Reinhard Brandt
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Publication
Featured researches published by Reinhard Brandt.
Archive | 1990
Reinhard Brandt
Kant als Metaphysiker. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Philosophie im 18. Jahrhundert von Max Wundt, Stuttgart 1924, erschienen also zum Kant-Jubilaum, das 1924 besonders festlich und publizistisch wirksam begangen wurde. Max Wundts voluminose Schrift ist ein Buch, von dem sich wie von einer Bergkuppe ruckwarts zu Kant und vorwarts zur dominierenden Metaphysik-Auffassung in Deutschland bis hinein in die sechziger Jahre blicken last.
Kant-studien | 2008
Reinhard Brandt
Ludwig Ernst Borowski schrieb 1804 in seiner Biographie, Kant erkläre in den Träumen eines Geistersehers die (sc. schlechte, dogmatische) „Metaphysik für Kontrebande“, sie (sc. die legitime Metaphysik) sei ihm schon hier „eine Wissenschaft von den Grenzen der menschlichen Vernunft. [...] Hier ward schon damals die Erwartung einer künftigen Welt an den moralischen Glauben angeknüpft. Überhaupt fand jeder aufmerksame Leser schon hier die Keime der Kritik der reinen Vernunft und dessen, was K. uns späterhin gab.“1 Wenn die Annahme von Borowski stimmt, dann markieren die Träume Kants Abwendung von der Schulmetaphysik hin zum Doppelkonzept der kritischen theoretischen und praktischen Philosophie bzw. Metaphysik. Für die letztere sei markant, dass die Erwartung einer künftigen Welt an den moralischen Glauben angeknüpft werde; also hat schon 1766 die Moral den Vorrang, auf die dann – wie in der späteren Postulatenlehre – die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode folgt, nicht umgekehrt. Der praktischen Philosophie geht somit keine gesetzwidrige, im Schleichhandel eingeführte Metaphysik von Gott und Unsterblichkeit (Theologie und rationale Psychologie) voraus, sondern sie muss sich selbst begründen und kann danach aus eigener Logik die Jenseitsvorstellungen folgen lassen. Für die theoretische Philosophie müsste vielleicht der Dreischritt von Dogmatismus, Skeptizismus und Kritizismus (A 856) schon in den Träumen auffindbar sein. Diese Vermutung lässt sich bestätigen: Über die Präsenz der (a) dogmatischen Metaphysik in den Träumen kann es keinen Dissens geben; umstritten ist nur, was und wer genau gemeint ist und der Lächerlichkeit preisgegeben werden soll: Die Lehre des Okkasionalismus, der prästabilierten Harmonie, des influxus physicus; Leibniz, Wolff, Kant selbst, oder zielt die Schrift allgemein auf die dogmatische Metaphysik und ihren methodischen Schleichhandel? Die Destruktion der überkommenen Metaphysik erfolgt auf zwei Wegen; einmal werden bestimmte Lehren mit Swedenborg
Deutsche Zeitschrift für Philosophie | 2002
Cristina Lafont; Reinhard Brandt
Schaut man sich die gegenwärtigen Diskussionen in der Metaethik an, so kann man als deren auffälligstes Merkmal eine Unmenge an Realismen und Antirealismen feststellen: Bekennende moralische Realisten und Antirealisten beteiligen sich ebenso an diesen Debatten wie unzählige Quasirealisten, interne Realisten usw., die sich um eine gelungene Mischung dieser Zutaten bemühen. Betrachtet man die Debatten allerdings aus etwas größerem Abstand, dann erkennt man, dass es im Grunde genommen dabei um eine Neuzuordnung der Positionen geht, die sich seit jeher in moralphilosophischen Diskussionen zwischen dem empiristischen und dem rationalistischen Zweig der Ethik finden (wobei, in den angesprochenen Begriffen gesprochen, Erstere den Antirealismus und Letztere den Realismus vertreten). So intensiv diese Debatten auch sein mögen, so scheint es doch, dass Ansätze, die an Kants Moralphilosophie anknüpfen, davon weitgehend unberührt bleiben. Dementsprechend finden sich bislang kaum nennenswerte Beiträge zu diesen Debatten von Seiten kantianischer Moralphilosophen. Ein Grund für diese eher unbeteiligte Haltung mag darin liegen, dass es völlig außer Frage zu stehen scheint, dass es sich bei kantianischen Ansätzen um eine Unterart des Antirealismus bzw. Konstruktivismus handelt. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass die beiden wichtigsten Vertreter kantianischer Positionen in der praktischen Philosophie der Gegenwart, Habermas und Rawls, ihre eigenen Moraltheorien als antirealistisch oder konstruktivistisch einstufen. Dieser Einschätzung steht allerdings entgegen, dass weder Kant noch Rawls oder Habermas die für antirealistische Positionen in der Moralphilosophie charakteristischen, expressivistischen Grundannahmen teilen, das heißt die Ansicht, dass wir beim Fällen moralischer Urteile noch nicht einmal vorgeben, Behauptungen über das zu machen, was objektiv richtig oder falsch ist, sondern lediglich unseren nonkognitiven Haltungen Ausdruck verleihen. Kantianer sind eben keine moralphilosophischen Expressivisten, sondern Kognitivisten. Deshalb bestehen sie ausdrücklich auf der objektiven Geltung moralischer Urteile. Betrachtet man den Expressivismus als zentrales Charakteristikum antirealistischer Positionen, so müsste man also die kantianische Moralphilosophie zumindest als anomalen Antirealismus einstufen.
Archive | 1997
Reinhard Brandt
Zwei literarische Vorbemerkungen und ein geraffter Hauptteil. Die beiden Vorbemerkungen tragen den Titel: »Rusland ›noch nicht‹«, und: »Griechenland, Rom, Amerika«. Sodann der Hauptteil mit einem Uberblick verschiedener Europa-Thematisierungen in der Aufklarung, wobei der besondere Akzent auf der politischen Organisation liegt. In jedem Fall: Beispiele der europaischen Europa-Reflexion in der Aufklarung, kein Versuch, diese im Uberblick vorzustellen.
Archive | 1994
Reinhard Brandt
Der Titel der 1798 publizierten Schrift, die aus der vom Wintersemester 1772/ 73 bis 1795/96 gehaltenen Anthropologie-Vorlesung hervorgegangen ist, lautet: »Anthropologie in pragmatischer Hinsicht.« In der ersten Vorlesung zur Anthropologie oder »Naturerkentnis des Menschen«1 fehlt jeder Bezug zu einer spezifisch pragmatischen Aufgabe der Vorlesung; statt dessen ist das Thema eine empirische Psychologie als spekulative, nicht praxisorientierte Wissenschaft. Es soll im folgenden zuerst das ursprungliche Konzept dieser empirischen Psychologie und dann der Wechsel zur pragmatischen Anthropologie erlautert werden, danach mochte ich auf den Anspruch Kants, ein anthropologisches System zu liefern, eingehen und den Aufbau der Vorlesung und der Schrift von 1798 analysieren; im abschliesenden dritten Teil soll andeutend untersucht werden, wie sich diese empirisch-pragmatische Wissenschaft der Menschenkunde zu den drei Fragen verhalt: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Die vierte, hinzugefugte Frage ist anthropologischer Natur und lautet: Was ist der Mensch?
Archive | 1990
Reinhard Brandt
Von einer „politischen Institution“ wird bei Kant nicht gesprochen, und so last sich keine Abhandlung zu diesem Thema am Leitfaden seiner eigenen Begriffsverwendung abfassen. Der Begriff der Institution wird in den Druckschriften nur ein einziges Mal verwendet, und zwar in metaphorischer Weise: „Man kann die Kritik der reinen Vernunft als den wahren Gerichtshof fur alle Streitigkeiten derselben ansehen; denn sie ist in die letzteren, als welche auf Objekte unmittelbar gehen, nicht mit verwickelt, sondern ist dazu gesetzt, die Rechtsame der Vernunft uberhaupt nach den Grundsatzen ihrer ersten Institution zu bestimmen und zu beurteilen“ (A 751)1.
Archive | 1982
Reinhard Brandt
Der zweite Abschnitt von Kants Schrift Uber den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht fur die Praxis tragt die Uberschrift „Vom Verhaltnis der Theorie zur Praxis im Staatsrecht (Gegen Hobbes)“. Gegen Hobbes wird zu zeigen versucht, das das Volk „seine unverlierbaren Rechte gegen das Staatsoberhaupt habe, obgleich diese keine Zwangsrechte sein konnen“ (VIII, 302).1 Nach Hobbes dagegen ist „das Staatsoberhaupt dem Volk durch Vertrag zu nichts verbunden und kann dem Burger nicht Unrecht tun (er2 mag uber ihn verfugen, was er wolle)“ (VIII, 303), bei ihm also kann es aufgrund der Staatskonzeption kein Recht des Volks gegen den Souveran geben. Dieses Recht nun ist bei Kant konkret die Befugnis, „seine Meinung uber das, was von den Verfugungen desselben ihm ein Unrecht gegen das gemeine Wesen zu sein scheint, offentlich bekannt zu machen“; als Begrundung erfahrt der Leser: Jeder Mensch hat unverlierbare Rechte, „die er nicht einmal aufgeben kann, wenn er auch wollte, und uber die er selbst zu urteilen befugt ist“; sodann mus der nicht-widerspenstige Untertan annehmen konnen, das das Staatsoberhaupt nicht Unrecht tun will, also ein Interesse daran hat, uber Irrtumer aufgeklart zu werden. Zwischen Begrundung und Konklusion klafft eine seltsame Lucke, denn bewiesen wird allenfalls das Recht der Beschwerde uber ein Unrecht, „das ihm (sc. dem Burger) seiner Meinung nach widerfahrt“, ein Recht der Beschwerde, wie es auch im Kantischen Staatsrecht (vgl. VI, 319) verankert ist; die Beschwerde jedoch hat einen partikularen Charakter und braucht nur beim Hof abgeliefert zu werden; sie bedarf keiner Verallgemeinerung in Form eines Sprunges vom Unrecht, das dem Untertan selbst seiner Meinung nach widerfahrt, zum „Unrecht gegen das gemeine Wesen“, und sie benotigt keine Offentlichkeit; die Petition schliest ihre Publizitat nicht ein.
Kant-studien | 2013
Reinhard Brandt
Abstract: Although Eckart Förster’s work contains many advanced scholarly accounts, it also has weaknesses. As Förster’s central attempt to make Goethe a Spinozan unfortunately ended in failure, we must recur to previous research (e.g. that of Albrecht Schöne). The same holds for several of the interpretations of Kant.
Kant-studien | 2010
Reinhard Brandt
Die beiden Vorschläge sind höchst sorgfältig begründet und überzeugen zunächst durch das akribische Trennen des alten und das Zusammenfädeln des neuen Textes. Das sollte jeder Leser selbst nachvollziehen, bevor die folgende Ablehnung des Vorschlags beurteilt wird. Wir stellen der philologischen Argumentation eine philosophische entgegen und gehen vom Ganzen zu den Details. Im § 9 der „Tugendlehre“ mit dem Titel „Von der Lüge“ wird zunächst dargelegt, worum es bei der Lüge in ethischer Bedeutung geht und nicht geht (429.04–430.08)1. Man wird der so bestimmten Lüge zugestehen, leicht als wirklich nachweisbar zu sein, ihre Möglichkeit scheint jedoch „einen Widerspruch in sich zu enthalten“ (430.13). Die Auflösung dieser scheinbaren Antinomie erfolgt durch die kritische Lehre vom Unterschied von „homo noumenon“ und „homo phaenomenon“ (430.09–19). Abschließend wird auf dieser Grundlage einiges erläuternd hinzugefügt. Das ist der typisch Kantische Grundbau. Der erste Teil führt den Begriff oder das Wort der Lüge vor, so daß der Leser weiß, was verhandelt wird. Es ist eine Bestandsaufnahme oder Exposition, die uns der Sachhaltigkeit des gemeinten Phänomens als eines Verhältnisses des Menschen zu sich selbst vergewissert. Um die Lüge „in der ethischen Bedeutung des Worts“ (430.01) zu bestimmen, bedarf es des Abweises des konträren Gegensatzes, der Wahrhaftigkeit (429.06; 34), aber auch der rechtlichen (statt ethischen) Bedeutung des Wortes. Die Bezugsperson der ethischen Lüge ist der Lügner selbst. Nun scheint in diesem Selbstverhältnis des Menschen jedoch ein Widerspruch zu liegen, denn jemanden zu belügen setzt eine zweite Person voraus, „die man zu hintergehen die Absicht hat“ (430.12). Es gibt die Lüge als ein Selbstverhältnis, und es gibt sie nicht. Wie läßt sich die Möglichkeit (430.10) nachweisen, d.h. deduzieren? Dies ist die Aufgabe der kritischen Philosophie. Bei der Erklärung des kategorischen Imperativs gelangt man, so die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in einen Zirkel der gegenseitigen Ermöglichung von Moral und Freiheit; wie kann man diesem Zirkel entkommen? Oder: „Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich?“ (GMS, AA 04: 453.16) Die Möglichkeit erwächst 1785 aus dem doppelten Standpunkt, den die KrV durch die Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung theoretisch begründet hat: „Und so sind
Kant-studien | 2007
Reinhard Brandt
Abstract In der Kritik der Urteilskraft steht: „Schön ist das, was in der bloßen Beurtheilung (also nicht vermittelst der Empfindung des Sinnes nach einem Begriffe des Verstandes) gefällt. Hieraus folgt von selbst, dass es ohne alles Interesse gefallen müsse.“ (AA 05: 267.25–27). Die Bestimmung in der Klammer entspricht nicht der Kantischen Intention und wird dem einleitenden „also“ nicht gerecht. Die gesamte Argumentation des Geschmacksurteils ist so aufgebaut, dass der ästhetische Geschmack gegen zwei Fronten abgegrenzt wird, den Hedonismus (§ 3) und den Rationalismus (§ 4); der erste identifiziert den Geschmack mit einem Wohlgefallen am Angenehmen, also dem, „was den Sinnen in der Empfindung gefällt“ (AA 05: 205.26–27), der zweite mit dem, was „durch den bloßen Begriff gefällt.“ (AA 05: 207.15–16) Das Schönheitsurteil steht zwischen sinnlicher Empfindung und bestimmtem Begriff; hierbei interessiert sich Kant verständlicherweise nicht für die Frage, wie die bloße Sinnesempfindung zu ihrer Artikulation in einem Urteil des Geschmacks z.B. in der Pariser Garküche kommt.