Henning Schmidt-Semisch
University of Bremen
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Publication
Featured researches published by Henning Schmidt-Semisch.
Archive | 2007
Bernd Dollinger; Henning Schmidt-Semisch
Spatestens seit der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts gilt die „Sucht“ als eines der grosen, international bedeutsamen sozialen Probleme moderner Gesellschaften. Kaum eine Diagnose ist in der Gegenwartsgesellschaft so verbreitet, und es gibt kaum eine menschliche Verhaltensweise, die nicht durch das Suffix „Sucht“ in ein problematisches Verhalten verwandelt werden konnte oder bereits verwandelt worden ist: Das Spektrum reicht dabei von den klassischen Alkoholund Drogensuchten uber die jungeren Phanomene der (substanzungebundenen) Fernseh-, Sex- oder Spielsucht bis hin zu der gegenwartig hoch aktuellen Fettsucht (Adipositas) — „suchtig“, so konne man daraus schliesen, ist heute fast jeder und jede. Dabei sind es genau diese Inflation und diese Selbstverstandlichkeit der Benutzung des Sucht-Begriffes, die dazu gefuhrt haben, dass Sucht und Suchtdiagnosen aus der Alltagssprache und aus der Alltagstheorie kaum mehr wegzudenken sind.
Archive | 2018
Henning Schmidt-Semisch; Bernd Dollinger
Der Beitrag setzt sich mit dem gegenwartig vorherrschenden Verstandnis von Drogenkonsum und Sucht auseinander. Das entsprechende medizinisch-naturwissenschaftliche Denken wird als historisch etablierte, partikulare Sicht identifiziert. Sie wurde in den letzten Jahren diskursiv durchgesetzt und auf zahlreiche Verhaltens- und Erlebnisformen ausgeweitet. Gegenubergestellt wird ihr eine sozialwissenschaftliche Perspektive auf Drogenkonsum als soziale, interpretative Praxis. Sie verbindet sich mit „Sucht“ als einer Deutung, die ,storende‘ Verhaltensformen medikalisiert und praventiv zu bearbeiten sucht.
Archive | 2012
Friedrich Schorb; Henning Schmidt-Semisch
Nach allen verfugbaren Informationen, so hat es Franz-Xaver Kaufmann vor knapp einem Vierteljahrhundert einmal formuliert, musse man davon ausgehen, dass die Menschen im Laufe ihrer Geschichte noch nie so sicher gelebt hatten, wie in den modernen Gesellschaften: „Die mittlere Lebenserwartung bei Geburt hat Grosenordnungen erreicht, die sich den bisher bekannten biologischen Grenzen nahern (…).
Archive | 2011
Henning Schmidt-Semisch; Friedrich Schorb
Fasst man Punitivitat als die Anwendung rigider und strafender Reaktionsmuster auf unerwunsch tes oder abweichendes Verhalten, dann passen Gesundheit (bzw. Krankheit) und Punitivitat im Grunde nicht zusammen. Zwar handelt es sich im strengen Sinne auch bei Krankheiten um „abweichendes Verhalten“ (Becker 1973: 4 ff.) bzw. abweichende Zustande, aber der Zurechnungsmodus der Abweichung ist bei Krankheit ein grundsatzlich anderer als beim klassischen Anwendungsfall punitiver Reaktionen: dem „kriminellen“ Verhalten. Aus der Perspektive sozialer Kontrolle sind Kriminalisierung und Pathologisierung als unterschiedliche Diagnosemuster zu verstehen, die sehr verschiedene Reaktionen nach sich ziehen: „Der wichtigste Unterschied zwischen Kriminalisierung und Pathologisierung liegt im Grad der Zuschreibung von Verantwortung. Der Kriminelle wird fur ein gewolltes Handeln zur Rechenschaft gezogen, dem Kranken aus einem ungewollten Zustand, an dem er selbst leidet und aufgrund dessen ihm sein abweichendes Verhalten fur eine gewisse Zeit nachgesehen wird, herausgeholfen; der Kriminelle wird bestraft, der Kranke behandelt“ (Hess 1983: 15).
Archive | 2010
Henning Schmidt-Semisch; Bettina Paul
Gesundheit bezeichnet einen der zentralen Werte in unserer gegenwartigen Gesellschaft: Sowohl das offentliche wie auch das personliche Interesse an Gesundheit hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Aber auch wenn (zumindest in den westlichen Industriestaaten) die durchschnittliche Lebenserwartung seit Ende des 19. Jahrhunderts enorm angestiegen ist und das System der gesundheitlichen Versorgung sich deutlich verbessert hat, so heist dies doch nicht, dass das Leben heutzutage (zumindest subjektiv) weniger riskant und die Gesundheit weniger gefahrdet ware. Im Gegenteil kann man mit Bezug auf Luhmann (1991, 1993) sagen, dass es mit der Mehrung des medizinischen und epidemiologischen Wissens sowie entsprechender Informationen auch zu einer Ausweitung der Entscheidungsmoglichkeiten und -notwendigkeiten kommt – und damit zugleich zu einem Mehr an Risiken, sich in gesundheitlicher Hinsicht richtig oder falsch zu entscheiden. Diese Entwicklung wird zugleich aber noch dadurch gefordert, dass immer mehr Probleme einer medizinischen Losung zugefuhrt und immer mehr Verhaltensweisen als gesundheitsschadlich bezeichnet und bekampft werden: Hinter jedem Zipperlein wird die Manifestation, zumindest aber der Beginn einer ernstzunehmenden Krankheit vermutet, immer ofter werden eigentlich gesunde Prozesse (etwa Alterung oder Menopause) problematisiert und medizinalisiert und jede noch so lustvolle Tatigkeit wird vor dem Hintergrund ihrer immanenten Gesundheitsrisiken taxiert.
Archive | 2014
Henning Schmidt-Semisch
Wie Kriminalitat entsteht, daruber streitet nicht nur die Kriminologie. Aber wie entsteht Kriminologie? Ich habe darauf – bezogen auf die im vorliegenden Beitrag ausgefuhrte Idee – eine sehr personliche Antwort: Es war im Fuhrjahr 1986, als ich von Heinrich Althoff (damals noch: Kemper-Diekmann) dazu eingeladen wurde, an einem Treffen des (legendaren) Kriminalpolitischen Arbeitskreises (KRAK) irgendwo in der Nahe vom Darmstadt teilzunehmen. Es war jene Zeit, in der abolitionistische Diskussionen noch haufiger gefuhrt wurden, und am zweiten Tag des besagten Treffens gesellte sich auch der Junge (Frankfurter) Kriminologe Sebastian Scheerer zu der illustren Runde und berichtete von einem Gutachten, das er zu diesem Zeitpunkt gerade gemeinsam mit Beate Kohl im Auftrag der Bundestagsfraktion DIE GRUNEN angefertigte.
Archive | 2011
Bernd Dollinger; Henning Schmidt-Semisch
„Jugendlichkeit“ ist ein zentraler Wert unserer an Gesundheit und Vitalitat orientierten Gesellschaft. Doch gleichzeitig wird die Lebensphase „Jugend“ auch mit Defiziten, Storungen und riskanten Verhaltensweisen assoziiert. Besondere mediale und politische Aufmerksamkeit erhalten Jugendliche, wenn sie mit strafrechtsrelevantem Verhalten, also mit (Jugend-)Kriminalitat, in Erscheinung treten. In diesem Kontext geht es dann in der Regel nicht um aktuelle kriminologische und/oder sozialpadagogische Befunde, sondern Boulevardjournalismus und Teile der staatlichen Politik stellen auf wenige dramatische Einzelfalle ab, die zu Symbolen einer „Verrohung“ Jugendlicher, einer verfehlten Integrationspolitik oder einer zu „weichen“ Kriminalpolitik und Justiz stilisiert werden. Da die Massenmedien und selbst die polizeilichen Pressemitteilungen spezifische Formen von Normabweichungen besonders haufig thematisieren, wird dadurch zugleich eine spezifische Wahrnehmung von Delikthaufigkeiten produziert (vgl. Schwindt 2007: 283ff). So ist insbesondere physische Gewaltanwendung gegen Personen deutlich uberreprasentiert. Dass es sich hierbei im Vergleich zu statistisch ermittelten Delikthaufigkeiten um Verzerrungen handelt, wird massenmedial und politisch kaum ernst genommen, auch wenn die Wissenschaft dies nahezu durchgangig kritisch thematisiert. Immerhin ist sich die Fachwelt im Falle der Kriminalitat Jugendlicher in einigen wichtigen Punkten weitestgehend einig. Sie liefert Erkenntnisse, die das offentlich kommunizierte Bild differenzieren und korrigieren. Zentrale Befunde sind u.a. die folgenden Aspekte.
Journal of Drug Issues | 2002
Henning Schmidt-Semisch; Bettina Paul
This article analyzes the main concepts utilized in non-repressive drug control models. After discussing three models of cannabis control used in the Netherlands, Switzerland and the German federal state of Schleswig-Holstein, the authors present an alternative model that is based on the German foodstuffs law.
Archive | 2019
Robert Feustel; Henning Schmidt-Semisch; Ulrich Bröckling
Das Thema Drogen provoziert. Gleich ob in den Wissenschaften, in der Politik, in den Medien oder in privaten Gesprachen, wenn es um Drogen geht, steigt der Erregungspegel. Meist werden ihre Gefahren dramatisch beschworen, weit seltener wird ihr Genuss- und Erkenntnispotential gefeiert, nur gleichgultig steht ihnen fast niemand gegenuber.
Archive | 2018
Simon Egbert; Henning Schmidt-Semisch; Katja Thane; Monika Urban
Wie bereits angedeutet ist in den vergangenen Jahren im deutschsprachigen Raum einiges zu spezifischen Aspekten von Drogentests und v.a. auch zur rechtlichen Situation publiziert worden, wobei allerdings die Frage unbeantwortet blieb, in welchen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen solche Drogenkonsumkontrollen uberhaupt durchgefuhrt und welche Intentionen jeweils dabei verfolgt werden. Diesen Aspekten werden wir uns nun zuwenden: Mit der nun folgenden qualitativen Bestandsaufnahme prasentieren wir eine empirisch fundierte Einschatzung der gesellschaftlichen Streuweite der Anwendung von Drogentests sowie der jeweils damit verbundenen Rationalitaten und Folgen dieser Drogenkonsumkontrollen. Die Daten stutzen sich dabei v.a. auf die Analyse von 55 Expert*inneninterviews und 135 Internet-Foren und -Blogeintragen.