Gerhard Göhler
Free University of Berlin
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Publication
Featured researches published by Gerhard Göhler.
Archive | 1997
Gerhard Göhler
Institutionenwandel ist ein Bestandteil des sozialen Wandels. Tiefgreifende Entwicklungen und Umbruche enthalten stets Veranderungen von Institutionen, und deren Veranderungen markieren und bewirken ihrerseits sozialen Wandel. Wenn somit die Theorien des sozialen Wandels stets auch Institutionenwandel umfassen, so folgt daraus allerdings noch nicht, das sich Institutionenwandel einfach aus sozialem Wandel ableiten liese. Institutionen sind Hort der Stabilitat in der Vielfalt sozialer Aktionen und Beziehungen, sie sichern Kontinuitat in der Abfolge der Situationen. Wenn Institutionen selbst sich wandeln, so handelt es sich um gravierende Veranderungen, die fur sozialen Wandel in besonderem Mase bedeutsam sind. Prozesse der Entwicklung und Veranderung, des Auftretens neuer und des Verschwindens uberkommener Institutionen sind nicht nur Bestandteil, sondern angesichts der stabilisierenden Funktion von Institutionen der wohl signifikanteste Ausdruck von sozialem Wandel.
Archive | 1999
Gerhard Göhler; Rainer Kühn
Konnen Handbucher als Indikatoren betrachtet werden, die den jeweiligen ‚state of the art‘ einer wissenschaftlichen Disziplin verlaslich widergeben und Bedeutung der verschiedenen Stromungen innerhalb eines Forschungsfeldes angemessen anzeigen, dann mussen die Darlegungen, die unter der Bezeichnung „Neo-Institutionalismus“ zusammengefast werden, zu den derzeit wichtigsten theoretischen Konzepten in der Politikwissenschaft gezahlt werden: So enthalt beispielsweise der von Goodin/Klingemann (1996) herausgegebene Band mit den Artikeln von Rothstein, Weingast, Drewry und Peters vier Uberblicksbeitrage, die gleich zu Beginn des Werkes die entscheidende Bedeutung hervorheben, die allem Anschein nach institutionellen Aspekten in der Politik zukommt Glaubten March/Olsen noch Mitte der 80er Jahre, die Berucksichtigung ‚organisationaler Faktoren im politischen Leben‘ (1984) einfordern zu mussen, konnten sie bereits Ende des Jahrzehnts die von einer Vielzahl politikwissenschaftlicher Analysen betriebene ‚Wiederentdeckung der Institutionen‘ (1989) bilanzieren. In quantitativer Hinsicht hat der Rekurs auf institutionelle Momente mittlerweile derartige Ausmase angenommen, das Immergut (1997, S. 325) schon befurchtet: „By now, most scholars are rather tired of hearing about the new institutionalism“.
Archive | 1992
Gerhard Göhler
Dubiel bricht eine Lanze fur die Konflikttheorie, in gut kritischer Tradition mochte er den Glauben an den Konflikt als politische Grundkategorie wiederherstellen. Nun wurde in der Politikwissenschaft derzeit wohl niemand leugnen, das die Gesellschaft durch vielfaltige und tiefgreifende Konflikte gekennzeichnet ist und das auch die Politik davon nicht unbeeinflust bleibt. Wenn das so unstrittig ist, mus das Anliegen tiefer reichen. Augenscheinlich geht es Dubiel nicht um die Bestimmung aktueller Konfliktlinien in ihrem Intensitatsgrad und ihren Auswirkungen. Der Klassenkonflikt — intellektuelles Vehikel so manch kritischer Theorien — wird nicht hypostasiert; Nord-Sud-Konflikte, Nationalitatenkonflikte oder die Konflikte geistiger und psychischer Selbstbehauptung in der Integration der neuen Bundeslander sind nicht herangezogen. Umso dramatischer werden die Existenzbedingungen der modernen Demokratien westlicher Industriegesellschaften in der Ubiquitat von Konflikten, im Streit als solchem, vermessen.
Archive | 2002
Gerhard Göhler
Wenn Politik als „symbolisch“ bezeichnet wird, ist damit gemeinhin die abwertende Vorstellung verbunden, sie sei „blos“ symbolisch, namlich inhaltsleer, substanzlos, durch Schlagworte uberdeckt, „inszeniert“ usw. Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass sich Inhalt und Ausdruck, Realitat und ihre Darstellung sauberlich trennen lassen. Das allerdings ist nicht selbstverstandlich — alle konstruktivistischen Ansatze sozialer Wirklichkeit sehen hier vielmehr einen untrennbaren Zusammenhang. Uberdies geht es dabei um Symbole, nicht allgemein um Sprache oder Zeichen. So stellt sich die zusatzliche Frage, was denn „Symbole“ spezifisch zur Realitatskonstruktion beitragen. Das alles ergibt ein unubersichtliches Feld, denn die Fragen, wie Realitat symbolisch konstruiert wird und was daran das eigentlich „Symbolische“ ist, fallen in der verzweigten Diskussion nicht einfach zusammen. Es kann durchaus unterschieden werden zwischen der Vorstellung einer generell symbolischen Konstruktion der Wirklichkeit und der Vorstellung einer sozialen Konstruktion der Wirklichkeit, in der Symbole eine besondere (und eingeschrankte) Rolle spielen.
Archive | 1992
Gerhard Göhler
Die Sektionstagung schlos sich in ihrer Thematik unmittelbar an das erste Plenum des Kongresses an, auf dem zum Abschlus nach dem Staat als Integrationsinstanz gefragt wurde. Integration bedeutet die Herstellung einer kollektiven Identitat, und dies ist ein zentrales Problem der Demokratietheorie. Wie jede politische Ordnungsform kann auch Demokratie nicht ohne eine identitare Komponente bestehen: Sie setzt ein Mindestmas an Homogenitat als Wertbasis einer funktionierenden Ordnung voraus, und sie mus diese immer wieder ausbilden und weiterentwickeln. Gegenwartig stellt sich nicht nur die Frage, welche Wert- und Orientierungsmuster eine integrierende Funktion uberhaupt erfolgreich ausuben oder ausuben konnen. Die tiefgreifenden Veranderungen in Europa — in der EG die Entwicklung zum Binnenmarkt und zur politischen Union, in Ost- und Mitteleuropa der Zusammenbruch der real-sozialistischen Systeme und die Ruckkehr zu national gepragten Gebilden, schlieslich in Deutschland die politische Vereinigung mit den Problemen des okonomischen, sozialen und mentalen Zusammenwachsens — werfen zudem die Frage auf, auf welcher Ebene kunftig eine Identitatsbildung stattfinden kann, stattfinden soll und tatsachlich stattfinden wird. Auf der einen Seite verlieren uberkommene Nationalstaaten in der Entwicklung zu politischer und okonomischer Integration zunehmend ihren zentralen Stellenwert gegenuber supranationalen Instanzen. Auf der anderen Seite haben sie im Zuge der Umwalzungen in Mittel- und Osteuropa neue Orientierungsfunktion gewonnen, und der Druck der Angleichung bisheriger Staatsgebilde an Nationalitaten, die in ihrer Partikularitat schon uberwunden schienen, nimmt standig zu.
Archive | 1986
Jürgen W. Falter; Gerhard Göhler; Achim von Malotki; Jürgen R. Winkler
Ein Uberblick uber die Politische Theorie kann, wie prinzipiell jeder Uberblick, mehr intuitiv-qualifizierend oder mehr neutral quantifizierend sein. Im ersten Fall wird man besondere Leistungen herausheben (v. Beyme 1984b), im zweiten Fall eher die Breite dokumentieren, in beiden Fallen aber auch zu Trendanalysen gelangen. Wir gehen hier quantifizierend vor und charakterisieren die Politische Theorie in Deutschland vermittels einer Inhaltsanalyse deutschsprachiger Fachzeitschriften, um Entwicklungen, Schwerpunkte und Schwerpunktverlagerungen aufzuzeigen. Die Inhaltsanalyse soll nicht einen besonders exklusiven Objektivitatsanspruch demonstrieren; sie erscheint uns vielmehr als der angemessenste Zugang, um mit der Politischen Theorie einen Bereich zu erfassen, der sich auserordentlich diffus darstellt und in hohem Mase durch Kontroverspositionen gepragt ist. „Politische Theorie“ ist zwar eine anscheinend festgefugte Disziplin im Fach Politikwissenschaft, aber es ist nicht leicht zu sagen, worum es sich dabei genauer handelt. Wie last sich in der Politikwissenschaft eine Spezialdisziplin „Politische Theorie“ herausheben, wenn es die Politikwissenschaft doch allemal mit Theorien zu tun hat? Das ist der Anspruch spatestens seit Popper, dem sich auch die Sozialwissenschaften — zumindest verbauter — nicht mehr zu entziehen wagen.
Archive | 2017
Gerhard Göhler
Hegel ist alles andere als ein Utopist. Mit seiner Philosophie will er das, was ist, begreifen, um es als vernunftig zu erweisen. Dazu muss die Geschichte in ihrer Entwicklung im Wesentlichen abgeschlossen sein, und aus der These vom „Ende der Geschichte“ fuhrt kein Weg in die Utopie. Jedoch mussen Utopien nicht ausschlieslich eine radikale Abkehr von Hegel bedeuten, vielmehr kann Philosophie auch systemimmanent in Hegels Spuren utopische Elemente enthalten. Das wird an Eduard Gans (1797–1839) gezeigt, einem prominenten Schuler Hegels und weithin orthodoxen Nachfolger in seinem Systemdenken. Gans offnet einen Weg in die Utopie, indem er Hegel historisiert und dadurch seine Vorstellung vom „Ende der Geschichte“ aufhebt. Unter dem Einfluss der Saint-Simonisten kann er damit die „soziale Frage“ ganz anders angehen als Hegel. Dieser arbeitet in seiner Analyse der burgerlichen Gesellschaft den Widerspruch zwischen Armut und Reichtum mit der bedrohlichen Entstehung des Pobels zwar scharf heraus, sieht aber keine Losungsmoglichkeit. Gans dagegen nimmt den Gedanken der Assoziation von den Saint-Simonisten auf, um den Pobel, das spatere Proletariat, wieder in die Gesellschaft zu integrieren und seinem Leiden abzuhelfen.
Archive | 2016
Gerhard Göhler
In die Debatte uber politische Reprasentation ist wieder Bewegung gekommen. So pladiert etwa Michael Saward unter dem Stichwort „representative claims“ fur ein breiteres Reprasentationsverstandnis, welches die politische Reprasentation von institutionalisierter Reprasentation durch Wahlen und Abgeordnete abkoppelt und damit auch der Reprasentation durch nicht-staatliche, zivilgesellschaft liche Akteure off net (Saward 2010).
Archive | 2014
Gerhard Göhler
Macht ist eine soziale Beziehung, um Handlungsraume zu strukturieren. Geht man davon aus, dass Akteure grundsatzlich uber verschiedene Handlungsoptionen verfugen, also in einer bestimmten Situation etwas Bestimmtes tun oder unterlassen oder etwas anderes tun konnen, so bewirkt die Ausubung von Macht, dass einige dieser Optionen fur sie unmoglich oder unattraktiv, andere wiederum wesentlich attraktiver oder allein sinnvoll erscheinen.
Archive | 2007
Hubertus Buchstein; Gerhard Göhler
Politische Theorien gibt es bereits so lange, wie es die Politik als ein eigenstandiges gesellschaftliches Phanomen gibt — spatestens seit der griechischen Antike in ihrem politischen ‚Konnens-Bewusstsein‘ (Christian Meier), wenn man nicht schon weltliche Ordnungsvorstellungen des antiken Agypten oder der judischen Tradition dazu rechnen mochte. Heute sind politische Theorien und die Beschaftigung mit politischen Vorstellungen und Erfahrungen der Vergangenheit in der politischen Ideengeschichte nicht nur geronnenes Kulturgut und Bestandteil der politischen Alltagskommunikation, sondern sie existieren auch als mehr oder weniger eigenstandiger Bereich innerhalb eines akademischen Feldes, das in Deutschland in erster Linie von der Politikwissenschaft reklamiert wird. Unter der Bezeichnung „Politische Theorie und Ideengeschichte“ bildet sie in der Bundesrepublik Deutschland seit mehreren Jahrzehnten einen der vier fest etablierten Teilbereiche der Politikwissenschaft (neben der Innenpolitik, der Vergleichenden Politikwissenschaft und der Internationalen Politik). Die disziplinaren Grenzen sind in einigen anderen Landern zuweilen etwas anders gezogen — so ist in den USA die normative politische Theorie unter dem Namen „Politische Philosophie“ haufig auch im Fach Philosophie angesiedelt und in England haben wichtige Vertreter der politischen Ideengeschichte ihre Lehrstuhle bei den Historikern. Gleichwohl wird Politische Theorie und Ideengeschichte auch international fest als eines der etablierten Teilgebiete des Faches Politikwissenschaft anerkannt.