Ulrich Oevermann
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Publication
Featured researches published by Ulrich Oevermann.
Sozialer Sinn | 2001
Ulrich Oevermann
Daß hier ein Papier veröffentlicht wird, das ursprünglich im Januar 1973 geschrieben wurde und schon damals nicht für eine Publikation reif war, geschweige denn heute, ist, wenn überhaupt, nur damit zu rechtfertigen, daß es eine nicht erwartbare Wirkung hatte und den seitdem so genannten Deutungsmuster-Ansatz initiierte. Das spricht dafür, daß in diesem Papier ein latent schon lange schwelendes Unbehagen an der Einstellungsmessung und Umfrageforschung und ein altes soziologisches Desiderat strukturtheoretisch angemessener Konzepte für die Erforschung kollektiver Bewußtseinsformationen zum Ausdruck kam. Eine neuerliche Lektüre nach fast 28 Jahren ließ mich vor allem erblassen über die Unklarheiten, die in der Begriffsbildung dieses Papiers enthalten sind, und sie ließ erkennen, wie viel sich doch inzwischen in Richtung einer weiteren Klärung verändert hat. Auf der anderen Seite ist aber auch nicht zu leugnen, daß die programmatische Grundrichtung nach wie vor aktuell ist und weiterer Bearbeitung wert. Deshalb kann eine Veröffentlichung als gewissermaßen historisches Dokument des Beginns einer bestimmten sozialwissenschaftlichen Forschungsrichtung nur sinnvoll sein, wenn sie in den Versuch eingebettet ist, diesen Ansatz zu aktualisieren und zu ergänzen.
Archive | 2008
Ulrich Oevermann
Das Modell oder das Konzept der Professionalisierung ist ja bereits seit langerem in der padagogischen Debatte thematisch. Entsprechend wird im Zuge von Schulentwicklungsplanung und Schulprogrammatik das in der Professionstheorie bekannte Thema wieder aufgeworfen, inwieweit in formalen Organisationen die Professionalisierang beruflicher Tatigkeit nicht nur problematisch ist, sondern—eine Annahme, die zuweilen systemtheoretisch unterstutzt wird — durch effiziente Zweckprogrammierung die Leistung von Profession und Professionalisierung ersetzt werden konne. Diese Argumentationslinie kann man auch unter den allgemeinen Titel bringen „Zweckprogrammierung anstatt Professionalisierang“ und Professionen dann tendenziell den alteuropaischen Traditionen zurechnen, als etwas, was sich angeblich uberlebt hat.
Archive | 1988
Ulrich Oevermann
Die folgende Fallrekonstruktion auf der Basis eines verschrifteten Interviews dient der materialen Explikation des Typus der versozialwissenschaftlichten Identitatsformation, der theoretisch vorweg an anderer Stelle entfaltet worden ist (Oevermann 1985). Die theoretische Argumentation folgte freilich einer Reihe von materialen Einzelfallanalysen und stellte ein erstes Resume dar.
Archive | 2009
Ulrich Oevermann
Die folgenden Uberlegungen sind begrundet in der in meinem Forschungsschwerpunkt entwickelten und verfolgten Revision einer soziologischen Professionalisierungstheorie. Und da diese Position doch haufig missverstanden worden ist, insbesondere innerhalb der Padagogik, wie die von Baumert und Tenorth vor zwei Jahren in der Zeitschrift fur Erziehungswissenschaft1 vorgetragene massive Kritik allzu deutlich gezeigt hat, aber auch innerhalb der Soziologie, jedenfalls was die fur diese Thematik einschlagige Sektion anbetrifft, komme ich nicht umhin, die professionalisierungstheoretische Ableitungsbasis fur eine strukturanalytische Bestimmung des Arbeitsbundnisses zwischen dem Experten und dem Klienten innerhalb der Interventionspraxis der sozialen Arbeit in aller gebotenen Kurze zu Anfang noch einmal zu explizieren.
Archive | 1999
Ulrich Oevermann
Ziel der nachfolgenden Ausfuhrungen ist es, die soziologische Position, die ich entwickelt habe und die den mit meiner Professur verbundenen Forschungsschwerpunkt inhaltlich ausmacht, in ihren Grundzugen zu kennzeichnen und auszuweisen.
Archive | 2006
Ulrich Oevermann; Manuel Franzmann
Der Prozes der Sakularisierung des religiosen Bewustseins wird hier als ein unvermeidlicher unterstellt. Wir halten die religionssoziologische Debatte, die daruber vor allem in den USA entbrannt ist (Swatos/Olson 2000), fur irrefuhrend. Zumindest trifft sie auf die europaischen Verhaltnisse nicht zu. Vor dem Fortschreiten der erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnisse und den mit ihm sich befestigeden wissenschaftlichen Rationalitatsstandards verdampfen auch fur den auserhalb der Wissenschaften im engeren Sinne tatigen Menschen der Moderne die religiosen Glaubensinhalte. Ein Leben nach dem Tode wird zwar nach wie vor angstlich von Vielen erwunscht, aber eine religios befestigte Vorstellung von einem Jenseits verliert zunehmend an innerer Plausibilitat; der Ritus und das Sakrament der Eucharistie verlieren an Glaubwurdigkeit und Dringlichkeit und die spezifisch kirchlich geforderten ethischen Regeln der Lebensfuhrung verlieren, soweit sie inhaltlich nicht im weltlichen Recht aufgegangen sind und soweit ihre Verletzung nicht als justiziell verfolgte Gesetzesubertretung oder als menschliche Unanstandigkeit gemas alltagsweltlicher Normen sanktioniert wird, sondern als Sunde gilt, um die Gott um Vergebung zu bitten ist, vor allem auf dem Gebiet der Sexualmoral und der Rationalitat der Verfolgung des Eigenintereses an Bindungskraft. In der Bundesrepublik Deutschland kann das Jahr 1968 vergleichsweise prazise als Umschlagjahr gelten: Vor ihm hatten die offentlich geauserten Anschauungen der Kirche zugleich gesamtgesellschaftliche Verbindlichkeit; die Beweislast trug, wer ihnen widersprach.
Sozialer Sinn | 2004
Ulrich Oevermann
Im folgenden geht es mir nicht primär um eine Kompetition zwischen quantitativer und qualitativer Sozialforschung, zumal ich diese Gegenüberstellung schon begrifflich für unsinnig halte, schon gar gar nicht um eine Polemik gegen die quantitative Forschung, sondern um eine Klärung des Status der diesem Lager zugerechneten forschungspraktischen Verfahren. Insbesondere möchte ich versuchen, die streitige Debatte um das Verhältnis von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden, anläßlich ihres im Grunde antiquierten Wiederaufblühens in der Bildungsforschung seit PISA, auf eine grundlegende wissenschaftstheoretische Diskussionsebene zu stellen, auf der vor allem das Problem der systematischen Verknüpfung von theoretischen Konstruktionen einerseits und der erfahrbaren Welt andererseits, in welcher Repräsentation auch immer, in aller Deutlichkeit ins Zentrum gerückt werden soll, so daß sich die Reflektion der Vorund Nachteile beider Verfahrenstypen in einem hinreichend allgemeinen forschungslogischen Bezugsrahmen bewegen kann. Wenn ich mich im folgenden vor allem auf die quantifizierenden Verfahren in der empirischen Bildungsforschung beziehe, so geschieht dies nicht aus systematischen Gründen, sondern aus aktuellem Anlaß. Die Argumente nehmen jedoch eine allgemeine Geltung bezüglich der quantifizierenden Forschung in den Erfahrungswissenschaften von der sinnstrukturierten Welt generell, also in dem Ensemble aller sozial-, kulturund geisteswissenschaftlichen Disziplinen, in Anspruch.
Archive | 1997
Ulrich Oevermann
Das sich die soziologische Strukturanalyse die kunstlerische Verdichtungsleistung durch werkanalytische Rekonstruktion als Erkenntnisquelle zunutze macht, ja mehr noch: die Analyse von Kunstwerken als Konigsweg der empirischen Sozialforschung beschreitet, ist der nach wie vor dominanten braven Befolgung der „normal science“-Sozialforschung unheimlich oder lacherlich. Adorno, fur den diese Vorgehensweise selbstverstandlich war, der aber leider eine explizite Methodik der Werkanalyse nicht, ja nicht einmal luckenlos explizierte Beispiele dafur hinterlassen hat, ist selbst im „eigenen Lager“ ohne Nachfolge geblieben. So gehen der historisch gerichteten wie der zeitdiagnostischen Sozialforschung wertvolle Erkenntnismoglichkeiten verloren.
Zeitschrift Fur Soziologie | 1976
Ulrich Oevermann; Marianne Kieper; Sabine Rothe-Bosse; Michael Schmidt; Peter Wienskowski
Abstract Recent criticism of research on “class specific forms of socialization” is discussed and possible sociological approaches for a differentiation in this field are supported in contrast to a position of psychological reduct- ionism. It is argued, that speaking of “class specific socialization” (“schichtenspezifische Sozialisation”) cannot be justified unless structural differences in the constellation of socialisatory conditions in specific sociocultural milieus are empirically confirmed besides merely showing differences in the degree of learning opportunities. From a sample of 357 ten-year-old children data regarding social background, measured intelligence and school achievement are analyzed to explore possibilities for differentiation of the global relationships betweem these indicators. The five distinguished social classes are comparable in the external features of family structure and their local ecology. Differences between them regarding intelligence and school achievement of the children must, therefore, be explained on the basis of their present socio-economic conditions and subcultural traditions. Group differences of intelligence and school achievement can be identified and consistently ordered according to class hierarchy. But beyond these quantitative differences no qualitative differences in the profile of intelligence and school notes can be shown and likewise no class specific factorial structures of intelligence are existent. Only after parents have been classified according to occupational characteristics, profile differences can be detected, which serve to point out subcultural specific forms of intelligent behavior. Effects of subcultural traditions can be separated from effects of the actual socio-economic conditions, when one distinguishes within the social classes’ subgroups according to the consistency of class heritage of the families. These two complexes of causation have no simple additive effects, their relative contribution is further mediated by their contextual constellation in the social history of the family. Finally, it can be shown that the predictive power of single status indicators is not distributed according to their causal proximity to the socialization process. The status indicators have a differential relation to various factors of intelligence and school achievement with respect to the sex of the children. From that it can be infered that the influence of social structural conditions is differentially mediated by mechanisms of sex-role development and that the processes of socialization within the family should be explained in terms of their macro-structural contextuation. Zusammenfassung In einer Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Kritik an der Forschung zur „schichtenspezifischen Sozialisation“ werden einer psychologisch-reduktionistischen Position Möglichkeiten und Richtungen einer soziologischen Differenzierung dieses Forschungsansatzes gegenübergestellt. Es wird die These vertreten, daß erst dann von „schichtenspezifischer Sozialisation“ gesprochen werden kann, wenn nicht nur Schichtunterschiede in der Intensitätsausprägung allgemeiner Anregungsbedingungne, sondern darüber hinaus in der spezifischen soziokulturellen-lebensweltlichen Konstellierung von Bedingungsfaktoren nachgewiesen werden können. Aus einer Stichprobe von 357 Schülern des vierten Schuljahrs werden Daten über den Zusammenhang zwischen Indikatoren des sozialen Hintergrunds und der Intelligenz sowie dem Schulerfolg exemplarisch auf Möglichkeiten einer empirischen Differenzierung dieses globalen Zusammenhangs analysiert. Die Fünf unterschiedlichen Schichtgruppen sind hinsichtlich äußerer familienstruktureller Merkmale und hinsichtlich der lokalen Ökologie vergleichbar, so daß Unterschiede in der Intelligenz und der Schulleistung der Kinder auf Faktoren der aktuellen Klassenlage und der sozio-kulturellen Lebens-weit zurückgeführt werden müssen. Zwar können Intelligenz- und Schulleistungsunterschiede nachgewiesen werden, die der hierarchischen Anordnung der Statusgruppen genau entsprechen, aber über diese Niveaudifferenzierung hinaus liegen Unterschiede in den Intelligenzprofilen nicht vor, ebenso wenig wie schichtspezifische Faktorenstrukturen der gemessenen Intelligenz. Erst wenn die Eltern nach Merkmalen ihrer Berufstätigkeit klassifiziert werden, ergeben sich für die Intelligenz und die Schulleistung sinnvoll interpretierbare Profilunterschiede, die auf subkulturell spezifische Formen intelligenten Verhaltens verweisen. Von der aktuellen Klassenlage unabhängige Effekte der subkulturellen Traditionen und Orientierungen können nachgewiesen werden, indem innerhalb der Schichtengruppen nach dem Grad der familiengeschichtlich konsistenten Verankerung in der gegenwärtigen Statusgruppe unterschieden wird. Dabei wirken jedoch aktuelle Klassenlage und subkulturelle Tradition nicht einfach additiv, sondern je nach ihrer Konstellation in der Richtung und der Stärke der Mobilitätsbewegung in einem unterschiedlichen Verhältnis. Schließlich kann nachgewiesen werden, daß die einzelnen Statusindikatoren mit ihrer kausalen Nähe zu den innerfamilialen Sozialisationsprozessen nicht an Bedeutung gewinnen und daß sie, vermittelt über geschlechtsspezifische Identifikationsprozesse einen für die Geschlechter und für die einzelnen Dimensionen des intelligenten Verhaltens differentiellen Einfluß haben. Daraus werden Annahmen über die Bedeutsamkeit der makro-strukturellen Kontextuierung von innerfamilialen Sozialisationsprozessen abgeleitet.
Archive | 1996
Jörg Tykwer; Ulrich Oevermann
Bei unserer Untersuchung des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD) hat sich der folgende Fall, eigentlich ein Komplex von Fallen, nicht nur als aufschlusreich erwiesen, er erscheint uns auch in verschiedener Hinsicht zur Illustration der im Vertextungsmodell methodologisch angesprochenen Gesichtspunkte als besonders geeignet. Zum einen last sich an einer besonders typischen Texttransformation von der ursprunglichen Tatortbeschreibung zur spateren KPMD-Meldung veranschaulichen, wie sehr der Sinn einer Meldung auf einer von Kontextwissen freien sprachlichen Darstellung des Tatortes beruht, und verdeutlichen, wie deren Gelingen von einer erfolgreich durchgefuhrten Tatertyp-Rekonstruktion abhangig ist. Zum anderen bietet sich der Fall deshalb zur Darstellung an, weil innerhalb eines kurzen Zeitraums sechs Mal in dieses Objekt eingebrochen wurde und damit sechs Spurentexte zur Beurteilung des Tatervorgehens als Ausgangsbasis fur Ermittlungen vorliegen, so das fur die Fallrekonstruktion die Moglichkeit bestand, entsprechend unserem sequentiellen Vorgehen, zur Uberbruckung von Textlucken angestellte Hypothesen an Hand der Informationen spaterer Anzeigenaufnahmen zu prufen. Sodann erlauben die zu einem der Falle vorliegenden Zeugenaussagen die Erweiterung der Perspektive von der kriminalistischen Ausdeutung vorfindlicher Tatortgegebenheiten zur Interpretation von Beobachtungen und Aussagen. Daruberhinaus erwies sich der Fallkomplex auch als besonders typisch fur eine charakteristische Art von Ermittlungshandeln, die wir nicht nur in der Dienststelle, die ihn bearbeitete, vorgefunden haben.