Matthias Warstat
Free University of Berlin
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Publication
Featured researches published by Matthias Warstat.
Archive | 2010
Matthias Warstat
Schon vor seinem Amtsantritt als 44. Prasident der Vereinigten Staaten am 20. Januar 2009 war Barack Obama zu einer Ikone zeitgenossischer politischer Korperlichkeit avanciert. Kommentatoren in aller Welt schwarmten nicht nur von seinen viel versprechenden politischen Ideen und der Chance auf einen grundlegenden Neuanfang in Washington, sondern auch von Obamas unkonventioneller Art, sein Reformprogramm in der Offentlichkeit zu verkorpern. Seither hat sich der Eindruck verfestigt, dass in Obamas Selbstdarstellung Politik und Korper auf besondere Weise zusammenwirken. Weit mehr als sein Vorganger George W. Bush, aber auch anders als der physisch ebenfalls stark prasente Bill Clinton versteht es Obama, seinen Korper in der politischen Kommunikation zur Geltung zu bringen. Er scheint, so konnte man zuspitzen, ein zeitgemases Konzept des korperlichen Erscheinens in der Politik gefunden zu haben. Wie lasst sich dieses Konzept ausbuchstabieren? Wofur steht Obamas Korper in den verzweigten offentlichen Diskursen um Macht, prasidentielle Fuhrung und demokratische Legitimation? Welche Perspektiven fur zukunftige Formen politischer Offentlichkeit liegen in der Weise, wie Obamas Korper weltweit in den Medien zum Erscheinen kommt? Diese Fragen sollen im Folgenden aus theaterwissenschaftlicher Perspektive erortert werden – ohne damit konkrete Ratschlage fur eine gelungene Darstellung von Fuhrungskompetenz zu verbinden. In dieser Hinsicht ist Zuruckhaltung geboten, weil der Fall Obama nicht zuletzt zeigt, wie schwer sich erfolgreiche individuelle Selbstdarstellungsstrategien ubertragen, geschweige denn kopieren lassen. Die wenigen Versuche deutscher Politiker, sich einzelne Obama-Gesten oder -Slogans anzueignen, sind klaglich gescheitert. Strategien der Selbstdarstellung konnen schon deshalb nicht einfach von anderen adaptiert werden, weil sie an Physiognomien konkreter Korper gebunden sind, die sich nicht unbegrenzt transformieren lassen. Diese korperliche Komponente politischer Performance soll im Folgenden am Beispiel Obamas genauer untersucht werden.
Archive | 2009
Matthias Warstat
Spielen und Heilen sind als kulturelle Praktiken haufig aufeinander bezogen. Im Spiel kann sich der Mensch entspannen, entfalten, neu erfinden, und im Spiel lassen sich neue, andere Rollen erproben, die einen Ausweg aus Sackgassen und Blockaden der Lebenswelt eroffnen. Die Entlastung von Zwangen und die Uberschaubarkeit der Regeln, die fur Spiele kennzeichnend sind, verhelfen den Akteuren zu einer Sicherheit, aus der heilsame Wirkungen erwachsen konnen. Entsprechend haufig setzen Heilungsstrategien auf spielerische Elemente: Spielend soll der Patient Korperfunktionen zuruckgewinnen, neuen Lebensmut schopfen und Handlungskraft regenerieren. Das Spiel, das Linderung oder gar Heilung verspricht, kann den Charakter einer theatralen Aktion annehmen, die auf Performanz, Darstellung oder Mimesis rekurriert. In solchen Fallen erscheint es berechtigt, von einer Theatralisierung des Therapeutischen zu sprechen. Die Verflechtung von Spiel und Therapie hat eine lange Tradition, so dass der Begriff ‚Theatralisierung‘ hier nicht als Verweis auf eine Entwicklung der jungsten Zeit missverstanden werden darf. Tatsachlich durchziehen theatrale Strukturen von jeher alle Einrichtungen und Praktiken des Therapeutischen. So ist etwa die Beziehung zwischen Arzt und Patient bzw. zwischen Therapeut und Klient auf beiden Seiten von Selbstinszenierungen gepragt. Der Arzt versucht, fur den Patienten Kompetenz und Zuversicht zu verkorpern. Umgekehrt ist der Patient bemuht, dem Therapeuten seine Symptome gestisch-korperlich anschaulich zu machen. Dies ist die basale Theatralitat des therapeutischen Feldes: In therapeutisch gepragten Beziehungen kommt es darauf an, sowohl Symptome als auch die richtige Antwort auf diese Symptome moglichst genau zu verkorpern. Je besser die Verkorperung auf beiden Seiten gelingt, desto groser die Heilungschance.
Paragrana | 2017
Matthias Warstat
Abstract Das Verhältnis von Theater und Alltag ist heute im Wandel begriffen. Als Ereigniskunst ist das Theater mit seinen Praktiken des Hervorhebens und Zeigens traditionell um Außeralltäglichkeit bemüht: Es will seinem Publikum etwas Besonderes bieten, das aus den Routinen des Alltags herausragt. Von daher besteht eine Art natürlicher Distanz zwischen Theater und Alltag, die aber überbrückt werden kann und historisch von vielen (etwa sozialrealistischen oder dokumentarischen) Theaterformen auch schon in Frage gestellt oder überwunden wurde. In jüngster Zeit, so die These dieses Beitrags, ist in verschiedenen Regionen und Bereichen von Theater eine neue, entschiedene Hinwendung zum Alltag feststellbar. Diverse Theaterformen sind nicht nur selbst auf Alltagstauglichkeit ausgerichtet, sondern sollen in den Alltag breiter Bevölkerungsschichten aktiv intervenieren. Dies gilt insbesondere für jene vielfältigen Formen, die unter den Sammelbegriff ‚Applied Theatre‘ gefasst werden. Applied Theatre verändert die globale Theaterlandschaft im großen Stil und mit ambivalenten Folgen, die gerade in der Relation von Theater und Alltag besonders auffallen. Wenn Theater in die Routinen des Alltags eingreift, stellen sich ethische, politische und ästhetische Fragen, die in diesem Beitrag erörtert werden.
Paragrana | 2016
Matthias Warstat
Abstract In dem Beitrag werden ausgewählte Formen therapeutischen Theaters aus dem 20. Jahrhundert auf ein in ihnen wirksames Körperwissen befragt. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Katharsis-Begriff zu: Im modernen therapeutischen Theater, so die These, begegnet die Idee der Katharsis, d. h. der Reinigung und Entladung von Affekten, in einer speziellen Variante, die man als ‚Handlungskatharsis‘ bezeichnen kann: Kathartische Effekte werden nicht einem Publikum, sondern den Akteuren versprochen. Zugleich werden diese kathartischen Effekte als ein körperlich sichtbares und damit auch überprüfbares Phänomen konzipiert. Körperwissen erscheint als ein diagnostisches Wissen, das zur Kontrolle der Beteiligten eingesetzt werden kann. Zu beobachten ist ein reger Transfer von Körperwissen aus dem engeren Bereich des (Kunst-)Theaters in andere gesellschaftliche Teilsysteme. Diese Transfers fügen sich ein in eine einflussreiche Spielart gesellschaftlicher Theatralität, die sich theatrales Handeln als Test, d. h. als ein Mittel der Aufdeckung und Prüfung von Subjektivitäten zunutze macht.
Paragrana | 2015
Matthias Warstat
Abstract In modernen und zeitgenössischen Ausprägungen partizipatorischen Theaters, insbesondere auch in therapeutischen Theaterformen, wird die Aufführung häufig als eine Art Schutzraum aufgefasst, in dessen Grenzen Experimente, Wagnisse, Wutausbrüche, Beichten, Kämpfe und andere riskante Praktiken mehr als andernorts möglich sind. Heilsame Wirkungen erhofft man sich davon, im Theater Gefühle zuzulassen, die im Alltag nicht ohne Weiteres ihren Platz finden. Die Rede vom Theater als Schutzraum steht allerdings in einem seltsamen Gegensatz zur Denkfigur der Transgression, deren Bedeutung für die programmatischen Diskurse der Avantgarden kaum hoch genug eingeschätzt werden kann. Transgressive Praktiken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die Grenzen von Räumen mehr oder minder gewaltsam überschreiten - und gerade dadurch ein hohes Maß an Unsicherheit hervorbringen. Wird ein Theater, das sich überschreitenden Handlungen verpflichtet fühlt, jemals Schutzräume bereitstellen können? Übersieht die Rede vom Theater als einem „konsequenzverminderten“ Handeln möglicherweise die Risiken, die mit Theaterformen in der Tradition der Avantgarde verbunden sind? Fragen wie diese verweisen auf ein handlungstheoretisches Problem, nämlich auf Dissonanzen zwischen (künstlerischen) Praktiken und ihren jeweiligen Rahmungen bzw. zwischen Akt und Kontrakt.
Paragrana | 2014
Matthias Warstat
Das Theater ist traditionell ein kultureller Ort, an dem uber Mimesis nachgedacht und mit heterogenen mimetischen Formen bewusst experimentiert wird. Zumeist geht es dabei um eine Spielart von Mimesis, die, jenseits von Nachahmung oder gar Abbildung, als eine konstruierende, kreative, neu-erschaffende Bezugnahme auf gegebene Handlungsmuster beschrieben werden kann. Verschiedene Spielarten des angewandten Theaters – in Therapie, Bildung, Politik, Sozialarbeit etc. –, die im Englischen unter dem Sammelbegriff des applied theatre firmieren, machen sich die mimetischen Strukturen von Theater zunutze, um gezielt transformative Prozesse in Gang zu setzen. Dieser instrumentelle Einsatz von Mimesis lasst sich in den verschiedenen Phasen des theatralen Prozesses (vom Warm-up uber die Szenenentwicklung, Phasen des Improvisierens und Probierens bis hin zur offentlichen Auffuhrung) differenziert aufzeigen. Das dramatische Theater europaischer Tradition steht in enger, ja symbiotischer Beziehung zu mimetischen Prozessen. Versteht man unter Mimesis ein nachahmendes Handeln, das gleichwohl nicht rein reproduktiv, sondern schopferisch und transformierend wirkt, dann begegnet man der Mimesis im Theater gleich auf mehreren Ebenen. In der Praxis des Schauspiels wird mimetisches Handeln zur Kunst erhoben. Wenn Schauspielerinnen und Schauspieler, wie im dramatischen Theater ublich, aus einer vorgeschriebenen Rolle eine Buhnenfigur gestalten, ahmen sie in gewisser Weise Vorstellungen nach, die im dramatischen Text angedeutet sind oder die die Regisseurin bzw. der Regisseur in vorbereitenden Gesprachen und auf der Probe, also im Prozess der Inszenierung mit ihnen entwickelt. Tatsachlich verlaufen die mimetischen Bezuge der Schauspielpraxis aber noch in weitere Richtungen. Denn bei der Gestaltung einer Figur konnen sich Schauspielerinnen und Schauspieler an unterschiedlichen Vorbildern orientieren: an Menschen, die sie im Alltag beobachten, an Personen, die ihnen aus der Erinnerung vertraut sind, oder auch – besonders wichtig – an anderen Schauspielern, deren Spielweise sie bewundern. Man muss betonen, dass die professionelle, elaborierte Nachahmung des Theaters eine spezielle Art der Mimesis ist, die im Alltag auserhalb des Theaters kaum vorkommt. Zum einen ist Nachahmung fur Schauspielerinnen und Schauspieler ein weitgehend bewusster Akt. Wahrend wir uns im alltaglichen Handeln oft unbewusst an bestimmten Vorbildern orientieren, wissen Schauspieler im dramatischen Theater in der Regel genau, welche Rolle sie spielen und wer ihnen als Modell fur
Paragrana | 2011
Matthias Warstat
Zusammenfassung Der Beitrag behandelt die Bedeutung der Metapher des Tötens für Theaterdiskurse der Avantgarde mit Blick auf Texte von Brecht und Artaud. Das Töten und Sterben auf der Bühne, ein altes Phantasma der europäischen Theatertradition, gewann in modernen Visionen eines neuen Theaters starkes Gewicht als Verweis auf radikale, krisenhafte Wirkungen von Kunst und Theater.
Theatre Research International | 2009
Matthias Warstat
For various reasons, there is a tension between drama therapy and the concept of performance. Whereas many notions of performance are deeply rooted in the here-and-now, theatrical types of therapy often include practices concerning the future and constructing future images of self, subjectivity and conflict. This paper argues that therapeutic theatres high affinity with iconic structures and with the creation of ‘images’ can be explained by its specific problems with the contingency and risk inherent in performance.
Archive | 2008
Matthias Warstat
Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Warstat, Matthias: Medialität des Terrors. Theater und Fernsehen im Umgang mit dem 11. September 2001. In: Henri Schoenmakers, Stefan Bläske, Kay Kirchmann u.a. (Hg.): Theater und Medien / Theatre and the Media – Grundlagen – Analysen – Perspektiven. Eine Bestandsaufnahme. Bielefeld: transcript 2008, S. 501– 508. DOI: https://doi.org/https://dx.doi.org/10.14361/9783839410646-049.
Maske und Kothurn | 2005
Matthias Warstat
Das Lachen gehört nicht ohne weiteres und nicht ausschließlich zur Sphäre des Komischen. Es gibt Varianten des Lachens, die weder komisch sind, noch aus Freude, Heiterkeit oder anderen angenehmen Gefühlen resultieren. Konzentriert man sich auf dieses unkomische Lachen, so wird schnell klar, dass es sich dabei nicht um ein randständiges Kuriosum handelt, vielmehr um ein ganzes Spektrum unterschiedlicher emotionaler Ausdrücke, die zu berücksichtigen sind, wenn das Lachen im Theater in einem umfassenderen Sinne untersucht werden soll. Auch im Theater sind zahlreiche unkomische Formen des Lachens anzutreffen, vom Lachen der Verzweiflung über das sardonische Lachen, das sadistische Lachen bis hin zum nervösen Lachen, das im Mittelpunkt meiner Überlegungen stehen soll. Nervöses Lachen ist zunächst ein Symptom, ein In-Erscheinung-Treten von innerer Anspannung, Unruhe oder Ängstlichkeit, eines von vielen möglichen Anzeichen für Nervosität. Nervöses Lachen ist aber auch mehr als ein Symptom, es gewinnt Züge einer funktionalen Strategie, einer Bewältigungsstrategie, worauf ich am Ende meines Beitrags zurückkommen möchte.