Ronald Hitzler
Technical University of Dortmund
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Publication
Featured researches published by Ronald Hitzler.
Neue Praxis | 2017
Ronald Hitzler; Anne Honer
Zweifelsfrei lasst sich wohl konstatieren, dass der moderne Mensch typischerweise in eine Vielzahl von disparaten Beziehungen, Orientierungen und Einstellungen verstrickt ist, dass er mit ungemein heterogenen Situationen, Begegnungen, Gruppierungen, Milieus und Teilkulturen konfrontiert ist, dass er folglich mit mannigfaltigen, nicht aufeinander abgestimmten Deutungsmustern und Sinnschemata umgehen muss. Eine derartige Diagnose ist selbstverstandlich keineswegs neu: Einerseits hat z. B. bereits Alfred Schutz (1945), im Anschlss an William James (1893), die mannigfaltigen Wirklichkeiten der Lebenswelt strukturell beschrieben, also die Auffacherung der Erfahrung in die Subsinnwelten des Alltags, des Traumes, der Phantasien und der theoretischen Einstellung, andererseits haben beispielsweise Georg Simmel (1908) mit seiner Idee von der Kreuzung sozialer Kreise, oder Erving Goffman (1974) mit seinem (enger als an Schutz noch an James orientierten) Konzept wechselnder Bezugsrahmen im alltaglichen Erleben diesen Gedanken bereits vorgedacht. Hier geht es lediglich darum, einen Forschungsansatz innerhalb dieser Theorierahmen aufzuzeigen, der u. E. besonders gut geeignet ist, die Perspektive des Subjekts in seiner typisch modernen Vergesellschaftungsform zu rekonstruieren Dieser Versuch steht gleichsam auf der Theorie-Plattform der neueren Wissenssoziologie, wie sie sich um und in der Nachfolge von Peter Berger und Thomas Luckmann (1966) entwickelt hat.
Archive | 1998
Ronald Hitzler; Michaela Pfadenhauer
Wieder einmal: Ein Gespenst geht um — nicht nur in Europa, und naturlich nicht nur, aber doch vor allem in Deutschland: das Gespenst diesmal einer juvenilen Spas-Kultur. Sein Name sei ‘Techno’. Dieses ‘Gespenst’ verdient unsere professionelle Aufmerksamkeit allein schon wegen seiner ‘Massenhaftigkeit’: Die Zahl der Techno-Enthusiasten wuchs in den vergangenen Jahren nicht nur exponentiell, sondern explodierte formlich. Die kaum ein Jahrzehnt zuruckreichende Geschichte von Techno ist eine Geschichte der Superlative. Techno mobilisiert (hierzulande und weltweit) eine Generation derart massenhaft wie kaum eine andere Musikbewegung zuvor. Wesentlich schwerer als das quantitative Argument fur ein soziologisches Interesse am Phanomen ‘Techno’ wiegt u.E. jedoch seine ‘Symptomatik’ fur eine postmoderne Lebensweise und eine posttraditionale Form der Vergemeinschaftung.
Archive | 2008
Ronald Hitzler
Unsere Gesellschaft ist durch Entwicklungen gepragt, die wir mit Begriffen wie „Sakularisierung“, „Pluralisierung“, „Individualisierung“ und (neuerdings) „Globalisierung“ bzw. „Neo-Liberalisierung“ zu fassen versuchen. Viele Menschen empfinden diese Gesellschaft als „kalt“. Auf der Suche nach einem „warmenden“ Miteinander (vgl. Gebhardt 1999) treffen sie zunehmend (auch) auf Gemeinschaftsformen, die ihnen sowohl ein Hochstmas an individueller Freiheit als auch ein attraktives Zusammensein mit gleichgesinnten anderen versprechen. Der entscheidende Unterschied dieser auf die genannten (und andere) Modernisierungseffekte gleichsam ‚antwortenden‘ Vergemeinschaftungsangebote gegenuber herkommlichen Gesellungsformen besteht im Wesentlichen namlich darin, dass die Teilhabe an ihnen nicht mit den in traditionalen und traditionellen Gemeinschaften ublichen Bindungen und Verpflichtungen einhergeht. Diese mithin andersartige, eben posttraditionale Form der Vergemeinschaftung resultiert vielmehr daraus, dass jeder einzelne „Interessent“ und „Partizipant“ (immer wieder aufs Neue) zur Teilhabe verfuhrt wird (vgl. Hitzler 1998 und 1999; Hitzler/Pfadenhauer 1998). Da sie somit lediglich in der zufalligen und zeitweisen Ubereinstimmung von Neigungen, Vorlieben, Leidenschaften und bestimmten, als „richtig“ angesehenen Verhaltensweisen grunden, ist die Bindekraft solcher posttraditionaler Gemeinschaften in aller Regel auch entsprechend labil. Gleichwohl scheinen sie denen, die an ihnen teilhaben, so etwas zu bieten wie eine — zumindest situative — ‚Kuhstallwarme‘. Einige Varianten derartiger Vergemeinschaftungen, wie sie sich insbesondere seit den 1980er Jahren entwickeln, werden als „Szenen“ bezeichnet.
Archive | 1997
Ronald Hitzler; Anne Honer
Verstehen ist keineswegs eine Erfindung von Wissenschaftlern. Es geschieht anscheinend zunachst auch nicht in einer besonderen theoretischen Einstellung, sondern es ist fur Menschen einfach Alltags-Routine. Das permanente Problem verstehender Wissenschaftler besteht deshalb darin, zu plausibilisieren, was ihr Tun eigentlich zu einem wissenschaftlichen Unternehmen mache, obwohl es doch explizit auf einem ganz alltaglichen, allgemeinmenschlichen Vermogen aufruht (vgl. dazu Hitzler 1993). Die Frage ist also, was das Besondere sei am Problem des wissenschaftlichen Verstehens und was das Besondere sei am Problem des Verstehens in den Sozialwissenschaften.
Archive | 2012
Ronald Hitzler; Gerd Möll
Insbesondere in Gesellschaften wie der unseren, in denen das Leben – mit Krotz (2007) sozusagen metaprozessanalytisch gesehen – signifikant pluralisiert, individualisiert, optionalisiert, kommerzialisiert, zusehends globalisiert und immer gravierender mediatisiert wird, stehen kulturell mannigfaltige Artefakte als ‚Vehikel‘ bereit, die dezidiert dazu dienen, uns in ausergewohnliche Bewusstseins-enklaven, in Erlebniswelten zu befordern: z. B. legalisierte und nicht-legalisierte Drogen; z. B. soziale Veranstaltungen wie Kinos, Spielhallen, Nachtclubs, Gottesdienste, Kunstausstellungen, Sportwettkampfe, Modeschauen, Volksfeste, Public Viewings und dergleichen mehr; vor allem aber eben auch die ganze, kaum noch uberschaubare Palette der in unserer Kultur vorhandenen Kommunikationsmedien und ihre noch weniger uberschaubaren Nutzungsoptionen (vgl. Hitzler 2011).
Archive | 2012
Ronald Hitzler
Techniken betrachte ich – mit Martin Heidegger (2002) – als Externalisierungen abwagenden, rechnenden bzw. kalkulierenden Denkens. Und auch dann, wenn sie sich empirisch oft miteinander vermischen, amalgamieren und hybridisieren: analytisch unterscheide ich dabei grundsatzlich zwischen Kulturtechniken hier und im weiteren Sinne ingenieuralen Techniken bzw. genauer: Technologien da.
Archive | 1998
Ronald Hitzler; Michaela Pfadenhauer
Die kleine Lebens-Welt des Ravers — neugierige Soziologen finden sie, wenn sie wieder einmal sozusagen um die Ecke gegangen sind und den „stupor sociologies“ (vgl. Knoblauch 1991) erfahren haben. Und es ist, wie wir zeigen wollen, tatsachlich eine fremde und seltsame Welt, dieses zum (Teilzeit-) Orientierungsschema verfestigte subjektive Korrelat des sozial geteilten Relevanz- und Deutungssystems der Techno-Szene. Phanomenologisch gesehen haben wir es beim Phanomen Techno mit einem distinkten Erfahrungskomplex, mit einer besonderen Sub-Sinnwelt (im Verstande von Schutz 1971) zu tun. Organisiert aber ist dieser distinkte Erfahrungskomplex in einem speziellen Milieu, dessen Praktiken zu explorieren, dessen Semiotik zu beschreiben und dessen Eigen-Sinn zu ergrunden, kurz: das in seiner kulturellen Besonderheit1 ethnographisch zu rekonstruieren ist.2
Journal of Contemporary Ethnography | 2015
Anne Honer; Ronald Hitzler
Life-world-analytical ethnography aims to investigate the subjective perspective—the life-worlds—of other people. Life-world-analytical ethnography is based on the premise that any world which is not apprehended as a life-world—that is, as the totality of a world that is subjectively experienced—is a fiction. For we do not, in fact, have any knowledge of a world that is not subjectively experienced—of the world per se, as it were. The investigation of one’s own life-world is a difficult program in itself, a program that mundane phenomenology, in particular, endeavors to pursue. However, the investigation of the life-worlds of other actors calls for numerous additional precautions and measures. This article discusses the origins and foundations as well as particular challenges of life-world-analytical ethnography.
Archive | 2011
Gregor J. Betz; Ronald Hitzler; Michaela Pfadenhauer
Musikfestivals, Gartenschauen, Olympische Spiele, Stadtfeste, ‚Diners en Blanc‘, Opernfestspiele, internationale Bauausstellungen, katholische Weltjugendtage, Massenkonzerte, Sportgrosereignisse, Kulturhauptstadte, … Events nehmen standig zu – an Zahl, an Bedeutung und an Grose. Neue Veranstaltungsideen wie ‚Flashmobs‘ oder ein Massen-Picknick auf 60 Kilometern gesperrter Autobahn1 ebenso wie traditionelle und ‚klassisch burgerliche‘ Fe ste und Feiern unterliegen einer akzelerierenden Eventisierung (vgl. Gebhardt 2000; Hitzler 2011). Selbst der Kindergeburtstag ist kaum noch denkbar ohne Zauberer und Indoor-Abenteuerspielplatz. Und immer mehr Menschen gehen da hin, wo sie vermuten beziehungsweise darauf hoffen konnen, es sei etwas los (vgl. Goffman 1967), woran mit vielen Anderen zusammen teil zu haben ihnen Spas machen konnte. Zum einen werden tradierte kulturelle Vermittlungsformen mit (zusatzlichen) Unterhaltungsund Erlebnisversprechen verbunden und dergestalt transformiert; zum anderen vervielfaltigen sich solche ‚kunstlichen‘ Ereignisse, die bereits genuin als „Events“ deklariert sind. Dergestalt ist Eventisierung langst ein ebenso selbstverstandliches wie verselbstandigtes Element des modernen Lebens wie Pluralisierung (vgl. Berger/Luckmann 1995), Individualisierung (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 2002), Optionalisierung (vgl. Gross 1994), Kommerzialisierung (vgl. Prisching 2006), Globalisierung (vgl. Beck 2007) und Mediatisierung (vgl. Krotz 2007).
Archive | 1999
Ronald Hitzler; Michaela Pfadenhauer
Einem besonders unter ‚kritischen Intellektuellen‘ und (von diesen) uber die Publikumsmedien verbreiteten Vorurteil zufolge ist ‚Techno‘ — was immer das sein mag — ein zutiefst unpolitisches Phanomen. Behauptet wird damit, das den jugendlichen Techno-Enthusiasten, bzw. den Technoiden1 jene die Jugend(phase) ‚eigentlich‘ auszeichnende politische Haltung der Auflehnung gegen das Uberkommene, der Rebellion und des Weltverbesserungsengagements einer (‚Nicht‘-)Einstellung des konsumorientierten Hedonismus und somit der Anpassung und Politikverdrossenheit gewichen, kurz: das dieser „Generation XTC“ (Bopple/Knufer 1996) jegliches politische Bewustsein abhanden gekommen sei (vgl. dazu auch Ahrens 1996, Busser 1997, Lau 1995 und 1996).