Ulrike Lembke
University of Hamburg
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Publication
Featured researches published by Ulrike Lembke.
Kritische Justiz | 2016
Ulrike Lembke
Der virtuelle Raum hat unserem Leben buchstäblich eine Dimension hinzugefügt. Dies hat Einfluss auf soziale Interaktionen, berufliche Tätigkeiten und politische Willensbildung.1 Es entstehen völlig neue Möglichkeiten der Kommunikation sowie der Erhebung, Sammlung und Verbreitung von Informationen, aber auch neue Gefahrenlagen. Sowohl der Schutz geistigen Eigentums als auch der Datenschutz werden inzwischen durchaus rechtlich abgebildet. Doch erst seit kurzem wird auch über Gefährdungen durch rassistische2 und geschlechtsspezifische Gewalt und Hassrede im Netz diskutiert.3 Geflüchtete und Personen, die sich für ihre Belange einsetzen, religiöse Minderheiten, Frauen und LGBTI*-Personen erleben die Schattenseiten des Netzes in Form von brachialen Attacken auf ihre Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsrechte, Ehre und Integrität.
Kritische Justiz | 2014
Lena Foljanty; Ulrike Lembke
„Ehrenmorde“ haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder zu hitzigen integrationspolitischen Diskussionen geführt, die auch vor der Jurisprudenz nicht Halt gemacht haben. Im März 2014 verursachte die Berichterstattung über eine „Ehrenmord“-Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden1 große mediale Empörung über einen angeblichen „Islam-Rabatt“ oder „kulturellen Rabatt“.2 Diese Empörung erwies sich als juristisch weitgehend uninformiert,3 konnte aber erst durch die Vorabveröfffentlichung einer Studie4 beschwichtigt werden, wonach Ehrenmörder in Deutschland nicht milder, sondern strenger bestraft werden als Partner(innen)mörder. Im folgenden Beitrag wollen wir die Rechtsprechung zu „Ehrenmorden“ in den Blick nehmen und ihren dogmatischen und diskursiven Implikationen und Verwerfungen nachgehen. Dabei scheint schon der Forschungsgegenstand nicht einfach bestimmbar: Die Landgerichte, welche die einschlägigen Fälle primär entscheiden, verwenden den Begriff „Ehrenmord“ selbst nicht.5 Trotzdem werden ihre Urteile rasch von anderen als „Ehrenmord“-Entscheidungen kategorisiert. Es mag noch wenig überraschen, dass die Medien solch schlagzeilen-taugliche Zuordnungen vornehmen.6 Weitaus befremdlicher ist, wenn der Bundesgerichtshof selbst in seinen Pressemitteilungen den Begriff des „Ehrenmordes“ verwendet, auch wenn die Vorinstanz hierfür wenig Anlass bietet.7 Die Verschlagwortung in juristischen Datenbanken folgt teils diesem Muster,8 teils werden umgekehrt nun dem Bun-
Archive | 2017
Ulrike Lembke
Mit der Einfuhrung der Lebenspartnerschaft hat eine rechtliche Angleichung gleichgeschlechtlicher Paare an die Institution der Ehe begonnen, die nun kurz vor ihrem Abschluss zu stehen scheint. Doch eine Offnung der Ehe ist nicht in Sicht Argumentativ beruht die Angleichung auf einem Gleichheitskonzept, welches aus der faktischen Gleichheit (Liebe, Fursorge, Bindungswillen) auf eine rechtliche Gleichheit von Lebenspartnerschaft und Ehe zu schliesen versucht. Allerdings handelt es sich dabei um einen reduzierten Diskurs, der wesentliche Fragen wie Reproduktion, Familie, Arbeitsteilung, Gleichberechtigung in der Partnerschaft, Sinn der Ehe sowie vergeschlechtlichte und identitare Sexualitaten auslasst. Ein Verstandnis des Geschlechtsdiskriminierungsverbots als Verbot der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts als Erwartung und seine Anwendung in Diskursen um die Gleichheit gleichgeschlechtlicher Paare konnte dagegen das Konflikt- wie revolutionare Potential dieser Gleichheitskampfe auch fur Fragen der kunftigen Regulierung menschlichen Zusammenlebens entfalten.
Archive | 2017
Ulrike Lembke
Im Rechtsdiskurs wird der Umstand, dass rechtliche Normen erheblichen Einfluss auch auf konsensuale Sexualitaten haben, weithin ignoriert. Seit dem Paradigmenwechsel von der Sittlichkeit zum Rechtsguterschutz gilt das Dogma der staatsfreien Intimsphare, wonach der moderne Rechtsstaat sich aus den sexuellen Beziehungen seiner Burger*innen herauszuhalten habe, sofern diese nur einverstandlich sind. Hintergrund ist ein reduzierter Liberalismus, der nicht nach den Bedingungen sexueller Autonomie fragt, aber auch ein herrschaftsstabilisierendes Verstandnis von Privatheit. Tatsachlich gibt es vielfaltige rechtliche Regelungen konsensualer Sexualitaten unter Erwachsenen, die sich auf Offentlichkeiten, Konfrontationsschutz, Bevolkerungspolitiken, Zuwanderung, Staatsdienst, Jugendschutz, Kommerzialisierung oder Moralvorstellungen beziehen. Ihre Legitimitat ist differenziert zu bewerten. Auffallig ist, dass auch der Rechtsdiskurs keine Definition von Sexualitaten als Regelungsgegenstand gibt, ungeachtet aller Freiheitsrhetorik aber wesentlich an der Aufrechterhaltung und Verbreitung eines reduzierten Sexualitatsverstandnisses, vergeschlechtlichter Sexualitatsmythen und entsprechender Geschlechterstereotype beteiligt ist.
Archive | 2017
Ulrike Lembke
Die Sanktionierung der Erregung offentlichen Argernisses und exhibitionistischer Handlungen, Verbote von Nacktjogging und Live-Sex-Shows sowie Sperrgebietsverordnungen zeigen, dass Sexualitat in der Offentlichkeit eine Grenzuberschreitung darstellt, auf welche das Recht sensibel reagiert. Allerdings erweist sich die zugrunde gelegte Grenze als auserst unscharf und halt die rechtliche Sanktionierung auf Grundlage eines neu entwickelten Konfrontationsschutzes inklusive unklarer Privatheitskonzepte der Kritik kaum stand. Ordnungsvorstellungen spielen weiterhin eine wesentliche Rolle fur die Regulierung des offentlichen Raumes, wahrend geschlechterpolitische Implikationen der privat-offentlich-Dichotomie wenig reflektiert und Exklusionen durch geschlechtsspezifische Gewalt, kommerziellen Sexismus sowie heteronorme Burgerschaft kaum adressiert werden. Staatliche Regulierung des offentlichen Raumes muss aber darauf gerichtet sein, moglichst vielen Menschen die selbst gestaltete Teilhabe zu ermoglichen, und gegen tradierte Ausschlusse aktiv tatig werden. Masstab rechtlicher Antworten auf Sexualitat im offentlichen Raum jenseits des Jugendschutzes sind daher Geschlechtergerechtigkeit, sexuelle Autonomie, Vielfalt und Teilhabe.
Verfassungsblog: On Matters Constitutional | 2016
Ulrike Lembke
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Sexualstrafrechts vorgestellt, der am 28. April im Bundestag beraten wird. Mit ihm sollen „besonders drängende“ Schutzlücken geschlossen werden, welche primär darauf beruhen, dass die sexuelle Selbstbestimmung im deutschen Recht eine Sonderstellung hat, da sie im Gegensatz zu anderen Rechtsgütern nur unter sehr engen Voraussetzungen strafrechtlich geschützt ist. So gibt es für Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit (einfache, gefährliche und schwere Körperverletzung) oder das Eigentum (Diebstahl, schwerer Diebstahl und Raub) einen Grundtatbestand und Strafschärfungsgründe, während bei der sexuellen Selbstbestimmung nur besondere Verletzungen erfasst sind (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung), ein Grundtatbestand fehlt. Das ist auch der wesentliche Grund dafür, dass es bspw. keinen Rechtsschutz gegen sexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit gibt. Überdies liest die Rechtsprechung systemwidrig – beim rechtstechnisch parallelen Raubtatbestand geschieht dies nicht – das Erfordernis von Widerstand ins Gesetz hinein und sie wendet einen Teil des einschlägigen Paragraphen praktisch gar nicht an.
querelles-net | 2014
Ulrike Lembke
Die vorliegende Sammlung ist eine Pionierinnenarbeit. Zwar gibt es fur den deutschsprachigen Raum einige Einfuhrungen in die Legal Gender Studies resp. rechtlichen Geschlechterstudien, die sich teilweise auch auf dieselben Autor*innen oder Konzepte beziehen, doch fehlte es bisher an einer gemeinsamen Quellengrundlage. Andrea Buchler und Michelle Cottier haben ein in Qualitat wie Quantitat beeindruckendes Werk vorgelegt, durch welches der Stand rechtlicher Geschlechterstudien im deutschsprachigen Raum dokumentiert, notwendige rechtswissenschaftliche Beitrage zu den Geschlechterstudien geleistet und ein geschlechtertheoretisch inspirierter Zugang zu einer reflektierten und kommunikationsfahigen Rechtswissenschaft eroffnet werden.
querelles-net | 2011
Ulrike Lembke
Dieser Sammelband ist so kuhn wie notwendig. Er bietet empirische und theoretische, wissenschaftliche und politische Grundlagen, um in den Debatten uber Multikulturalismus und Frauenunterdruckung, Parallelgesellschaften und sexuelle Autonomie eine eigene Position entwickeln zu konnen. Schon der Zugang uberrascht: Nicht nur der Mangel an sexueller Autonomie, der in Zwangsehen zum Ausdruck kommt, steht im Fokus, sondern zugleich wird nach deren Bedingungen in der Mehrheitsgesellschaft, konkret der Anerkennung homosexueller Partnerschaften, gefragt. In Beitragen aus Grosbritannien, Osterreich und der Turkei wird Licht auch in versteckte Ecken der Debatten geworfen und – ohne unklar oder unangemessen detailverliebt zu werden – beherzt den zutage tretenden Verschrankungen, Verwicklungen und sogar Widerspruchen begegnet.
querelles-net | 2010
Ulrike Lembke
Der von Barbara Kavemann und Heike Rabe herausgegebene Sammelband zum Prostitutionsgesetz zeichnet sich dadurch aus, dass die Thematik aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet wird und insbesondere auch jene zu Wort kommen, die in der medialen Debatte oft keine Stimme haben: Prostituierte in sehr unterschiedlichen Lebens- und Arbeitssituationen ebenso wie Bordellbetreiber/-innen, Praktiker/-innen aus der Sozialen Arbeit ebenso wie aus Verwaltung und Justiz. Dadurch gelingt es, ein differenziertes und realistisches Bild von Prostitution und ihrer Regulierung in Deutschland zu zeichnen sowie weitere Hilfs- und Handlungsbedarfe uberzeugend aufzuzeigen, aber auch wegweisende Modelle aus der Praxis vorzustellen.
querelles-net | 2008
Ulrike Lembke
Diese Dokumentation einer internationalen Tagung wartet mit sehr differenzierten Antworten zu der Frage auf, ob (auch) mit den Mitteln des Rechts jener Wandel initiiert werden kann, der notwendig ist, um die Geschlechterverhaltnisse gerecht(er) zu gestalten. In den vielgestaltigen Beitragen zu den Themenfeldern Arbeitswelt, Familie, Biopolitik und Einwanderungsgesellschaft wird deutlich, dass die Frage nach dem emanzipatorischen Potential von Recht zwar nur jeweils konkret beantwortet werden kann, der Austausch von Erfahrungen und Reflektionen jedoch unerlasslich ist fur erfolgreiche feministische Rechtspolitiken.