Erhard Schütz
Weihenstephan-Triesdorf University of Applied Sciences
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Publication
Featured researches published by Erhard Schütz.
The German Quarterly | 1977
Erhard Schütz; Jochen Vogt
darin: Wolfgang Borchert und Gunter Eich, Heinrich Boll, Arbeiterliteratur in der Bundesrepublik.
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
„Von 1945 bis 1961“, schreibt Martin H. Ludwig, „kann von einer Arbeiterliteratur in der Bundesrepublik nicht gesprochen werden.“1 Das klingt apodiktisch, last sich aber historisch plausibel machen. Das Problem verlorener Tradition, konstitutiv fur die Nachkriegsliteratur insgesamt, potenziert sich im Sektor der proletarischen Literatur. Ihre inhaltlichen und formalen Traditionen, auch ihre Organisationszusammenhange, wie sie in Kaiserreich und Weimarer Republik, meist in Anbindung an politische Organisationen der Arbeiterbewegung, existiert hatten, waren durch den Faschismus zerschlagen und dann vergessen worden. Selbst wenn man sich erinnert hatte: als Orientierungspunkte fur eine ‚neue‘ Literatur waren gerade solche Erinnerungen wenig attraktiv bzw. durchaus unerwunscht. Ein Literaturkonzept, das prinzipiell auf dem Nachweis von gesellschaftlichen Konflikten, auf der Verwendung realistischer Darstellungsformen und auf dem Anspruch politisch-sozialer Wirksamkeit beruhte, war fehl am Platze. Die okonomische Restauration beherrschte alle Bereiche offentlichen und auch privaten Lebens. In ihrer Folge — und andererseits wieder der sozialpsychologischen Absicherung des ‚Wirtschaftswunders‘ dienend — pragten Parolen wie die von der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ (Helmut Schelsky), der „formierten Gesellschaft“ (Ludwig Erhard) den ‚Geist der Zeit‘. Die neue Ideologie des „identitatsstiftenden Besitzes“2 lies nicht nur den unerledigten Faschismus schnell vergessen, sondern auch uber fortdauernde gesellschaftliche Widerspruche hinwegsehen. Die Verfolgung der KPD durch die Adenauer-Administration, die ‚Wandlung‘ der SPD zur integrativen Volkspartei, die zunehmende Entpolitisierung der Gewerkschaften nahmen einer (moglichen) Arbeiterliteratur uberdies die traditionellen politischen Organisationskerne.
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
„Lyrik“, so erinnert sich Hans Werner Richter an die Jahre 1946/47, sei damals im Westen geschrieben worden, „Lyrik und Fetzen von Prosa, Kurzgeschichten“1. Die Dominanz dieser Formen, zu denen nach einiger Zeit noch das Horspiel kam, war einerseits, wie schon erwahnt, in der Mangelsituation des damaligen Literaturbetriebs begrundet, aber andererseits kamen eben diese Formen auch dem situationsbedingten dichterischen Impuls und den Fahigkeiten der jungen Autoren entgegen. Dies soll demonstriert werden an zwei Autoren, von denen der eine beispielhaft stehen kann fur die Lyrik, der andere fur die Prosa des ‚Nullpunkts‘, — und die beide wichtig sind fur die Entwicklung des Horspiels.
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
„Ein Bestsellerautor mit dem grosten Umsatz unter den lebenden deutschschreibenden Schriftstellern, der, jetzt 52jahrig, moglicherweise noch viel Zukunft hat (...), ein solcher Autor bedeutet eine literarische und publizistische, damit eine gesellschaftliche Macht.“1 Dieser Einschatzung eines Literaturwissenschaftlers ist kaum zu widersprechen, wenn man bedenkt, das Simmels Romane seit 1960 in schoner Regelmasigkeit Bestseller geworden sind, das ihre Gesamtauflage (einundzwanzig Millionen in achtzehn Sprachen) deutlich uber der von Heinrich Bolls Werken liegt. Ausfuhrlicher als vergleichbare Autoren hat Johannes Mario Simmel (geb. 1924) sich uber seine literarischen Intentionen geausert; es bietet sich an, von daher einen Zugang zu suchen, der nicht von vornherein vorurteilsbeladen ist.
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
„(M)ir ist das alles zu allhaft, positiv, gefuhlvoll, pantheistisch, sanft — lyrisch im alten Sinne. Die Welt ist ja gar nicht mehr vorhanden in ihrer Universalitat u. Naturbrimborium —, ewig diese Garten u. Sonnen u. Susigkeiten u. Vogel u. Strome u. Liebesstimmen (...) das alles kommt mir infantil vor. Das ‚Reine‘ und das ‚Einfache‘ — wo gibt es denn das? Es gibt nur Boses und Zerrissenes heute fur uns, soweit wir anstandige Menschen sind. “1 Dies schrieb 1950 Gottfried Benn im Blick auf zeitgenossische Lyrik des Auslands, aber gewis mit Seitenblick auch auf die einheimische naturlyrische Betulichkeit.
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
Mit dieser Behauptung, formuliert zu Beginn seines Buches uber die Literatur der DDR, hat Fritz J. Raddatz 1972 heftige Reaktionen hervorgerufen. Sie reichen von der Gegenbehauptung, allein die je einzelnen Werke zahlten, bis zu der — inzwischen makaber gewordenen — Pointe Wolfgang Harichs, es gebe nur eine einzige deutsche Literatur, die der DDR.1
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
In den siebziger Jahren — darin scheint, wahrend sie zu Ende gehen, die Kritik sich einig — ist die westdeutsche Literatur, der man kurz zuvor noch das „Sterbeglocklein“ gelautet hatte1, kraftig wiedergenesen. Und Konsens besteht auch darin, das die neubelebte Literatur durch und durch gekennzeichnet sei von der (Ruck-)Wendung zu den vor kurzem noch verponten ‚privaten‘ Themen, zum problematischen Individuum bzw. den nicht unproblematischeren Zweierbeziehungen, kurz und gut: zur Subjektivitat. Den Autoren scheint es wieder erlaubt — und erfolgversprechend —, in erster Linie uber sich zu schreiben; den Lesern scheint es ein Bedurfnis, sich selbst im Gelesenen wiederzufinden. Das damit eine Wiederaufwertung autobiographischer Schreibweisen verbunden ist, kann nicht verwundern. In wenigen Jahren ist so eine erstaunlich vielfaltige Literatur der individuellen Phantasien, Sehnsuchte und Zwange, der Beziehungsprobleme und Angstzustande entstanden: legitime Gegenstande der Literatur, insofern es Momente jeder individuellen Existenz sind. Problematisch wird dieser literarische Trend aber dort, wo er die wiederentdeckte Subjektivitat verabsolutiert, das heist im wortlichen Sinn: loslost von der Reflexion auf lebensgeschichtliche und gesellschaftliche Bedingungen, unter denen sie entstanden ist und denen sie ihre spezifische Form wie ihre ideologischen und affektiven Inhalte verdankt. Das Insistieren auf Subjektivitat schlagt dann um in Damonisierung oder Verherrlichung des Unbegriffenen. Insofern scheint eine „Kritik der Privatheiti“2 in der Gegenwartsliteratur durchaus geboten. Hier soll solche Kritik, die im Blick auf Peter Handke schon angedeutet wurde, ‚konstruktiv‘ weitergefuhrt werden: im Hinweis auf schriftstellerische Versuche, eben dem Zusammenhang von subjektiver Erfahrung und gesellschaftlichen Bedingungen, von Lebens- und Zeitgeschichte nachzugehen. In der Tat gibt es, wenn man genauer hinsieht, auch eine Tradition solcher Versuche in den siebziger Jahren, vor allem im Bereich der erzahlenden Prosa.
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
Im November 1958 veranstalteten das SED-Zentralkomitee und die Staatliche Plankommission der DDR in Leuna eine Konferenz, auf der nach dem Motto „Chemie bringt Brot, Wohlstand und Schonheit“ ein Siebenjahresplan fur die chemische Industrie verkundet wurde. Alle okonomischen Krafte sollten darauf konzentriert werden. Zu dieser Zeit war es ublich, auch kulturpolitische Initiativen eng an solche zentral gestellten Wirtschaftsaufgaben anzugliedern. Deshalb rief der Mitteldeutsche Verlag Halle gemeinsam mit acht volkseigenen Betrieben der chemischen Grosindustrie, dem Zentralvorstand der Gewerkschaft Chemie, der Redaktion der Hallenser SED-Bezirkszeitung Freiheit und dem volkseigenen Musikverlag Friedrich Hofmeister in Leipzig zu einem Literaturpreisausschreiben auf, welches das Chemieprogramm unterstutzen sollte.
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
Ein Dokument ist ein schrift- oder bildformiges Zeugnis, das tatsachliches Geschehen festhalt oder bestatigt, das also Beweiskraft hat, Authentizitat oder ,Wahrheit‘ verburgt. Die Literatur (wie auch andere asthetische Medien) verwendet solche Dokumente zunehmend in einer Situation, in der die vorliegende Literatur und ihre Darstellungsmittel mehr und mehr als unauthentisch, ihr Kunstcharakter als ,Kunstlichkeit‘ empfunden wird. Die Kunst soll neue Aussagekraft, einen neuen Wahrheitsgehalt und nicht zuletzt gesteigerte Wirkung eben dadurch gewinnen, das sie ihre ebenso verfeinerten wie verschlissenen Kunstmittel ersetzt oder zumindest erganzt durch ,nichtkunstlerische‘, dokumentarische Mittel und Materialien. Dokumente werden ins Kunstwerk integriert.
Archive | 1980
Erhard Schütz; Jochen Vogt
Die Prosa von Max Frisch (geb. 1911) wurde vor allem in den spaten funfziger und in den sechziger Jahren als wichtig und ‚modern‘ empfunden und fand entsprechend breite Beachtung. Besondere Bedeutung erlangte dabei das Tagebuch 1946–1949 (erschienen 1950), das nicht nur aufgrund seines literarischen Ranges und seines zeitgeschichtlichen Wertes eine Schlusselstellung in Frischs schriftstellerischer Tatigkeit einnimmt. Es enthalt bereits Themen und Motive, die die erzahlerischen und dramatischen Werke bestimmen, zum Teil sind selbst deren Fabeln hier schon skizziert. Daruber hinaus wird die Tagebuchform zu einem weithin konstitutiven Strukturmerkmal der meisten Romane. Orientiert an erzahlerischen Techniken, die seit Andre Gide und anderen als Ausweis epischer Modernitat gelten, variieren Frischs Romane (Stiller, 1954; Homo faber. Ein Bericht, 1957; Mein Name sei Gantenbein, 1964) eine spezifische Thematik, die ihnen Aufmerksamkeit und Wertschatzung sicherte: die Identitatsprobleme von Intellektuellen. Besonders aktuell wirkte damals wohl, das Frisch — mitbedingt durch seine ursprungliche Berufstatigkeit als Architekt — sich dabei nicht auf die literarische Intelligenz beschrankte, sondern deren Problematik am Beispiel der technischen Intelligenz — homo faber! — in weiterer Radikalisierung ‚fortschrieb‘. Wahrend nach Frischs eigener beilaufiger Unterscheidung „die Romane sich um Individuelles kummern“, haben „die Stucke sich mehr mit den offentlichen Angelegenheiten befast“.1 Dies mag der Grund dafur sein, das Frischs dramatisches Werk von groserem Einflus auf die zeitgenossische Diskussion, und zwar nicht nur die literarische, gewesen ist. Es erscheint deshalb als legitim, die Theaterstucke als charakteristischen Kern des Gesamtwerks zu begreifen, zumal sich auch Frischs theoretische und poetologische Uberlegungen primar auf das Drama und das Theater beziehen.