Anja Tervooren
University of Hamburg
Network
Latest external collaboration on country level. Dive into details by clicking on the dots.
Publication
Featured researches published by Anja Tervooren.
Archive | 2001
Anja Tervooren
Schule als Institution entsteht zu grosen Teilen durch alltagliche Mikrorituale aller an der schulischen Praxis Beteiligten. Institutionelle Markierungen und Grenzziehungen werden dabei durch Rituale und Ritualisierungen nicht allein bestatigt, sondern vielmehr in standiger Wiederholung erst hervorgebracht. So ist die Schwelle der Klassentur ein zentraler Ort, an dem sowohl von Schulerinnen und Schulern als auch von Lehrerinnen und Lehrern die Gemeinschaft der Klasse in unterschiedlichen Praxen immer neu konstituiert wird. Gerade der Ubergang von der Pause zum Unterricht als strukturschwacher zeitlich-raumlicher Ubergang zeigt — wie das vorangegangene Kapitel beschrieben hat — auf eindringliche Weise das Spannungsfeld zwischen Peers, Klassengemeinschaft und Institution und prasentiert damit Schlusselsituationen schulischer Praxis, in denen vor allem durch Ritualisierungen Grenzziehungen und Gemeinsamkeiten in Gruppen hergestellt werden. Dieses Kapitel wird die Aufmerksamkeit auf die Aktivitaten der Kinder untereinander lenken, die Spiele der Kinder auf dem Pausenhof untersuchen und dabei im Blick behalten, das diese Aktivitaten auf die Klassengemeinschaft und die Schule als Institution bezogen bleiben. Im folgenden wird gefragt, auf welche Art und Weise Kinder Gemeinschaften hervorbringen und welche Rolle Geschlecht dabei spielt.
Kindheit zwischen fürsorglichem Zugriff und gesellschaftlicher Teilhabe | 2010
Anja Tervooren
Die Feststellung, das deutsche Schulsystem vermoge Chancenungleichheit nicht auszugleichen und erzeuge sie daruber hinaus auch, ist mittlerweile zum selbstverstandlichen Bestandteil offentlicher Diskurse geworden. Neben den internationalen Schulleistungsstudien (Baumert et al. 2006; Bos et al. 2007) zeigt auch die Sozialberichterstattung einen auserst engen Zusammenhang von Herkunft und Bildungsverlauf auf, der im internationalen Vergleich hervorsticht. Wie die bestehende Chancenungleichheit abgebaut werden konne, wird deshalb breit diskutiert und dabei die Familie in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geruckt. Um moglicher Weise fehlende familiare Unterstutzung so bald als moglich zumindest teilweise ausgleichen zu konnen, wird in dieser Debatte die fruhe Kindheit als wichtigstes Feld der Forderung von Bildungsprozessen bestimmt. Ziel ist es dabei, potentiell benachteiligten Kindern und Jugendlichen bessere aktuelle und spatere Teilhabechancen zu ermoglichen. Somit ist es vor allem die Population der kleinen Kinder, die in den jungsten Bildungsreformen zum Ziel staatlicher Interventionen wird.
Archive | 2007
Anja Tervooren
Streetdance steht im Zentrum aktueller Popularkultur vor allem weiblicher Jugendlicher und vereint Elemente aus Break- und Jazzdance, Aerobic und Orientalischem Tanz. Jugendliche Madchen haben sich in den letzten Jahren zwar auch in die mannliche Domane des Breakdance 1 vorgewagt, jedoch vornehmlich dem Streetdance zugewandt. Dieser wird vorrangig in einer Choreografie, aber auch als Wettkampf getanzt und aufgefuhrt. Im Folgenden werden die Kultur, in welcher der Streetdance von einer Gruppe dreier befreundeter Madchen im Alter von 15 und 16 Jahren gelernt wird, im Kontext rekonstruiert und vier Rahmungen herausgearbeitet, die zu dem Gelingen oder auch Misslingen des Lernprozesses beitragen. Untersucht wird, welche Rolle Rituale und Ritualisierungen in dieser Lernkultur spielen und es wird gezeigt, dass im Kontext einer in der Grosstadt Berlin situerten Jugendfreizeiteinrichtung Prozesse der Entritualisierung einer Lernkultur solche der Reritualisierung nach sich ziehen — in diesem Fall durch die Jugendlichen selbst. Dabei wird rekonstruiert, wie eng auch im Kontext einer Jugendfreizeiteinrichtung, in der das auserschulische Lernen der drei Madchen stattfindet, informelles 2 und formelles Lernen verzahnt sind. Das informelle Tanzenlernen dieser Madchen baut auf Lernprozessen in formellen Kontexten auf, wahrend das formelle Lernen sich mehr und mehr des Potentials informeller Lernprozesse bedient.
Archive | 2004
Anja Tervooren
Jedes Jahr zwischen Ostern und Pfingsten lassen sich viele Jugendliche in den alten Bundeslandern und eine nicht zu vernachlassigende Anzahl in den neuen konfirmieren. Vor dem Hintergrund der Debatten um gefahrliche, haufig mit Schmerz und Gefahr verbundene Selbstinitiationen von Jugendlichen, wirkt das institutionalisierte Ritual der Konfirmation auserordentlich traditionsgebunden, fast wie ein Ritual aus vergangener Zeit: im Schos von Kirche, Familie und Freunden kann von Gefahren keine Rede sein. Das nach der kirchlichen Trauung und Bestattung am haufigsten nachgefragte Ritual der evangelischen Kirche markiert den Ubergang zur vollen Religionsmundigkeit und bestatigt die Konfirmierten als selbstverantwortliche Gemeindeglieder. Trotz des Schwundes von Kirchenmitgliedem erfieut es sich vor allem in den landlichen Gebieten anhaltender Beliebtheit. Die Nachfrage in den Grosstadten fallt zwar um einiges geringer aus, das Ritual besitzt aber nichtsdestotrotz fur viele Jugendliche eine ungebrochene Attraktivitat, die sich, so wird gezeigt werden, starker aus dessen Ereignischarakter als aus der erzeugten Bindung an die Institution Kirche speist. Jugendliche aus einem Berliner Innenstadtbezirk, in einer Gruppendiskussion zu ihrer eigenen Konfirmation befragt, erzahlen, dass die Gleichaltrigen und sie selbst nach der Konfirmation nicht mehr an Religionsunterricht und Gottesdienst teilnehmen.
Archive | 2011
Anja Tervooren
In der ethnographischen Kindheitsforschung, in welcher die Anwesenheit im Feld und damit die teilnehmende Beobachtung ins Zentrum gestellt wird, haben sich seit Mitte der 1980er Jahre im deutschsprachigen Raum zwei Untersuchungsschwerpunkte etabliert: Meistens im Kontext von Institutionen der Primarbildung werden zum einen Interaktionen der Kinder untereinander und zum anderen solche zwischen Padagoginnen oder Padagogen und Kindern analysiert. Auch wenn sich die Foci der Analysen unterscheiden, ist es jeweils das Ziel, sich der „Welt“ oder „Perspektive“ der Kinder anzunahern und vor allem deren Mitarbeit an den eigenen formellen und informellen Bildungsprozessen herauszuarbeiten. Drei Forschungstraditionen beeinflussten diese Schwerpunktsetzung. Erstens wurde die fruhe Studie Martha Muchows „Die Lebenswelt des Grosstadtkindes“, in welcher der Raum, „den das Kind lebt“ (Muchow/Muchow 1998, 1935, S. 72), untersucht wurde, neu aufgelegt und damit eine sozialpadagogische Blickrichtung ausgebaut. Zweitens wurden entwicklungspsychologische und soziologische Ansatze, in welchen Konzepte der Stadien kindlicher Entwicklung mit der Bearbeitung dieser durch die Kinder verbunden werden, weiterentwickelt (Cook-Gumperz et al. 1986, Youniss 1994, Mey 2003). Drittens wurde mit der deutlichen Abgrenzung vom Entwicklungs- und Sozialisationsparadigma die neuere sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung erarbeitet, die sich von der Betonung der Schutzbedurftigkeit der Kinder und der normativen Ausrichtung dieser Kindheitskonzeptionen verabschiedete und den Blick auf die Interaktionen, Praktiken und Routinen der Kinder lenkte.
Feministische Studien | 2007
Anja Tervooren
Die Debatte u m geschlechtsspezifische Sozialisation gehörte in den 1970er und 1980er Jahren zu den Ausgangspunkten der Auseinandersetzung u m Geschlecht. A m Ende dieser beiden Dekaden löste sich die damalige Frauenforschung aus der zunächst sinnvollen engen Verklammerung mit dem Paradigma der Benachteiligung, die das Nachdenken über Sozialisation nachhaltig prägte, machte Geschlecht zur allgemeinen Analysekategorie und erarbeitete eine interdisziplinäre Herangehensweise. Doch veränderte sich der Stellenwert der Sozialisationstheorie nicht allein durch die Ausdifferenzierung in den Disziplinen, sondern ebenso durch Kritik aus den eigenen Reihen. Aus soziologischer Perspektive wurde schon früh gefordert, die den Individuen j e eigene Weise der Aneignung von Zweigeschlechtlichkeit zu analysieren (Hagemann-White 1984). Anfang der 1990er Jahre kündigte sich eine endgültige Wende in den grundlegenden theoretischen Konzeptionen der sich fortan meistens der Geschlechterforschung zurechnenden Studien an, die Sozialisationstheorie gänzlich unzeitgemäß erschienen ließ. Unte r den Vorzeichen von Identitätskritik, der Konzeption des Körpers als Inszenierung und dem Ringen u m die Frage, wie individuelles Handeln und gesellschaftliche Struktur miteinander verschränkt seien, schienen Sozialisationstheorien ihren Schwerpunkt stets auf die Strukturen zu legen, Flexibilisierungen deshalb nicht fassen und den Körper in seiner Materialität nicht berücksichtigen zu können. Letzten Endes wurde diesen Theor ien attestiert, dass ihnen ein Essentialismus nicht auszutreiben sei, sie die dichotome Geschlechterlogik unterstützten und letztlich ganz ad acta gelegt werden sollten. Seit einigen Jahren wird dafür plädiert, dieses Mora tor ium zu beenden und den Faden der Sozialisationstheorie innerhalb der Geschlechterforschung unter veränderten Vorzeichen erneut aufzunehmen (Maihofer 2002, Bilden/Dausien 2006). Die Debatte u m die Kritik an der Kategorie Geschlecht hat dafür, so eine These dieses Beitrags, das nötige Werkzeug bereitgelegt: erstens eine Fokussierung des Konstruktionsprozesses, also den Ansatz des doing gender und damit zunehmendes Interesse für Mikroanalysen; zweitens die Aufmerksamkeit für die Materialität des Körpers zwischen Flexibilität und Verfestigung und drittens die zunehmende Beachtung der Verschränkung von Geschlecht und Sexualität. Im Folgenden werden in einem ersten Schritt diese Schwerpunkte der Debatte rekapituliert, dann wird eine Fallstudie zu Geschlecht und Begehren in der ausge-
Archive | 2001
Anja Tervooren
Bereits seit dreisig Jahren wird in der Bundesrepublik Deutschland eine Diskussion um die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in allgemeine Erziehungs- und Bildungseinrichtungen gefuhrt. Initiiert und in Teilen durchgesetzt wurde diese Veranderung im Bildungswesen von „unten“ nach „oben“: Eltern, die ihre Kinder in Kindergarten oder Kindertagesstatten und spater in Grund- und weiterfuhrende Schulen geben wollten, stiesen wegen deren Behinderungen auf Barrieren, von denen sie einige im Laufe von Jahren in muhevoller politischer und konzeptioneller Kleinarbeit abbauen konnten. Diese Entwicklung kam jedoch nur sehr langsam voran. Im Jahre 1998 wurden im Bundesdurchschnitt nur 5% aller Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen in allgemeinbildenden Grund- und weiterfuhrenden Schulen unterrichtet.1 Von grosen Teilen der sonderpadagogischen wissenschaftlichen Fachoffentlichkeit wurde diese Diskussion von Anfang an — und das gilt fur einige Gruppen bis heute — nur widerwillig zu Kenntnis genommen (Eber-wein 1998). Zwar hat sich die Rhetorik verandert und niemand kame an einem Bekenntnis zur Integration vorbei, dennoch ist die Aussicht von Schulern und Schulerinnen mit Behinderungen auf gleiche Teilhabe an allgemeiner Bildung nach wie vor begrenzt. Sieht man einmal von der Grundschulpadagogik ab, so haben Vertreterinnen und Vertreter der allgemeinen Padagogik2 diese Diskussion an sich vorbeiziehen lassen und bis auf einige Ausnahmen nicht einmal in Erwagung gezogen, dass sie das Thema Behinderung — und ich will hinzufugen all das, was die Verletzlichkeit des Korpers sowie die Themen Krankheit und Alter einschliest — ebenso angeht wie die „besonderen“ Padagogiken. Meines Erachtens musste jedoch gerade die allgemeine Padagogik ein bevorzugter Ort der Auseinandersetzung mit dem Thema der Normativitat in Bildung und Erziehung sein und das Thema Behinderung als integralen Bestandteil dieser Auseinandersetzung auffassen.
Zeitschrift für Qualitative Forschung | 2017
Martina Richter; Helmut Bremer; Fabian Kessl; Carolin Rotter; Anja Tervooren
Leseprobe ----- Bibliographie: Richter, Martina/Bremer, Helmut/Kessl, Fabian/Rotter, Carolin/Tervooren, Anja: Interdisziplinaritat in der qualitativen Bildungsforschung – eine Einleitung in den Schwerpunkt, ZQF, 1-2017, S. 3-7. https://doi.org/10.3224/zqf.v18i1.01
Archive | 2017
Anja Tervooren
In dem Beitrag wird argumentiert, dass die Allgemeine Padagogik von ihrem Beginn an das Thema der Heterogenitat in den Mittelpunkt stellte, allerdings bis vor Kurzen die Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Inklusion“ der sonderpadagogischen Diskussion uberlies. Diese Rezeptionssituation, die als spezifisch fur den deutschsprachigen Raum ausgewiesen wird, wird als eine Dichotomisierung von Allgemeinem und Besonderen beschreiben, welche sowohl das Allgemeine als auch das Besondere verfehle. Ausgehend von diesem Befund werden drei aktuelle Arbeitsfelder der Allgemeinen Erziehungswissenschaft vorgestellt, die der Dichotomisierung entgehen oder zu entgehen suchen und die Kategorie Behinderung einbeziehen. Erstens werden historische Grenzziehungen der beiden Teildisziplinen Allgemeine Erziehungswissenschaft und Sonderpadagogik rekonstruiert und damit eine Geste des Abtrennens des Besonderen vom Allgemeinen und des Allgemeinem vom Besonderen in Erinnerung gebracht, die bis heute wirksam ist und gefordert, dass eine historische Perspektive das Besondere und das Allgemeine in ihrem Zusammenspiel untersuchen musse. Zweitens werden anthropologische Bestimmungen von Allgemeinem und Besonderem vorgestellt und drittens synchrone, empirische Perspektiven prasentiert, welche sich der Herstellung von Allgemeinem und Besonderem im Feld widmen.
Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft | 2016
Jürgen Budde; Susanne Offen; Anja Tervooren
----- Bibliographie: Budde, Jurgen /Offen, Susanne/Tervooren, Anja: Das Geschlecht der Inklusion – eine Einleitung, JB Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, 1-2016, S. 7-11. https://doi.org/10.3224/jfgfe.v12i1.01