Britta Schinzel
University of Freiburg
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Publication
Featured researches published by Britta Schinzel.
Informatik Spektrum | 1999
Britta Schinzel; Karin Kleinn; Andrea Wegerle; Christine Zimmer
Zusammenfassung Frauen sind in der Informatik stark unterrepräsentiert. Bei den StudienanfängerInnen im Fach Informatik liegt ihr Anteil momentan bei nur 7–8 Prozent. Betrachtet man den Zugang von Frauen und Männern zum Informatikstudium, zeigen sich erhebliche Unterschiede. Während Männer schon in früher Jugend in und außerhalb der Schule viel Umgang mit Computern haben und darin von Eltern und LehrerInnen gefördert werden, bekommen Frauen diesbezüglich aus ihrem Umfeld weit weniger Anregungen und Unterstützung. Elternhaus und Schule, die zentralen Sozialisationsinstanzen, wirken auf Frauen hemmend im Hinblick auf die Ausbildung eines Interesses an Informatik. Dementsprechend fassen Frauen häufig erst nach dem Abitur den Entschluß, Informatik zu studieren und das aus sehr rationalen Überlegungen heraus. Berufliche Möglichkeiten und Arbeitsplatzsicherheit sind für sie genauso wichtige Gründe wie ihr Interesse am Fach. Die gängige These einer weiblich-intrinsischen versus männlich-extrinsischen Motivation bei der Studienfachwahl läßt sich also bei den Informatikstudentinnen und –studenten nicht bestätigen, das Gegenteil ist hier der Fall. Was die Studiensituation angeht, zeigen sich bei der Einschätzung und Beurteilung des Studiums auf den ersten Blick keine großen Unterschiede zwischen den weiblichen und männlichen Studierenden: Ihre Erwartungen erweisen sich gleichermaßen als ziemlich realistisch, ihre Leistungsbereitschaft als angemessen. Die Lehre beurteilen Männer wie Frauen überwiegend positiv, ebenso die Atmosphäre während der Lehrveranstaltungen. Auffallend sind aber die (z.T. erheblichen) geschlechtsspezifischen Unterschiede beim subjektiven Erleben des Studienalltags. Die Frauen zweifeln viel stärker an ihren Fähigkeiten und rer Eignung für das Fach. Die Gespräche unter den Studenten verunsichern sie, vor allem in der frühen Phase des Studiums. Und obwohl sie die Studiensituation nicht negativer beurteilen als ihre männlichen Kollegen, denken sie doch wesentlich häufiger an einen Fachwechsel oder Studienabbruch. Diese Befunde zeigen, daß ein Informatikstudium Frauen über die fachlichen Anforderungen hinaus vor besondere Schwierigkeiten stellt, weil sie sich nach wie vor bestehenden geschlechtstypischen Rollenerwartungen widersetzen und in einer männergeprägten Kultur bewähren müssen.Summary In the past years, the quality of the computer science studies at German universities has been critically discussed, but until now, the people actually concerned, the students in computer science, are hardly taking part in this debate. This contribution is devoted to the situation in computer science from a students’ perspective. The investigation deals with the students’ experiences with computers at home and at school, with the reasons for choosing the subject and with their expectations in the course of study, with the motivations of achievement of the students, and with the daily routine of studying. Special emphasis is placed on the question whether there are differences between male and female students of computer sciences, and whether there are hidden barriers for women.
Proceedings of the IFIP 17th World Computer Congress - TC3 Stream on TelE-Learning: the Challenge for the Third Millennium | 2002
Britta Schinzel
Since the establishment of computer science courses in the last 30–40 years both female enrollment and its development differ strongly between various continents, countries, cultures, religions and languages. It is remarkable that female participation is extremely low in German (and Dutch) speaking countries, in Scandinavian countries and Great Britain, compared to the other European countries. In many Western countries female participation in computer science courses has dropped since 1970 by more than 50 percent. This has not occurred in semi-developed countries, like the South American ones, the rich Arab_countries, the Tiger_states or India, nor has it occurred in the developmental countries in Africa.
Poiesis & Praxis | 2006
Britta Schinzel
Medical imaging has provided insight into the living body that were not possible beforehand. With these methods a revolution in medical diagnosis and biomedical research has begun. Problematic aspects on the other hand are arising from the highly constructive properties of image production, which use complicated physical and physiological effects. Images are established via highly complicated combinations of technology and contingently chosen mathematical and algorithmic solutions. In addition, image construction follows properties of the human visual and cognitive system to allow for the discrimination of the desired categories. It is no wonder that the visualizations referring to the body also show effects which have no physiological correlation within the body. Still such images are often used as if they were one-to-one correlates of the body. This has impacts, e.g. for their use as standardizing instances, resulting in new definitions of the normed healthy body, sickness or pathologies, maleness and femaleness and in determinisms as opposed to the brain’s plasticity and variability, both in time and space, inter- as well as intra-individually.RésuméLes procédés d’imagerie en médecine ont ouvert des perspectives dans la connaissance du corps vivant qui n’étaient pas possibles autrefois sans interventions invasives. Ces méthodes ont induit une révolution du diagnostic médical et de la recherche biomédicale. Toutefois, elles génèrent des effets problématiques, dus notamment aux caractéristiques d’une production d’images extrêmement construite, qui utilise des effets physiques et physiologiques complexes. La génération des images recourt à des combinaisons complexes d’appareillages techniques et de solutions mathématiques et algorithmiques. En outre, la construction des images suit les propriétés visuelles et cognitives humaines pour établir les différenciations des catégories visées. Rien d’étonnant alors à ce que les visualisations du corps montrent aussi des effets n’ayant pas de corrélations physiologiques dans le corps. Malgré tout, ces images sont souvent considérées comme des reproductions fidèles du corps. Cela a des conséquences, p. ex. en ce qu’elles servent d’instances de standardisation qui débouchent sur de nouvelles définitions du corps sain normé, de la maladie ou des pathologies, de la masculinité ou de la féminité, des distinctions de race, etc. Par ailleurs sont insinués des déterminismes en contradiction avec la plasticité et la variabilité du cerveau, qui sont très importants dans le temps et dans l’espace tout comme sur le plan inter ou intra-individuel.ZusammenfassungBild gebende Verfahren in der Medizin haben Einsichten in den lebenden Körper verschafft, die vorher ohne invasive Eingriffe nicht möglich waren. Mit diesen Methoden hat eine Revolution in medizinischer Diagnose und biomedizinischer Forschung eingesetzt. Dabei treten andererseits problematische Effekte auf, insbesondere durch die hoch konstruktiven Eigenschaften der Bildproduktion, die komplizierte physikalische und physiologische Effekte ausnutzen. Die Bilderzeugung verwendet komplizierte Kombinationen von Technik und mathematischen und algorithmischen Lösungen. Dazu werden Eigenschaften der menschlichen Kognition und des visuellen Systems für die Konstruktion von Unterscheidbarkeit ausgenutzt. Kein Wunder, dass die Visualisierungen des Körpers auch Effekte vorzeigen, die keine physiologischen Korrelate im menschlichen Körper haben. Dessen ungeachtet werden diese Bilder häufig als eineindeutige Abbildungen des Körpers gesehen. Das hat Folgen, beispielsweise für ihren Gebrauch als Standardisierungsinstanzen. Diese führen zu Definitionen des normierten gesunden Körpers, versus von Krankheit oder Pathologien, von Männlichkeit versus Weiblichkeit, von rassischen Unterscheidungen etc. Dazu werden Determinismen insinuiert, die in Widerspruch zur Plastizität und Variabilität des Gehirns stehen, die sowohl zeitlich wie räumlich, inter- und intra-individuell enorm groß sind.
Archive | 1992
Britta Schinzel
Um die Entwicklung der Informatik und ihre Entstehungsbedingungen zu verstehen, mus man die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik miteinbeziehen.
Lecture Notes in Computer Science | 2004
Britta Schinzel
Computer science (and AI along with it) has fundamentally different operational possibilities. Firstly, in that humans represent a problem area explicitly symbolically and put the solution of the problem into algorithm, in order to ensure a complete problem solution. Secondly, in that they – using the preconditioned computer less as a controlled transformation medium than as a to a certain extent unknown physical system – initialise a certain approach and observe the calculation process, and thirdly as a medium for the representation of pictures, dynamics, etc.. My paper focuses on basic questions of representation by means of computers, which are directed in particular towards the character of the symbolic and the pictorial, the discrete and the continuous, and thinking in symbols and in analogue structures respectively.
Informatik Spektrum | 2013
Britta Schinzel
ZusammenfassungIn der Einleitung wurde der Weltbildbegriff ganz allgemein beschrieben, hier nun wird er für die genannten Ziele der Untersuchung operationalisiert. Es erscheint plausibel, dass Technik- und Menschenbilder dafür relevant sind, auch das Bild der Informatik selbst. Erklärungsbedürftig könnte sein, dass wir auch die Wirklichkeitsauffassung der Studierenden für wichtig erachtet haben, und zwar deshalb, weil die Informatik Ausschnitte der Realität erfasst, um sie mit einer erwünschten Problemlösung zu verändern. Die Antworten der Studierenden zu all diesen Fragestellungen sind aufschlussreich, auch weil sie in nicht unmittelbar erwartbarer Weise mit den Fragen der später behandelten Sekundärevaluation, wie Diversity, Geschlecht und Ethik zusammenhängen.
Informatik Spektrum | 2013
Britta Schinzel
Im Projekt ,,Weltbilder in der Informatik“ haben wir kulturelle Hintergründe des Studiums und der Studiensituation in der Informatik in Deutschland untersucht. Ein Ziel der Untersuchung war es, dazu beizutragen, dass die unthematisierten Prämissen und Verfahrenstraditionen der Informatik im Studium und in der zukünftigen Berufspraxis aufgedeckt und damit reflektierbar werden. Konkret ging es um die Weltbilder von InformatikStudierenden zu Beginn des Studiums und den Einfluss des Studiums darauf, was auch Rückschlüsse auf die Lehre und die informatischen Fachkulturen erlaubt. Dabei wurden als für die Informatik relevante Weltbild-Kategorien folgende Themen behandelt: Technikbilder und Menschenbilder der Studierenden, das Bild der Informatik und die Klischees, mit denen die darin Beschäftigten umzugehen haben, die Befindlichkeiten im Studium, der Umgang mit Schwierigkeiten dabei, die soziale und fachliche Diversität und das Geschlechterbild sowie Verantwortungsfragen. Alles das ist für die Motivation, das Fach zu wählen, ebenso relevant wie für professionelle Arbeitsweisen, die sich letztendlich auch in der zur Disposition stehenden Brauchbarkeit, Nützlichkeit oder Attraktivität informationstechnischer Problemlösungen auswirken. Daraus gegebenenfalls abzuleitende Anhaltspunkte für Veränderungen haben auch ethische Dimension, etwa die der fachlich ungerechtfertigten Inklusion oder Exklusion aus dem Berufsfeld, oder solche der Produktionsbedingungen von Software, die dazu beitragen können, Arbeitsund andere Nutzungsumgebungen menschengerechter zu gestalten bzw. Diskriminierungen zu verhindern. Zum Studium, seinem Zugang und seiner Bewältigung Monika Götsch erwähnte in ihrem Beitrag in diesem Heft die auffallenden Normalisierungsstrategien, die Studierende der Informatik für ihre Passung an die Studierendennorm [4] auf vielfältige Weise anwenden, bzw. wenn dies, wie beispielsweise den Frauen, nicht möglich ist, ihre Sonderstellung zu rechtfertigen, so auch im folgenden Fall: Viele Studierende haben schon vor dem Studium umfangreiche Programmierkenntnisse erworben, nur wenige sind ohne solche direkt ,,ins kalte Wasser gesprungen“. Letzteres kommt ihnen allerdings so normwidrig vor, dass es begründungsbedürftig erscheint, sich trotzdem für ein Informatikstudium zu entscheiden, d. h. Studierende ohne solche Vorkenntnisse sehen sich als Ausnahmen. Trotz sehr vielfältiger Sichtweisen der von uns befragten Studierenden fielen doch einige Gemeinsamkeiten auf: Zuerst die oben erwähnte Normalisierung, d. h. der Prozess, die vorgefundenen Verhältnisse als normal zu rationalisieren, und die eigene Anpassung daran. Diese muss als Bewältigungsstrategie verstanden werden, mit der die Studierenden kritische Situationen im Studium verarbeiten können. So stöhnen sie überall über die Stofffülle am Anfang des Studiums, beklagen die starke Trennung von theoretischen und praktischen Inhalten in der Lehre und manchmal auch die Minderheitenposition von Frauen.
Interdisciplinary Science Reviews | 2011
Britta Schinzel
Abstract In complex contexts and environments, it is necessary for scientific investi- gations, which respect the findings of gender studies, to withstand simplifi- cations of gender and sex distinctions or non-distinctions. The severe consequences that may follow when such demands are disregarded will be made clear in this article. It will be demonstrated here for medical imaging technologies that these artefacts are not at all unique, reproducible or reliable, in any sense that can be claimed as objective.
Archive | 2010
Britta Schinzel
Die breite Durchdringung mit Informationstechnik spielt eine tief greifende Rolle in der modernen Gesellschaft, da sie Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt und Kultur vielfältig überformt und verändert. Folgenreich ist auch die informationstechnische Mediatisierung für die Bereitstellung, Strukturierung und Selektion von Wissen. Weniger offensichtlich ist die subtile epistemische Verschiebung von Paradigmen und Methoden, insbesondere in den Naturund Lebenswissenschaften, die zunehmend technisch-konstruktiven Charakter annehmen. Dabei stellt die Informatik mit ihren formalen Modellen und algorithmische Methoden nicht nur ein neutrales Medium bereit, sie seligiert und formt wissenschaftliches Wissen durch ihre formal-technischen Eigenarten und ihre Denkmodelle, ihre bevorzugten Strukturbildungen, ihre Simulationen und Datenspeicherungsund Integrationsmöglichkeiten, sowie ihre Fähigkeiten zur Derivation aus diesen Datenansammlungen. Diese epistemischen Veränderungen sind auch unter Gesichtspunkten der Geschlechterforschung von Interesse, da sie Sichtweisen und Gewichte verändern, und Einseitigkeiten hervorbringen können. Der Objektivitätsanspruch der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer, in deren Kielwasser die konstruktiven technischen Fächer (unberechtigt) ebenfalls Objektivität behaupten, erlaubt ihnen, sich anders als die kulturwissenschaftlichen Fächer ahistorisch und epistemologisch hermetisch zu gerieren, d.h. epistemologische Relativierungen werden nicht in die Fächer integriert. Objektives Wissen entwickelt sich, scheinbar von Moden unabhängig, von Politik und Finanzierung höchstens in seiner zeitlichen Beschleunigung oder Verzögerung beeinflusst, in steter Erweiterung seines unveränderlichen Bestandes. So erscheint auch die Informatik als ein objektives Fach, deren Forschungsgegenstände formaltechnischer Natur sind und ihre Einflüsse auf die Lebenswissenschaften (trotz Artificial Intelligence und Artificial Life-Forschung) als neutral. Das wird insbesondere mit Bezug auf Gender und Vorstellungen von Geschlecht behauptet, da Geschlecht nicht im Focus informatischen Erkenntnisinteresses liegt. Diese Selbstzuschreibungen gilt es, zu dekonstruieren, hier am Beispiel bildgebender Verfahren in der Medizin. Daraus ergeben sich u.a. ethische Anforderungen an die Informatik: die Rechtfertigung der Fertigung, die Offenlegung und Begründung der Konstruktionen. I. Der „Pictorial Turn“ und die Rolle der Informatik In der Geschichte wurden verschiedene epistemologische Methoden zur Gewinnung wissenschaftlicher Erklärungen und ebenso verschiedene Methoden zur Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse verwendet. So die optische Betrachtung oder die Bildung von Analogien, noch ohne klare Differenzierung 1 Durch die geringe Frauenbeteiligung in technischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft von der Gestaltung der zivilisatorischen Umwälzungen der Informationsund Wissensgesellschaft wie der Lebenswissenschaften weitgehend ausgeschlossen. zwischen den Objekten der Betrachtung und ihren Darstellungen, empirische Evidenz, das Experiment, die Simulation und schließlich die Konstruktion. Andererseits dienten verschiedene Medien zur Tradierung wissenschaftlicher Einsichten, wie die orale Überlieferung, Repräsentationen wie Bilder und Skulpturen, symbolische Repräsentationen wie Zeichen, Zahlen, Text, mathematische Symbole und schließlich die materialsierte Form symbolischer Repräsentation mithilfe elektronifizierter Logik. Letztere schließt digitale Bilder und Visualisierungen durch informationstechnische Vorrichtungen mit ein, welche auf der repräsentationalen Seite die Differenz zwischen Bildern und Zeichen auslöschen. Vom Standpunkt des Betrachters hingegen ist dieser Unterschied nach wie vor bedeutsam, liefert er doch unterschiedliche Arten von Evidenz: den unmittelbaren holistischen Eindruck eines Bildes „auf einen Blick“ versus dem langsameren sequentiellen Verständnis von Text oder mathematischer Formulierung. Mit steigender Komplexität unserer verwissenschaftlichten Welt wächst die Rolle der Visiotype (Pörksen), wie Tabellen, Diagramme, Kurven und Bilder. Sie wurden wesentlich für ein rascheres Verständnis komplexer Zusammenhänge. Wegen ihrer unmittelbaren Evidenz insinuieren sie auch Objektivität: Das Bild spricht, scheinbar ohne sprachliche und interpretatorische Umwege, für sich selbst. Besonders in Naturwissenschaften, Technik und Medizin werden Visiotype häufig für wissenschaftliche Erklärungen genutzt, oft ersetzen sie sogar unkommentiert eine textuelle Darstellung. Diese epistemische Verschiebung vom Text zum Bild wird in Anlehnung an Rorty’s „linguistic turn“ von J. Mitchell (1997) „pictorial turn“ genannt. Statt Text und Sprache bilden nun Bilder Modelle und Figuren für andere Dinge. Mitchell sieht darin eine Wiederbelebung holistischer Betrachtung unter weitgehender Entbindung von semiotischen Medien. Hagner (1996) betont, dass Dinge oder Phänomene durch Zuleitung in visuelle Kategorien, denen sie bis dato entzogen waren, einen anderen epistemischen und kulturellen Status erlangen. Welchen aber, das ist ein ungelöstes Problem, da wir bis heute nicht wissen, was Bilder eigentlich sind – es gibt im Unterschied zu Text keine anerkannte Definition für Bilder, noch lässt sich allgemeiner fassen, in welcher Beziehung sie zu Sprache stehen, noch wie Bilder ihre BeobachterInnen beeinflussen. Der oben erwähnte Eindruck der Unmittelbarkeit jedoch knüpft an visuelle Traditionen und individuelle Erfahrungen an, die nicht notwendig von allen geteilt werden. Das Verständnis von Ultraschallbildern ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Interpretation solcher Bilder gelernt werden muss. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, so heißt es, „jedoch nur wenn man die tausend Worte auch kennt“, so die Bildtheoretikerin B. Grammelsbacher (1999). Beispiele historischer Unklarheiten und interkultureller Missverständnisse bei Bildinterpretationen sind entsprechend Legion. Mit vergrößerter Speicherfähigkeit, Bandbreite und Geschwindigkeit von Computern sind in zunehmendem Maße speicheraufwändige digitale Bilder, Filme und Animationen effektiv darstellbar und in Netzen verfügbar geworden, dies insbesondere auch für den Bereich der Medizinund Naturwissenschaften. Diese technischen Bilder, die aus einer Einheit aus Schrift, Bild und Zahl bestehen (Coy 2002) werden jedoch, trotz Wissens um ihre Manipulierbarkeit, oft als Abbilder ähnlich Fotografien missverstanden. Informatische Bildverarbeitung bzw. Bildgenerierung aber ist ein konstruktiver Vorgang, der sich komplexer 2 Visiotypes and images even can serve for getting deeper insight into scientific material, like in mathematics, for getting examples, new hypotheses and deduced insights. Kombinationen grafischer Algorithmen und Visualisierungsmethoden bedient. Letztere knüpfen absichtsvoll an die menschliche Kognition und unsere kulturellen Seherfahrungen an, um visuelle Evidenz zu erzeugen. Dabei bevorzugen bildliche wissenschaftliche Darstellungen jeweils bestimmte wissenschaftliche Aspekte und Theorien, die durch Bilder darstellbar sind, andere können u.U. jedoch nur schlecht ins Bild gesetzt werden. Besonders problematisch werden die Verbildlichungen, wenn – durch zeitliche Momentaufnahmen oder individuelle Besonderheiten bedingt kontingente Ergebnisse der Bildgebung als objektiv und unverrückbar erscheinen und so als Normen missverstanden werden können. Mit den bildgebenden Verfahren der Medizin findet der „pictorial turn“ in den Wissenschaften seine avanciertesten Ausformungen. Tatsächlich haben die eindrucksvollen Bilder der Naturwissenschaften und der Medizin hohe (wissenschafts-)politische Bedeutung erlangt und sicher große Bedeutung für den Sieg der Naturwissenschaften über die Text verhafteten Geisteswissenschaften (L. Jäger). II. Bilder aus dem Inneren des Körpers und ihre Symbiose mit dem technologischen Zugriff auf das Leben Bilder und Symbole dienten seit den Anfängen der menschlichen Kultur als Medien zur Weiterleitung von Informationen und Konzepten. Der Prozess der „Verbilderung“ und der „Verwissenschaftlichung“ der Medizin begann im 16. Jahrhundert mit der Aufklärung. Zu dieser Zeit wurde der zuvor als Ebenbild Gottes unverletzbare menschliche Körper für die entstehende Anatomie zugänglich und es entstand ein Sichtbarkeitsparadigma, das bis heute gültig ist (Schuller et al. 1998). Diese Tendenz zur visuellen Darstellung, etwa in der Medizin demonstriert mit dem ersten anatomischen Atlas von Vesalius (1964), leitet den epistemologischen Wandel innerhalb der Wissenschaften von einer textbasierten zu einer visuellen Kultur ein. Die Medizin gründet seitdem ihre Erkenntnisse und Argumente zunehmend auf Visualisierungen. Zunächst waren Körperbilder, abgesehen von der äußersten Schicht, der Haut, Haare und der Augen, nur aufgrund von Sektionen und Präparaten des toten Körpers möglich. Benthien (1999) und Duden (1991) haben herausgearbeitet, dass diese Öffnung des Leibes erst durch einen vorgängigen epistemologischen Wandel eines individuellen, abgeschlossenen, durch die Haut begrenzten Körpers möglich war. Zuvor imaginierten sich die Menschen weniger als abgegrenzte Einheiten, als Individuen, denn als verbunden mit anderen Menschen, der Natur und den Wesen darin. Und sie sahen die Haut als ein dreidimensionales lebendiges Organ an, das über seine vielfältigen Funktionen mit der Umgebung und anderen Menschen kommuniziert, und nicht als eines, das die Körpergrenzen markiert. Nachdem die Körperanatomie im 19. Jahrhundert weitgehend modelliert und abgebildet war, konzentrierte sich die Medizin zunehmend auf den pathologischen Körper. Erst diese epistemische Wende erlaubte die Vorstellung von einer fixen Norm und produzierte den „normalen ” Körper als Gegenpart. Mit der Röntgenfotografie ändert sich schlagartig die Beschränkung der bildlichen Zugänglichkeit des Lebendigen auf den mit Haut umschlossenen individuellen Körper und
Archive | 2005
Britta Schinzel
Einleitung Informatik und die Computerkultur einschließlich der Open Source Community bilden eine weitgehend männliche Lebenswelt, die sich immer noch nahezu unter Ausschluss der Frauen konstituiert. Dies bringt einseitige Prägungen des Fachs und der informationstechnischen Artefakte mit sich, die aber gerade durch die Verschlossenheit in der Technik als black box meist unsichtbar bleiben. Doch sind die Wirkungen der anschließend vergesellschafteten Informationstechnik groß: neue Regelungen bilden sich hier heraus, bereits bestehende Ordnungen werden neu strukturiert (e-Governance), auch zum Voroder Nachteil der einen oder anderen gesellschaftlichen Gruppe. Vergeschlechtlichungen können sich, vermittelt über die definierenden und entwickelnden Subjekte, in Strukturen der Profession und der Wissenschaft, durch symbolische Zuordnungen und durch Software, hier wieder auf symbolischer und struktureller Ebene, und durch den informell entstehenden „Code“ (Lessig 2001) als eGovernance in der Gesellschaft herausbilden. Als selbstverständlich angenommene Strukturen und symbolische Zuordnungen in der Informatik und ihren Institutionen, wie Entwicklung (militärische Verwicklung) und Selbstdefinitionen der Disziplin (als Ingenieursdisziplin, die auf Männlichkeit anspielt), Arbeitsstrukturen in DV-Berufen, oder die Repräsentationen im Internet verschleiern ihre „Genderlast“ (Crutzen 2000). Die Sichtweisen der Herstellenden von Software finden in deren Produkte Eingang, ohne dass diese für die Nutzenden offensichtlich werden. Es ist gerade eine Eigenschaft von Technik, dass in ihr sozial wirksame Entscheidungen sowohl verfestigt als auch gleichzeitig unsichtbar werden. Mit überwiegend männlichen Entwicklern werden deren Weltsichten in Software eingebacken und dort versteckt. Umgekehrt finden auch Realitätsoder Handlungsausschnitte, die üblicherweise unsichtbar sind, und daher in der rationalen Rekonstruktion nicht expliziert werden, keinen Eingang in Spezifikation und damit nicht in die Softwareendprodukte, was u. U. katastrophale Folgen für deren Funktionsfähigkeit haben kann oder als inadäquate e-Governance weiter wirkt. Das gilt gerade und in besonderem Maße für Software, die menschliche Arbeit unterstützt. Frauenarbeit ist typischerweise unsichtbar, nicht nur die unbezahlte Hausarbeit, sondern auch die bezahlte Sekretariatsarbeit, innerhalb derer beispielsweise die, ebenso wie die in allen Professionen und tagtäglichen Arbeiten verborgenen, so genannten soft skills, welche in Arbeitsbeschreibungen immer noch kaum expliziert, und folglich nicht nur nicht honoriert werden, sondern auch bei der Aufgabenanalyse für die Spezifikation nicht auffallen.