Reiner Anselm
Ludwig Maximilian University of Munich
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Featured researches published by Reiner Anselm.
Archive | 2018
Reiner Anselm
Dieses bemerkenswerte Fazit findet sich am Ende des Afghanistan-Papiers der EKD von 2013. Bemerkenswert ist diese Passage deswegen, weil der Duktus des Textes selbst zum Ausdruck bringt, dass das Leitbild des gerechten Friedens im Erarbeitungsprozess des Dokuments gerade keine klare Bewertung und damit keine verlassliche friedensethische bzw. friedenspolitische Urteilsbildung ermoglicht hatte. Der damalige Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider brachte diese offenkundige Differenz in die pragnante Zuordnung zwischen einem „magnus consensus“ uber das Leitbild des gerechten Friedens und dem „breiten und gleichwohl differenzierten Konsens“ in konkreten Fragen (EKD 2013, S. 8).
Ethik in Der Medizin | 2004
Reiner Anselm
ZusammenfassungTerminale Sedierung ist unter bestimmten Umständen ethisch rechtfertigbar: Mit dem Wissen um die Begrenztheit des eigenen Lebens ist auch der Sterbeprozess ein bewusst zu gestaltender, dem eigenen Willen unterworfener Bestandteil des Lebens. Das schließt auch die (paradoxe) Möglichkeit ein, bewusst auf das Bewusstsein beim eigenen Sterben zu verzichten. Anhand eigener Studien kann der Autor zeigen, dass sich der Wunsch nach Sterbehilfe bei terminal kranken Menschen als die Folge einer konsequenten Einordnung in das System der Medizin deuten lässt. Infolgedessen begreifen Patienten auch das Sterben als eine Aufgabe des Medizinsystems, so dass sie ärztliche Sterbehilfe als Ausdruck für ein menschenwürdiges Sterben, paradoxerweise sogar als natürlichen Tod auffassen können. In dieser Situation ermöglicht die terminale Sedierung einen Fortschritt: Das Medizinsystem kann der von ihm erwarteten Zuständigkeit für den Prozess des Sterbens nachkommen, ohne direkt und intentional zu töten. Trotzdem bleiben bezüglich der Missbrauchsmöglichkeiten, der Rollenkonfusion der Ärzte und der Grenzen menschlicher Handlungsräume Zweifel. Vor der „Illusion der glatten Lösungen“ (H. Thielicke) wird gewarnt und für den Versuch geworben, das jeweils Beste für die einzelnen Betroffenen zu erreichen.AbstractDefinition of the problem: Under certain conditions terminal sedation can be considered ethically justifiable.Arguments and conclusion: As humans are aware of the limitations of their lives, the process of dying can be understood as a part of life which is consciously shaped and subject to one’s own will. This also includes the paradox to forego a conscious death. The desire of a terminally ill patient for euthanasia can be interpreted as the consequence of a life that has been fully integrated into the health-care system. Patients comprehend dying as a task of the medical system, and medically-assisted suicide as an expression of human dying, paradoxically even as a natural death. In this complex situation, terminal sedation represents progress as the medical system can play its anticipated role and fulfil its responsibility in the death process without directly or intentionally killing. Nevertheless, doubts remain concerning possible abuse, the physician’s role, and the limitations of human actions. “The illusion of easy solutions” (H. Thielicke) should be avoided and attempts made to seek the best solution for each individual.
Ethik in Der Medizin | 2008
Reiner Anselm
ZusammenfassungIn der gegenwärtigen Diskussion um Patientenverfügungen dominieren die Fragen nach deren Reichweite und Verbindlichkeit. Diese bilden, ebenso wie die Kontroverse um diese beiden Themen, die professionsspezifische Sichtweise von Ärzten und Juristen ab. Aus Patientenperspektive jedoch, so die Ergebnisse einer Studie mit 272 Tumorpatienten, stellt sich die Situation anders dar: Hier fungieren Patientenverfügungen vielmehr als Türöffner für eine intensivere Kommunikation mit Ärzten, aber auch mit Angehörigen und mit sich selbst. Die Frage nach der Verbindlichkeit spielt demgegenüber nur eine nachgeordnete Rolle.AbstractDefinition of the problemIn the current discussion on advance health care directives, questions of scope and obligation prevail. This corresponds to the main actors of the discourse: jurists and physicians.ArgumentsHowever, according to the results of a study on 272 tumor patients, this focus does not cover the patients’ point of view: In their perspective, advance health care directives act as devices for communication rather than as legal directives.ConclusionDue to this perception, questions of scope and obligation are secondary.
Anselm, Reiner (2008). Menschenwürdig sterben auch auf der Intensivstation? Orientierungsmarken aus Sicht einer evangelisch-theologischen Ethik. In: Junginger, Theodor; Perneczky, Axel; Vahl, Christian-Friedrich; Werner, Christian. Grenzsituationen in der Intensivmedizin. Entscheidungsgrundlagen. Berlin, Heidelberg: Springer, 59-69. | 2008
Reiner Anselm
Menschenwurdiges Sterben auch unter den Bedingungen der Intensivstation wird haufig mit dem Ruf nach klaren Normen und festen Regeln verbunden. Gerade die christlichen Kirchen haben sich wiederholt in dieser Richtung geausert. Solche Forderungen werden aber weder der besonderen Situation des Sterbens unter den Bedingungen der modernen Medizin gerecht noch lassen sie sich einfach aus dem christlichen Verstandnis von der Wurde des Menschen und den besonderen Wert menschlichen Lebens ableiten. Stattdessen gilt es, auch auf der Intensivstation ein Klima zu etablieren, das den hochstpersonlichen Charakter des Sterbens respektiert und dabei gleichzeitig die Gestaltung des Sterbeprozesses bis hin zur Sterbehilfe als Aufgabe eines arztlichen Handelns in christlicher Verantwortung begreifen hilft.
Archive | 2018
Reiner Anselm
In the context of the current refugee crisis, there has been a revival of concern with territoriality, nationality, and identity throughout Europe. In response to this revival, Reiner Anselm develops a theological ethics of community and citizenship from a Protestant perspective. Concentrating on the controversies which have characterized German Protestantism, he analyzes how theologians have aimed to close the conceptual gap in the construction of the state through recourse to a conceptual level prior to statehood. The grammar of the conflict about what constitutes such a level is, he argues, characterized by competing conceptualizations of Human Rights. Ultimately, he argues for the regulation of questions of citizenship and community through the processes that Seyla Benhabib calls “democratic iterations.” Building on Benhabib, the point and purpose of a theological ethics from a Protestant perspective is not to legitimize these processes, but to push them toward increasing inclusivity.
Zeitschrift Fur Evangelische Ethik | 2017
Reiner Anselm
Der Titel meines Diskussionsbeitrags enthält zugleich die These: Die eingespielte Enthaltsamkeit des Staates gegenüber möglichen Einschränkungen des Rechts auf Religionsausübung hat in der jüngsten Vergangenheit an Plausibilität verloren. Am Beispiel der Schweizer Bundesverfassung lässt sich die veränderte Ausgangslage der Frage, wie das Verhältnis von religiösen Gruppen und säkularem Rechtsstaat zu gestalten ist, gut illustrieren. Die Bundesverfassung legt ganz eindeutig den Akzent auf das Individualrecht der freien Religionsausübung, während der Gedanke, dass die staatliche Ordnung den religiösen Frieden zu gewährleisten habe, demgegenüber in den Hintergrund getreten ist. Aufschlussreich heißt es in der Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996 zur Neufassung der Regelungen zur Glaubensund Gewissensfreiheit (Art. 13 BV): Die Bestimmung »legt das Schwergewicht auf die individualrechtlichen Aspekte der Religionsfreiheit, auf Kosten der Garantie des religiösen Friedens, die heute nicht mehr im gleichen Mass gefährdet erscheint wie in der Vergangenheit.« Es wurde zwar dennoch die Kompetenz von Bund und Kantonen, Maßnahmen zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den Religionen zu treffen, beibehalten (Art. 72 Abs. 2 BV), das Schwergewicht liegt aber zunächst vollständig auf der individuellen Religionsfreiheit und der Zurückweisung ihrer Beschränkungen. Im Unterschied zur – ebenfalls im liberalen Geist entstandenen – Bundesverfassung von 1874 werden Szenarien, die die Begrenzung der Religionsfreiheit im Interesse der Sicherung des religiösen Friedens zulassen, aber nicht mehr eigens erwähnt, sondern die Regeln für eine solche Begrenzung werden in Art. 36 BV den allgemeinen Verfahren zur Einschränkungen von Grundrechten subsumiert. Zum Zeitpunkt der Abfassung der neuen Bundesverfassung in den 1990er-Jahren konnte man sich wohl kaum vorstellen, wie virulent die Problematik des Einlassens auf religiöse Normen werden würde. Obwohl die Zuwanderung von Menschen mit anderer Religionszugehörigkeit spätestens mit der Balkankrise zu Beginn der 1990er-Jahre massiv zunimmt, stellt deren Religionsausübung kein Problem dar, in das die Verfassung regulierend eingreifen müsste. Wenn überhaupt, dann geht es darum, die Religionsausübung als ein individuelles Grundrecht zu schützen und zu ermöglichen – und mit ihr auch die Freiheit der »weltanschaulichen Überzeugung« (Art. 15 Abs. 2 BV). Religionsfrieden, so die seinerzeit herrschende Überzeugung, wird am Besten dadurch gewährleistet, dass den Religionen weitestmöglicher Rechtsschutz gewährt wird. Indem der Staat allen die freie Ausübung ihrer weltanschaulichen Überzeugungen gewährt, entschärft er gleichzeitig den Sprengstoff, der im Konflikt der Religionen untereinander entstehen kann.
Praktische Theologie | 2015
Reiner Anselm
Krise ist bekanntlich ein Synonym für Protestantismus. Aus der Krise des mittelalterlichen Papsttums und der europäischen politischen Ordnung bezog die Reformation ihre Kraft, und spätestens seit Karl Barths verallgemeinernder Feststellung, dass der Gottesgedanke zu einer umfassenden Krisis aller Geschichte führen müsse, kann die Rede von der Krise zu den eingespielten Mustern theologischer Selbstverständigung gezählt werden. Krise ist immer und Krise war immer. Wo aber kann man dann beginnen, eine kleine Diskursgeschichte zu den Krisenwahrnehmungen im Verhältnis der Praktischen Theologie zu den anderen theologischen Disziplinen zu schreiben? Es empfiehlt sich sicherlich, der Versuchung zu widerstehen und das Thema zum Schlüssel für die Darstellung der Geschichte der theologischen Wissenschaften seit der Reformation zu machen. Statt enzyklopädischer Breite also kann es hier nur um eine Konzentration auf einige wenige Knotenpunkte gehen. Trotz dieser Beschränkung wird eine solche Darstellung allerdings an der Stelle einsetzen müssen, an dem die Praktische Theologie selbst ihren Ort im Rahmen der enzyklopädischen Zusammenstellung der theologischen Disziplinen bekommt, nämlich bei Friedrich Schleiermacher, immerhin nach Ernst Christian Achelis der „Urheber der Praktischen Theologie als Wissenschaft“. Schleiermachers „Kurze Darstellung des theologischen Studiums“ bestimmt bekanntlich in § 6, dass die Wissenschaftsdisziplinen, aus denen sich die Theologie zusammensetzt, nur solange als theologische Disziplinen zu betrachten sind, wie sie auf das Kirchenregiment, auf die Leitung der christlichen Gemeinde bezogen werden. Außerhalb dieses Praxiszusammenhangs verlieren sie ihre Theologizität, sodass nicht mehr von historischer, philosophischer und praktischer Theologie gesprochen werden kann, sondern von „Sprachkunde und Geschichtslehre“, von „Seelenlehre und Sittenlehre“ und von den „Disziplinen der allgemeinen Kunstlehre und der Religionsphilosophie“. Zwar wiederholt Schleiermacher in der zweiten Auflage der Kurzen Darstellung nicht die Formulierung der Erstauflage, die Praktische Theologie sei die „Krone des theologischen Studiums“, an der Zuordnung der integralen Perspektive zur Praktischen Theologie hält er allerdings fest. Dabei bildet für ihn die Historische Theologie den Körper des theologischen Studiums, doch auch wenn diese gemeinsam mit der Philosophischen Theologie unverzichtbar ist für die Ausbildung einer zusammenführenden Perspektive der Kirchenleitung, so legt doch die zugrunde gelegte Organismusmetaphorik nahe, wie die Verhältnisbestimmung der Praktischen Theologie zu den anderen Disziplinen aufzufassen ist. Diese Zuordnung der Praktischen Theologie zu den anderen Teilbereichen theologischer Theoriebildung kann dabei selbst als Ausdruck einer Krise verstanden werden, die das Thema: Verfallsdiskurse der Praktischen Theologie PTh 2015/1 27 / 27.1.2015 – Umbruch
Zeitschrift Fur Evangelische Ethik | 2014
Reiner Anselm
Uli Hoeneß – Franz-Joseph Tebartz van Elst – Margot Käßmann. Drei Namen, drei trotz aller Unterschiedlichkeit im Detail gleich gelagerte Fälle: Weil die persönliche Lebensführung mit den öffentlich vertretenen Idealen in Konflikt geriet, sahen und sehen sich alle drei massiver Kritik ausgesetzt, verbunden mit der Forderung, von ihren Ämtern zurückzutreten. Dass es bei allen Dreien zu kritikwürdigen Verfehlungen gekommen ist, ist unbestritten. Unbestritten ist auch, dass diese Verfehlungen vielfach medial verstärkt wurden – auch und gerade von solchen Organen, die es mitunter selbst mit der Moral nicht so genau nehmen. Und unbestritten ist, dass es sich bei der Frage, wie sich Lebensführung und Amtsführung zueinander verhalten, um ein vielfach variiertes Thema handelt. Viel zitiert ist das Max Scheler zugeschriebene Bonmot: »Geht denn der Wegweiser den Weg, den er zeigt?« Doch ein genauerer, unaufgeregter Blick lohnt. Denn hinter der jüngsten Aufmerksamkeit für die individuelle Lebensführung von Amtsträgern verbirgt sich mehr als das mediale Interesse an Zuspitzung und Personalisierung. Hier zeigt sich eine für die Ethik, auch für die theologische Ethik durchaus bedeutsame Konsequenz dessen, was Charles Taylor das »Zeitalter der Authentizität« genannt hat. Die Ausgangslage ist dabei durchaus diffus und zeigt einander widerstrebende Tendenzen: ein stetig steigendes Bedürfnis nach Grenzziehungen zwischen Beruf und Privatleben auf der einen, ein Heranziehen von privaten Verhaltensweisen zur Beurteilung beruflichen Handelns auf der anderen Seite. Moderne Gesellschaften sind durch eine Ausweitung des Privaten und eine immer stärkere Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben gekennzeichnet. Zunächst sind dabei wachsende Produktivität und die damit einhergehende immer stärkere Trennung von Arbeitszeit und Freizeit die maßgeblichen Triebkräfte. Diese Entwicklung wird flankiert durch die Skepsis gegenüber der gesellschaftlichen Regulierung des individuellen Verhaltens, die sich aus den Erfahrungen mit den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts speist. Was als ein Elitephänomen in der Romantik begann, wird so in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zur selbstverständlichen Signatur westlicher Gesellschaften: das Bewusstsein, selbst über die Art der Lebensführung bestimmen zu können. In der Gegenwart haben sich die Bedingungen geändert, ohne dass das leitende Paradigma revidiert worden wäre, im Gegenteil: Die durch die Globalisierung, durch verschärften Wettbewerbsdruck und auch durch die Möglichkeiten der Kommunikationstechnologie herbeigeführte Entgrenzung von Arbeitszeit und Freizeit verschärft eher das Bedürfnis nach einer stärkeren Abgrenzung zwischen Privatleben und beruflicher Tätigkeit. Aus dieser Aufwertung des Privaten resultiert ein sanfter Druck zur Relativierung: Was privat ist, darf von anderen nicht kritisiert werden, zumindest solange es sich nicht selbst gegen das Recht anderer richtet, den eigenen Lebensentwurf zu gestalten. Toleranz ist oberstes Gebot – und demKommentar
Leidfaden : Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer | 2014
Reiner Anselm
Wie die meisten Religionen bewertet auch das Christentum das Leben des Menschen als Gabe Gottes. Die Erzahlungen am Anfang der Bibel von der Erschaffung des Menschen verarbeiten eine menschliche Grunderfahrung: Niemand kann sich selbst das Leben geben. Jeder Mensch verdankt sein Dasein anderen. Wir sind auf Gemeinschaft angewiesen. Die auf das Grundsatzliche gerichtete religiose Sprache bringt diese Dimension unserer Lebenswirklichkeit mit der Formel vom Menschen als Geschopf Gottes zum Ausdruck. Die Rede vom Menschen als Geschopf Gottes beinhaltet zwei weitere Aspekte: Zum einen sind alle Menschen Geschopfe Gottes. Jeder Einzelne steht mit Gott in einer besonderen Beziehung und erhalt dadurch seine Wurde, zugleich sind alle Menschen als Geschopfe verbunden. Zum anderen bedeutet die Welt als Schopfung zu beschreiben, an einer Differenz zwischen Gott und Welt festzuhalten. Die besondere Stosrichtung der biblischen Rede von der Schopfung liegt darin, Gott als Gegenuber der Welt, nicht als Bestandteil aufzufassen. Auch die Tatsache, dass Gott der Schopfer allen Lebens ist, fuhrt nicht dazu, dass die Pradikate Gottes auf seine Geschopfe ubertragen werden. Eine Vorstellung von der Heiligkeit als einer besonderen intrinsischen Qualitat des Lebens, auch des menschlichen, beruft sich zu Unrecht auf die Tradition des Christentums.
Evangelische Theologie | 2014
Reiner Anselm
Abstract This article takes up the popular formula of the integrity of creation and interprets it as an adequate, specifically modern reinterpretation of a dogmatic topic. Yet the power of this formula comes to light only when its origin within the process of reconciliation is emphasized and the concept of creation is equally distinguished from theologies of order and arguments based on natural law. The surplus value of a semantics of creation over against a discourse inspired by natural theology lies in the expression not of static, but of dynamic thought that aims at structuring the world in order to guarantee equal liberties for all to actualize their lives.