Oliver Kohns

Pessimismus, Kultur, Untergang: Nietzsche, Spengler und der Streit um den Pessimismus

This article offers new perspectives on the (mainly German) discourse about Kulturpessimismus (cultural pessimism) in the period between 1900 and 1950. In contrast to the dominant view in which Kulturpessimismus is reduced to a reactionary and undemocratic political danger, it is argued that it can also be seen as a critical cultural force within the process of modernization itself. Against this backdrop, the article traces the evolution of the notion of Kulturpessimismus from Nietzsche to Spengler, and its ramifications in the critical reception of the latter’s work.

Das Gesetz der Gesetzlosigkeit

Wer heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, nach der Bedeutung der Texte Jacques Derridas fur die Literaturtheorie der Gegenwart zu fragen, scheint entweder mutig zu sein oder einen schwerfalligen Verstand zu besitzen. Ist es moglich zu ubersehen, dass die Literaturtheorie sich von den Fragen der ‚Textualitat‘ oder den allgemeinen Problemen der Referentialitat langst abgewendet hat, um sich eher ‚empirischen‘ Fragen im Rahmen der cultural studies zuzuwenden? Wozu kann in dieser Situation die abermalige Frage nach der Bedeutung der Texte Derridas nutzen? Die Dekonstruktion erscheint als ein uberwundene und erschopfte Paradigma, das zudem nichts als leere Selbstbezuglichkeit lehren konnte. In ihrer Einleitung zum Sammelband Kultur als Text beschreibt Doris Bachmann-Medick die Dekonstruktion als das Paradigma, gegen das sich neuere literaturtheoretische Stromungen primar profilieren wollen: „Die Hauptkontrastfolie fur eine anthropologisch-ethnologische Wende der Literaturwissenschaft ist der Dekonstruktivismus seit den spaten 70er Jahren, vor allem dessen Textzentrierung, die so weit geht, keinen Existenzbezug auserhalb von Texten anzuerkennen […]. Die anthropologische Wende der Literaturwissenschaft reagiert auf diese Tendenz eines ‚selbstreferentiellen Metakritizismus‘ durch eine Hinwendung zu sozialen Kontexten, durch feministisch engagierte Literaturwissenschaft, durch ethnocriticism und eine kulturwissenschaftliche Offnung.“