Clemens Albrecht
University of Koblenz and Landau
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Publication
Featured researches published by Clemens Albrecht.
American Sociological Review | 1964
Friedrich H. Tenbruck; Clemens Albrecht; Wilfried Dreyer; Harald Homann
„Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“ — das ist der Satz, mit dem die modernen Diktatoren und Mochtegern-Diktatoren naiv einen Zynismus bekunden, fur den die menschlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten zu Fragen des Machtkampfes und der Schulung eingefroren sind. Ein erschreckender Satz also, und doch eine bittere Wahrheit, der man nicht ausweichen kann! Denn so sicher wie nach dreisig Jahren eine neue Generation bestimmt, was eine Gesellschaft in ihrem organisierten und nichtorganisierten Dasein ist, so sicher hat die Zukunft, wer die Jugend hat. Wohl dem Volk, in dem sich nicht die Verblendung regt, das die Jugend ein Objekt fur den mit irgendwelchen Zielen gerechtfertigten Zugriff des Habens sein konne. Aber auch dieses Volk wird in einer Generation durch seine Jugend reprasentiert sein. Der Jugend fallt die Zukunft immer und automatisch zu. Insofern ist das eine Trivialitat. Doch in ihr steckt eine Tatsache, deren Einfachheit nur von ihrer Bedeutung ubertroffen werden kann: das die Zukunft irgendeiner menschlichen Fahigkeit, des kulturellen Besitzes und der inneren Daseinsmoglichkeiten, das uberhaupt die Zukunft eines Volkes wie der Volker immer nur das sein kann, was eine Jugend in diese Zukunft hineinzutragen vermag. Menschliches Dasein ist das in der Kette der Generationen fortgereichte Erbe, von dem verloren ist, was nur ein Glied der Kette nicht weiterreicht. Insofern verkurzt oder erweitert jede Generation den Umkreis des Daseins nicht nur fur sich selbst, sondern auch fur diejenigen, die nach ihr folgen. Das ist der unsichere Grund, auf dem alles Dasein eh und je gestanden hat und stehen wird, hart am Abgrund des Kulturverlustes, dessen Eintritt nicht einmal bemerkt zu werden pflegt, weil sich mit dem Schwund der Daseinsmoglichkeiten auch das Unterscheidungsvermogen verliert. Die Jugend ist der Filter, durch den die Kultur einer Gesellschaft standig passieren mus, und sie ist deshalb auch eine geschichtliche Drehscheibe, auf der die Zukunft einer Gesellschaft neu eingestellt wird.
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie | 1996
Friedrich H. Tenbruck; Clemens Albrecht; Wilfried Dreyer; Harald Homann
1972 veroffentlichte ich im Sonderheft 16 dieser Zeitschrift, das dem Thema „Soziologie und Sozialgeschichte“ gewidmet war, meinen Beitrag „Die Soziologie vor der Geschichte“. Damit ging es mir wie mit manchen anderen Arbeiten. Ich wollte ein grundsatzliches Problem anmahnen, das vom Fach seit jeher verdrangt worden war, namlich die Geschichte oder besser: ihren standigen Einschlag in die gesellschaftliche Wirklichkeit, die einzig in Gestalt einmalig-besonderer Lagen und Vorgange konkret existiert. Darauf hinzuweisen schien mir damals hochst notig, weil sich das Fach in seinen sturmischen Entwicklungen und Parteiungen uber alle Fronten hinweg immer entschiedener zu der Auffassung bekannte, die gesellschaftliche Wirklichkeit sei aus generellen Regelmasigkeiten zu ermitteln, worauf ja auch die neue Begeisterung fur die Sozialgeschichte schlieslich hinauslief.
Saeculum | 1963
Friedrich H. Tenbruck; Clemens Albrecht; Wilfried Dreyer; Harald Homann
Die Soziologie hat sich im vergangenen Jahrzehnt in Deutschland etabliert — oder auch reetabliert, und dieser Vorgang hat, zumindest fur die Offentlichkeit, im Zeichen der sogenannten empirischen Untersuchungen gestanden. Nun ist es keine Frage, das unsere Gegenwart solcher konkreter Studien an allen Ecken und Enden bedarf, und es ist auch keine Frage, das die saubere Beherrschung nicht etwa nur der Techniken und Methoden, sondern gerade auch der erforderlichen theoretischen Kenntnisse, ohne welche solche Studien ein Trummerhaufen von Daten und ein Monument der Neugier bleiben mussen, heute zur Ausrustung des Soziologen vom Fach gehort. Aber es ist auch wahr, das mit solchen Arbeiten das Feld soziologischer Aufgaben noch nicht abgeschritten, geschweige denn gepflugt und gesat ist. Wie zahlreich und wie gut diese Praparierungen am lebenden Korper unserer Gesellschaft auch sein mogen, so antworten sie uns am Ende noch nicht auf die Frage, was nicht dieser oder jener Teil unserer Gesellschaft, sondern was unsere Gesellschaft sei. Und dieses Anliegen ist nicht Ausflus einer musigen Spekulation, dem keine Realitat entspricht, wie das die Soziologie selbst wohl eine Weile geglaubt hat. Immer starker hat sich in der Forschungslogik wie in der Praxis die Einsicht verbreitet, das selbst das Einzelne und Konkrete nur in dem Mase erkennbar wird, wie die allgemeinen, aber nicht weniger wirklichen und wirksamen Grundzuge der Gesellschaft erkannt sind. Grundzuge sind nicht identisch mit den verbreiteten Phanomenen, die sich der Intuition unmittelbar und der Sozialforschung mittelbar darbieten. Grundzuge sind diejenigen, mit dem Instrument der soziologischen Analyse freizulegenden Grundstrukturen, aus denen die beobachtbaren Phanomene allererst abzuleiten und zu verstehen, ja uberhaupt nach ihrer Bedeutung und Realitat erst abzuschatzen sind. Bei allem Sinn und Hang also fur die Beschreibung gesellschaftlicher Phanomene und die Entratselung konkreter Details — sowie (und das ist etwas anderes) bei allem Verstandnis dafur, das unsere Gesellschaft praktisch auf empirische Untersuchungen angewiesen ist, bleibt der Soziologe auch, ja vordringlich, der Frage nach den Grundzugen verpflichtet.
Archive | 2001
Clemens Albrecht
Wer sich als Student im Wintersemester 1952 an der Frankfurter Universitat immatrikulierte, kam an eine junge, moderne Universitat. Sie war nicht von einem Fursten, sondern von der Burgerschaft der Stadt gestiftet worden und offnete kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges ihre Pforten. Auch in ihrer organisatorischen Struktur ging diese Universitat neue Wege, indem auf die Grundung einer theologischen Fakultat verzichtet, eine Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultat aber eingerichtet wurde (vgl. Kluke 1972; vom Bruch 1992, S. 163175; Coing 1992).
Archive | 1996
Friedrich H. Tenbruck; Clemens Albrecht; Wilfried Dreyer; Harald Homann
Die Massenmedien haben sich im Gleichschritt mit den ubrigen charakteristischen Institutionen des modernen Lebens entwickelt und sind mit diesen durchgangig verflochten. Trotz eigener Einrichtungen bilden sie jedoch weniger einen besonderen Sektor der Gesellschaft als vielmehr ihr allgegenwartiges Medium fur die offentliche Mitteilung und Darstellung beliebiger Inhalte, weil sie jederzeit alle uber alles zu unterrichten vermogen. Ihre Macht und Bedeutung beruhen darauf, das sie wie eine vierte Gewalt alle Zustande und Vorgange, reale und imaginare, offentlich vermitteln und dadurch auch bedingen. Indem sie das tun, erzeugen sie durch Publizitat eine neue offentliche Wirklichkeit. Deshalb sind mit ihnen so neue Tatigkeitsfelder wie Propaganda, Werbung und Offentlichkeitsarbeit entstanden, die alsbald institutionalisiert und professionalisiert wurden. In dieser Weise sind Massenmedien der Hauptmotor der modernen Bedurfnisweckung und speziell auch der Informationsbedurfnisse gewesen, die zum grosten Teil erst durch die Massenmedien erzeugt und dann befriedigt werden, weshalb sie mit ihnen unaufhorlich wachsen.
Archive | 1996
Friedrich H. Tenbruck; Clemens Albrecht; Wilfried Dreyer; Harald Homann
Wer versucht, die Sophistik soziologisch zu durchleuchten, sieht sich schnell ausergewohnlichen Schwierigkeiten gegenuber, die zumindest vorweg nicht geklart werden konnen, aber doch erwahnt werden mussen. Mislich ist es schon, das die Lehren der Sophisten sparlich, dazu dunkel und uneinheitlich sind, die berufene Auslegung somit in wichtigen Punkten schwankend und kontrovers bleibt, so das sich der Soziologe oft nach bestem Urteil seine Meinung bilden mus, die er, jedenfalls auf begrenztem Raum, nicht belegen kann, und vielleicht auch nicht belegen soll, weil ein Wettstreit mit den Philosophen und Philologen pratentios wirken wurde.
Archive | 1996
Friedrich H. Tenbruck; Clemens Albrecht; Wilfried Dreyer; Harald Homann
In der heutigen Welt ist die Universitat eine der altesten Institutionen, die ihren Ursprung stolz auf jene Hohen Schulen zuruckfuhrt, die im Mittelalter, zuerst in Italien und Frankreich, entstanden1. Ihr Alter wird nur von ihren Erfolgen in den Schatten gestellt, die sich schon auserlich an der Geschichte ihrer Verbreitung ablesen lassen. Als sich anstelle der Fachschule, fur die Salerno mit der Medizin, Bologna mit dem Recht, Paris und Oxford mit Theologie und Philosophie gestanden hatten, das Studium Generale, namlich die Prasenz aller Fakultaten an einem Ort und in einer Institution, durchsetzte, da verbreitete sich dieses Konzept der universalen Versammlung des hoheren Wissens in einer Institution schnell uber Europa, wanderte mit dessen Kultur auf andere Kontinente und setzte sich schlieslich weltweit durch. Hinter diesem Erfolg stand die Uberlegenheit der Sache, welche die Universitat vertrat. Ihre Verbreitung kundet vom Siegeszug der Wissenschaft, welche sich wie keine andere Macht die Erde unterworfen und das menschliche Dasein von Grund auf umgeformt hat. Wenn sich die Universitat als die erfolgreichste Institution betrachten darf, so verdankt sie das der Uberzeugungskraft der Wissenschaft, auf die heute keine Gesellschaft mehr verzichten kann.
Archive | 2008
Clemens Albrecht
Die Theorie posttraditionaler Vergemeinschaftung (vgl. dazu Hitzler 1998) definiert ihr Verhaltnis zu traditionalen Vergemeinschaftungsformen traditional, d. h. modernisierungstheoretisch. Der folgende Beitrag mochte zeigen, das es hier gelungenere Theoriedesigns gibt; denn Gemeinschaften sind nicht traditional, weil sie sich schon seit langerem nachweisen lassen, sondern weil sie eine spezifische Funktion erfullen, die sich im klassischen Schema der Evolutionstheorie mit dem Stadium der Stabilisierung von Variationen erklaren lasst. Diese Behaup- tung soll durch drei Thesen begrundet werden: 1. Gemeinschaft, das wissen wir seit Tonnies, ist organisch, Gesellschaft mechanisch. Wenn wir als freundliche postnazistische Interpreten geneigt sind, diese Kennzeichnung metaphorisch zu interpretieren, so ist sie doch nicht so gemeint: „Die Theorie der Gemeinschaft geht ... von der vollkommenen Einheit menschlicher Willen als einem urspronglichen oder natorlichen Zustande aus, welcher trotz der empirischen Trennung und durch dieselbe hindurch, sich erhalte, je nach der notwendigen und gegebenen Beschaffenheit der Verhaltnisse zwischen verschieden bedingten Individuen mannigfach gestaltet. Die allgemeine Wurzel dieser Verhaltnisse ist der Zusammenhang des vegetativen Lebens durch die Geburt;“ (Tonnies 1991: 7). Es ist biologische Ausgangslage jeder Sozialitat, dass der Mensch in seiner Korperlichkeit aus einem anderen Menschen hervorgeht und somit einer genetisch natorlichen (d. h.: nur akzidentell oder experimentell, nicht aber sozial oder gar statistisch relevant aussetzbaren) Fixierung an konkrete Personen in ihrer Korperlichkeit unterliegt.
Archive | 1996
Friedrich H. Tenbruck; Clemens Albrecht; Wilfried Dreyer; Harald Homann
Mit neuem Eifer und Erfolg haben sich die Philosophen und Philologen jungst der Sophistik angenommen. So erfreulich das ist, so dringend mus doch nachgerade gefragt werden, ob man uber den Sophisten nicht die Sophistik aus den Augen verloren hat.
Archive | 1996
Friedrich H. Tenbruck; Clemens Albrecht; Wilfried Dreyer; Harald Homann
Der (unveranderte) Text soll an den bedeutenden Einflus erinnern, den die Musik auf Gesellschaft, Kultur und Geschichte auszuuben vermag. Er fuhrt deshalb einen Kreis von Tatsachen und Problemen vor, die der heutigen Musiksoziologie fremd geworden sind.